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sehr, …“, bemerkte die Mutter mit gesenktem Kopf und erstickter Stimme, „… und gab ihm ein Amulett mit auf den Weg, das ihn schützen sollte …!“

      „Seither ist sie nicht mehr sie selbst“, übernahm nun Halem Saii. „Wenn wir nicht auf dem Feld sind, verbringt sie die meiste Zeit im Gebetsraum, und spricht mit Gäa. Oft steht sie am Fenster, wie jetzt gerade, und stiert unentwegt zum Gespaltenen Berg hinüber. Nichts um sie herum scheint dann mehr zu gelten. Manches Mal schreit sie dann plötzlich wie ein weidwundes Tier und ist lange nicht zu beruhigen!“

      „Sie sagt, sie wüsste nicht, was mit ihr geschieht in diesen Momenten!“, ergänzte die Mutter.

      „Ich weiß nicht, ob es wahr ist …“, ließ sich nun wieder der Vater vernehmen. „Hier und in den umliegenden Dörfern erzählt man sich von vielen Unglücken in den Familien in den letzten Zeiten – und von verdorbenen Ernten. Man redet nicht offen darüber … aber es heißt, unsere Tochter …“

      „Es sind nur einige, die so denken!“, wurde er fast barsch von Halem unterbrochen. „Mujie hat damit nichts zu tun! Sie ist gequält von Suäl Graal, wie alle unseres Volkes!“

      Ein beklemmendes Schweigen folgte dem Ausruf Halems, und wurde erst von der Altwisin wieder aufgehoben. „Sie beherrscht Worte, die lange schon vergangen sind im Volk der Nin! Wisst ihr noch von anderen Fähigkeiten, die nicht gewöhnlich sind!“, fragte sie.

      „Als Tako noch unter uns war, sah man sie mit großem Geschick mit dem Schwert umgehen!“, erinnerte sich Halem. „Doch man hat niemals gesehen, dass sie sich darin übte …!“

      „Das ist wahr!“, bestätigte sofort der Vater. „Auch mit dem Bogen war sie schon sehr früh vertraut. Niemand konnte sich in dieser Kunst mit ihr messen!“

      „Es war aber sicherlich auch kein gewöhnlicher Bogen!“, gab die Mutter zu bedenken. „Eine Magie war mit ihm verbunden!“

      „Eine Magie?“, horchte die Altwisin auf.

      „Es musste wohl so sein!“, bestätigte die Mutter.

      „Die Tochter war gerade geboren …“, erklärte darauf der Vater nachdenklich, „… da erschien ein fremder im Dorf, dessen Namen niemand mehr erinnert – hochgewachsen und alt an Jahren. Er trug den Bogen bei sich. Wir boten ihm Unterschlupf in unserem Hause für die kurze Zeit seines Aufenthalts. Als er wieder aufbrach, legte er seinen Bogen auf das Kindbett, und sagte, dass nun sie ihn führen sollte, wenn sie herangewachsen war. Wir hielten es für eine Geste des Dankes, dass wir ihn bei uns aufgenommen hatten!“

      „Und worin lag nun die Magie des Bogens?“, fragte die Altwisin nach.

      „Kaum das Mujie die Kraft hatte, ihn ein wenig zu spannen …“, sprudelte die Mutter sogleich hervor, „… traf sein Pfeil das kleinste Ziel aus großer Entfernung. Niemanden sonst gewährte der Bogen diese Gunst außer der Tochter. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen …!“

      „Zeigt mir den Bogen!“, bat die Altwisin.

      „Wir haben ihn nicht mehr!“, schüttelte der Vater unwillig den Kopf.

      „Nachdem eine Ahnung in uns aufkam, dass Suäl Graal ihr böses Spiel mit unserer Tochter trieb, konnte der Bogen nur ein Werk ihrer Allmacht sein!“, erregte sich die Mutter etwas. „Wir warfen ihn ins Feuer – aber er verbrannte nicht. Keine Flamme wollte an ihm zehren – selbst seine Sehne blieb ungeschwärzt! …“

      „Ich trug ihn zuletzt zum höchsten Ort der Steilküste, und warf ihn hinab ins Meer, aus dem Suäl Graal einst entstiegen ist!“, übernahm Halem. „Wir gaben der Allmächtigen zurück was das ihre war!“, schloss er.

      „Kannst du unserer Tochter helfen?“, fragte die Mutter nun mit ängstlichem Blick.

      Die Altwisin senkte den Kopf und schien in sich hineinzuhorchen. Dann blickte sie wieder auf. „Nur Gäa und die Allmächtige wissen, was eure Tochter erleidet. Es müssen viele Zeiten in ihr aufgehoben sein, dass sie Worte in sich trägt, deren Klang längst vergangen ist! Mir scheint, eure Tochter ist ein Kishou – so bezeichnete man in den längst vergangenen Zeiten die ‚Suchenden’, wie sie im Volk der Nin so manchesmal wiedergeboren wurden. Der letzte, von dem mir berichtet wurde, lebte in Khokut – viele Tagesreisen von hier. Er soll allerdings bereits eine sehr hohe Stufe der Weisheit erlangt haben, so sprechen die, die von ihm wissen. Doch es ist schon sehr lange her, dass er unter uns war!“

      Sie machte eine kleine Pause, und schien wiederum in sich hinein zu horchen. „Was geschehen ist, kann nicht mehr ungeschehen sein – was erfahren ist, nicht unerfahren!“, meinte sie endlich. „Möglich, dass Suäl Graal tatsächlich von ihr Besitz ergriffen hat – oder zumindest irgendeine Verbindung zwischen ihnen besteht. Es quält sie offenbar sehr!", bestätigte die Altwisin die Mutter weitgehend in ihren Befürchtungen. „Ich will ihr ein Elixier mischen, dass eine schwarze Decke darüber legen wird, was in ihr geschehen – und ein Zweites, dass sie vergessen macht, was in ihr als Erfahrung ruht. Das Erstere nimmt sie am Morgen jeden Tages zu zwei Löffeln, von dem Zweiten träufelt etwas am Abend auf ihre Ruhestatt. Es kann sie nicht heilen – wie der Suchende niemals auf immer aufgehalten werden kann. Doch wird es in der Zeit das Maß ihrer Empfindsamkeit herabsetzen!“

      „Wonach sucht sie?“, wunderte sich Halem, doch für eine Antwort der Altwisin war keine Gelegenheit mehr. Der hölzerne Riegel der Tür klappte in diesem Moment nach oben, und der Zugang zum angrenzenden Raum öffnete sich langsam. Mujie Saii stand dort – zitternd und das Gesicht feucht von Schweiß und Tränen …

      „Ich hab Angst!“, sagte sie leise.

      Halem war aufgesprungen und barg sie fest in seine Arme …

      ~

      „Wie die Altwisin es vorher gesagt hatte, so geschah es. Die geheimen Elixiere aus wilden Kräutern zeigte ihre Wirkung, und in der Zeit zweier Sonnenwenden über dem Salzberg entspannte sich das Antlitz Mujie Saiis mehr und mehr, bis jede Bedrückung von ihr genommen schien.

      Eine gute Zeit war angebrochen, die den gerechten Lohn der alltäglichen Beschwernisse versprach, mit denen man dem kargen Boden des Hochlandes seine Früchte abringen musste. Rahmin, der zweitälteste der Familie Tayl, warb seit kurzem um Mujie – und es sah zuweilen danach aus, als würde er erfolgreich sein. …

      ~

      „M

      ujie!“

      „Was ist?“. Die Gerufene trat an das Fenster und stieß dessen rechten Flügel nach außen, der schon lange nur noch kraftlos an einem seiner Scharniere hing, und bei jedem Windzug halb zuklappte.

      „Komm heraus, wenn du dich traust!“ Halem Saii stand ein Stück weit vor dem Haus, und übte sich schon den halben Tag in der Führung seines schweren Schwertes. Er hatte es sich von Ramon, dem alten Schmied, erst vor Kurzem nach seinen strengen Anweisungen anfertigen lassen – und es war ihm gut gelungen.

      „Du spinnst!“, rief ihm Mujie zu. „Wo ist Rassl?“ Sie hatte durchaus bemerkt, dass schon vor einer Weile das Klirren und Schaben von Eisen auf Eisen aufgehört hatte. Rassl war der älteste Sohn jener Familie, deren Haus nur einen Steinwurf von ihnen, hinter der brüchigen kleinen Mauer stand. Er übte fast täglich mit dem Freund.

      „Er ist aufs Feld!“, rief ihr der Bruder zu.

      „Das solltest du auch tun, und Vater und Mutter helfen, anstatt die Vögel mit deinem Krach zu verschrecken!“

      Halem lachte laut auf. „Ich wusste nicht, dass ich eine so ängstliche Schwester habe, dass sie grad' das Klirren von blechernen Tiegeln und Töpfen erträgt!“

      Mujie Saii verdrehte unter einem Seufzer die Augen, zog ihr Schwert von der Halterung an der Wand, und verließ das Haus.

      „Ich weiß nicht, warum ich dieses Ding hier heraus trage – ein Besen sollte reichen!“ Mit dem ,Ding’

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