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»Ko bate, das versteht ihr nicht, arme Menschen!« Diese Erinnerungen waren mit dem Wort in Grunthe wieder aufgetaucht. Er verhielt sich jetzt ganz ruhig.

      Inzwischen hatte La ein Trinkgefäß herbeigeholt, mit dem wunderbaren Nektar der Martier gefüllt. Die Martier tranken stets durch einen mit Mundstück versehenen Schlauch, der in dem Gefäß befestigt war, und dieses Mundstück versuchte La jetzt Grunthe zwischen die Lippen zu schieben. Aber das war vergebliches Bemühen, Grunthe hielt sie fest geschlossen und wandte sein Gesicht zur Seite.

      »Die Bate sind aber unliebenswürdige Geschöpfe«, sagte La lachend.

      »Oh«, entgegnete Se, »Saltner war ganz anders, der redete gleich!« Grunthe hatte den Namen erfaßt, jetzt öffnete er zum ersten Mal die Lippen.

      »Saltner?« fragte er, ohne jedoch Se anzublicken.

      »Ach«, sagte Se, »siehst du, er kann hören und sprechen. Nun paß auf, nun werde ich einmal mit ihm reden.«

      Sie schlug den Arm freundschaftlich um Las Schulter und stellte sich nahe an das Lager. Dann sagte sie mit großer Anstrengung ihres Sprachorgans die von Saltner gelernten deutschen Worte: »Saltner deutsch Freund trinken Wein, Grunthe trinken Wein, deutsch Freund.«

      Grunthe warf jetzt einen erstaunten Blick auf die deutsch redende Martierin, während La über die Worte, die ihr furchtbar komisch vorkamen, kaum ihr Lachen verbergen konnte. Auch Grunthe war im Begriff zu lächeln, als er aber die beiden verführerischen Gestalten so nahe vor sich erblickte, starrte er sofort wieder an die Decke, antwortete jedoch in höflichem Ton:

      »Wenn ich recht verstehe, so ist auch mein Freund Saltner gerettet. Sagen Sie, bitte, wo ich hier bin.«

      »Trinken Wein, Grunthe«, wiederholte Se dringend, und La hielt ihm das Mundstück vor das Gesicht.

      Grunthe nahm jetzt die dargebotene Erfrischung. Und bald fühlte er sich durch das Getränk aufs angenehmste erquickt und belebt. Er bedankte sich und richtete noch einige Fragen an Se, aber ihre Sprachkenntnisse waren nunmehr erschöpft. Grunthe sah ein, daß er die Gebärdensprache zu Hilfe nehmen müsse, und so mußte er sich wohl oder übel entschließen, die beiden Martierinnen anzusehen. Er deutete auf sie hin, dann auf das Bild, und sagte auf gut Glück: »Mars? Mars?«

      Das Wort hatte Se behalten. Sie wiederholte es bejahend: »Mars, Nu!« Und auf La und sich hinweisend sagte sie, hochaufgerichtet: »La, Se, Nume!«

      Nume! Das war's! Das war das Wort, das Ell ihm gesagt hatte: Grüßen Sie die Nume!

      Nume also nannten sich die Martier, und Ell hatte das gewußt – – das gab Grunthe soviel zu denken, daß er momentan seine Umgebung vergaß. Um in seinem Nachdenken nicht gestört zu werden, schloß er die Augen, und sein Gesicht nahm wieder den starren Ausdruck an.

      Se wollte ihn fragen, ob er essen wolle, aber das deutsche Wort, das sie sich von Saltner hatte sagen lassen, war ihr entfallen. Da Grunthe hartnäckig die Augen geschlossen hielt, begab sie sich in den Hintergrund des Zimmers, um eine Mahlzeit zu bereiten. Denn dies geschah in jedem Zimmer sehr einfach und schnell durch die elektrische Küche. La zog es indessen vor, sich einen Sessel herbeizuziehen und neben dem Lager Platz zu nehmen. Sie musterte aufmerksam die Gegenstände, welche man bei Grunthe gefunden hatte, und spielte mit einem kleinen Buch, das sich unter denselben befand. Es war eine Anweisung zum Verkehr in der Eskimosprache und zeigte als Titelvignette einen fein ausgeführten Holzschnitt, einen Eskimo in seinem Kajak auf wildbewegtem Meer dem Fischfang abliegend.

      »Oh, sieh!« rief sie Se zu, »hier ist ein Kalalek in seinem Kajak.« Die beiden Eskimoworte schlugen verständlich an Grunthes Ohr und weckten ihn aus seinem verworrenen Hinbrüten. Sollten die Martier vielleicht das Grönländische erlernt haben? Er sagte sich, daß dies ja leicht möglich sei. Er selbst hatte sich zum Zweck der Reise das Notwendigste für den Verkehr angeeignet und fragte daher:

      »Ich spreche einige Worte der Eskimos. Verstehen Sie mich?«

      Se wußte nicht, was er meinte. La aber hatte schon seit einiger Zeit ihre Studien auf die Sprache der einzigen Menschen gerichtet, die den Martiern bisher begegnet waren. Sie verstand ihn und antwortete:

      »Ich verstehe ein wenig.«

      »Wo sind meine Freunde?« fragte Grunthe.

      »Es ist nur einer da. Er ist in einem andern Zimmer.«

      »Kann ich zu ihm?«

      »Er schläft, aber man wird Sie dann zusammenbringen.«

      »Wie kommen Sie vom Nu auf die Erde?«

      La wußte die Antwort nicht auszudrücken. Sie fragte dagegen:

      »Was wollt ihr hier?«

      Grunthe wußte nun seinerseits nicht, wie er den Begriff ›Nordpol‹ im Grönländischen wiedergeben sollte. Er wollte sich in dem Büchlein Rats erholen und sagte:

      »Geben Sie mir das Buch.«

      »Was?« fragte La.

      Grunthe richtete sich auf, um das Buch, das sie in der Hand hielt, zu erfassen. Aber er hatte im Augenblick nicht an die veränderten Schwereverhältnisse gedacht, und so kam es, daß sein ganzer Oberkörper bis zu Las Platz hinüberschnellte. Er wäre aus dem Bett gestürzt, wenn nicht La ihn rasch am Arm gefaßt und gehalten hätte. Diese Berührung war nun für Grunthe höchst peinlich, er wollte sich ihr entziehen, aber da er noch gar nicht verstand, seine Glieder unter den veränderten Umständen zu gebrauchen, und außerdem durch seinen Fuß behindert war, geschah es, daß er nach der andern Seite zu fallen drohte und ihn La ganz mit ihren Armen umfassen mußte. Sie legte ihn sanft auf das Lager zurück, während er ihr teerosenfarbiges Haar dicht vor seinen Augen flimmern sah. Ein Schwindel drohte ihn zu erfassen.

      Se kam mit dem Speisegerät herangeschwebt.

      »Was macht ihr denn?« rief sie lachend. »Ich höre, daß ihr euch so eifrig unterhaltet, ohne daß ich verstehen kann, was ihr redet, und auf einmal –«

      »Ja«, lachte La ebenfalls, »es war zu komisch, was der arme Bat für Sprünge machte!«

      »Ach«, sagte Se, »das scheint mir eine gefährliche Geschichte! Erst wagt er dich nicht anzusehen, und wie ich den Rücken wende, macht er dir auf grönländisch eine Liebeserklärung.«

      »Daran bist du schuld, du hast die Schwere abgestellt. Wenn ihm der Schreck nur nicht schlecht bekommt – was wird Hil sagen!«

      Grunthe lag wieder regungslos. Sein allerdings ganz unverschuldetes Ungeschick ärgerte ihn schwer, die Berührung mit der schönen La war ihm entsetzlich, zudem bewirkte die Abnahme der Schwere jetzt ein körperliches Übelbefinden.

      Aber La bat ihn so freundlich in der Eskimosprache, doch zu essen, und Se bot ihm die einen verlockenden Duft entwickelnden Speisen mit einem so gebietenden Blick, daß er seinen Hunger zu stillen wagte.

      Mit größter Vorsicht richtete er sich auf und genoß einiges von den Speisen, von denen er keine Ahnung hatte, was sie vorstellten. Sobald er sich dankend zurücklehnte, schob Se das Speisetischchen zur Seite, und La sagte:

      »Leben Sie wohl, Grunthe, schlafen Sie.«

      Sie schwebte zum Zimmer hinaus, und Se zog den Wandschirm vor, so daß Grunthe wieder sich selbst überlassen blieb. Der Kopf schwirrte ihm von allem, was um ihn herum vorgegangen war, neue Fragen drängten sich auf, und er wollte sich eben noch einmal aufrichten; da ergriff ihn plötzlich ein Gefühl, als würde er mit Gewalt gegen sein Lager gedrückt. Se hatte die Erdschwere wieder hergestellt. Jetzt schoben sich dichte Vorhänge vor die Fenster, und Grunthe lag im Dunkeln. Eine leise Musik wie aus weiter Ferne ließ sich hören und mischte sich melodisch mit dem Rauschen des Meeres.

      Grunthe versuchte vergebens, seine Gedanken zu konzentrieren. Sie bewegten sich um die Frage, wie es lebenden Wesen möglich sein könne, den luftleeren Weltraum zu durchfliegen. Wie hatten Martier auf die Erde kommen können? Aber nur in unbestimmten Vermutungen irrten seine Vorstellungen umher, und ehe er zu irgendeiner

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