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nichts. Leyla wartete ein paar Augenblicke, dann senkte sie die Arme, öffnete die Augen und sah sich im Halbdunkel um. Keine Katze. Dafür standen zwei Beine vor ihr. Sie hob langsam den Kopf und blickte nach oben. Ein junger, sehr großer Mann stand dort. Er passte perfekt in die Umgebung, denn nicht nur seine Kleidung und Haare waren schwarz, auch seine Haut hatte einen dunklen Teint. Man hätte ihn sicherlich glatt übersehen, wären da nicht diese furchtbaren gelben Augen, die bedrohlich auf sie hinabstarrten. Leyla zuckte abermals zusammen.

      »Wenn das ein Teppich gewesen wäre, hättest du ihn anzünden können«, sagte er mit tiefer Stimme leise und drohend. Mit dem Fuß schnippte er das Streichholz weg, das Leyla fallen gelassen hatte. Er hatte keine Schuhe an. »Steh auf!« Er hielt ihr eine Hand oder bessergesagt eine Pranke hin. Mit zitternden Fingern griff sie danach und er zog sie hoch. Sie reichte ihm nicht einmal bis zu den Schultern.

      »I-i-i-ch …«, stotterte sie, nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Sie lugte um ihn herum. »D-d-die Katze!«

      Er wandte sich um.

      »Ich sehe keine.« Wieder sprach er leise und doch mit einer ungeheuren Kraft in der Stimme. »Du etwa?«

      Er grinste und entblößte dabei ein schneeweißes Gebiss, dass dem eines Raubtieres viel zu ähnlich war. Die Eckzähne waren spitz und scharf. Sie versuchte noch weiter zurückzuweichen, hatte aber das Regal bereits im Rücken. Er grinste noch breiter, dann wich er von ihr und ließ sich in einen der nahegelegenen Sessel fallen, mit dem er farblich fast verschmolz. Er lehnte sich entspannt an und musterte sie eingehend. Er war ihr unheimlich. Ihr Blick flackerte zur Tür. Wie lange sie wohl hinauf in den zweiten Stock brauchte – zu dem Flimmern? Was, wenn draußen noch diese gigantische Katze wartete? Ihr Blick huschte zurück zu dem Mann.

      »Dich habe ich schon einmal hier gesehen. Letzte Woche.« Er betrachtete seine sehr spitzgefeilten Fingernägel.

      »Ich … ich … Es tut mir leid, ich wollte hier nicht eindringen.«

      Er winkte ab und schwang die Beine über die Sessellehne, sodass er nun fast lag.

      »Mich stört das nicht. Ich bin ja auch hier.« Er lachte, aber es klang nicht fröhlich.

      »Duu – wohnst hier nicht?« Immer noch zitterte ihre Stimme. Er ließ seine Aufmerksamkeit von den Fingernägeln wieder ab und sah sie an.

      »Wenn du nur drei Fragen hättest – wäre deine erste ziemlich dumm gewesen.«

      »Habe ich nur drei Fragen?«

      »Nein. Du kannst so viel fragen, wie du willst. Aber das wäre deine zweite dumme gewesen.« Wieder grinste er und zeigte dabei seine abscheulichen Zähne. »Ich wohne nicht hier. Eher dort drüben.« Er deutete mit einer nicht zu identifizierenden Handbewegung Richtung Fenster. »Aber momentan ist es zu ungemütlich zum Wohnen. Findest du nicht?«

      »Ich denke schon?«

      »War das eine Frage? Es wäre deine dritte gewesen.«

      Langsam versiegte ihre Panik und machte stattdessen Unverständnis und einem leichten Hauch von Wut Platz.

      »Du hast gesagt, ich könnte so viele Fragen stellen, wie ich will.« Es klang fast patzig.

      »Darfst du. Aber vielleicht beantworte ich dir nur drei.« Seine Aufmerksamkeit galt nun den Staubflocken, die bedächtig durch den Raum schwebten. »Jetzt frage ich. Wie heißt du?«

      »Leyla.«

      »Nun Leyla, warum setzt du dich nicht?«

      ›Weil ich zu viel Schiss habe und gerne zurück nach Hause möchte‹, dachte sie, sagte aber nichts. Er nickte nur, als hätte er keine Antwort erwartet.

      »Was machst du hier?«, fragte er stattdessen.

      »Wo bin ich denn?«

      »Ah! Eine gute Frage. Du mit deinen komischen Feuerhölzchen. Du kommst nicht von hier, richtig? Sonst hätte ich dich wohl auch schon einmal gesehen. Also, wo kommst du her?«

      »Du hattest deine drei Fragen schon, jetzt bin ich wieder dran.« Sie war sich gerade ziemlich sicher, dass das ihr Untergang war, aber dann konnte sie wenigstens schlagfertig untergehen. Ihre Antwort schien ihn zu überraschen. Er setzte sich auf, seine gelben Augen blitzten.

      »Interessant. Schön. Du bist im Feuer-Gemeinschaftsraum. In der Universität von Naurénya.«

      Sie kniff die Augen zusammen.

      »Die liegt nahe unserer Hauptstadt, Numäia.« Nun musterte er sie wirklich interessiert. »Wir spielen ein neues Spiel«, sagte er. »Nur noch eine Frage. Ich bin dran. Also, wo kommst du her?«

      »Vom Universitätsflur des mathematischen Instituts«, entgegnete sie und zog ihre Antwort ebenso auf, wie er seine. »In Potsdam. Das liegt dicht bei Berlin, der Hauptstadt von Deutschland.«

      »Hab’ ich es mir doch gedacht«, rief er. »Wie bist du hergekommen?«

      »Ich, ich weiß nicht – das waren zwei Fragen.«

      Er machte eine unwirsche Bewegung mit der Hand und sie zuckte zusammen.

      »Geh’ zurück«, forderte er und stand auf. So machte seine riesige Gestalt gleich noch mehr Eindruck auf sie.

      »Warum?«, fragte sie irritiert. Nicht, dass sie es nicht selber wollte. Dennoch war sie neugierig. Er starrte sie mit undurchdringlicher Miene an.

      »Nicht, dass die Raubkatze wiederkommt.« Er klang wieder vollkommen emotionslos, beinahe gelangweilt.

      Sie fand, das war ein ausreichendes Argument. Vorsichtig, ohne ihn aus den Augen zu lassen, bewegte sie sich gen Tür. Dort angekommen, linste sie angespannt nach links und rechts, doch von einer großen Raubkatze war weit und breit nichts zu sehen.

      Sie trat hindurch, zögerte erneut und wandte sich noch einmal um. Er hatte ebenfalls einen Schritt gemacht – als ob er ihr folgen wollte.

      »Dieses Naurénya, wo genau liegt es?«, hakte sie nach und versuchte den Verfolgungswahn abzuschütteln – warum sollte er ihr folgen?

      »Ich vermute, genau da, wo dieses Deutschland liegt.«

      Sie starrte ihn an. Dann warf sie schnell einen Sicherungsblick über die Schulter, bevor sie die Frage stellte, die am meisten in ihr brannte.

      »Bilde ich mir das alles nur ein?«

      »Was denkst du?«

      »Ich denke, es fühlt sich ziemlich real an.«

      »Es ist real.«

      »Und wer bist du?« Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie diese Frage noch gar nicht gestellt hatte.

      »Pan.« Er war offensichtlich jemand, der nicht gerne kommunizierte und sehr wortkarg war. Sie wusste, dass sie nun gehen sollte, zögerte aber immer noch.

      »Du denkst, du bist verrückt.« Er grinste wieder und sie wich zurück, als er näher trat. Sie kam sich neben ihm deutlich kleiner als ihre 1,65 Meter vor. »Vor sehr langer Zeit waren deine und meine Welt dieselbe, sie wurden getrennt. Und du dürftest nicht hier sein.« Wieder das Blitzen in seinen Augen, das sie nicht zu deuten wusste.

      »Warum?« Sie war sich selbst nicht sicher, auf welchen Aspekt seiner Aussage sich diese Frage bezog. Er ging auch überhaupt nicht darauf ein.

      »Umso interessanter ist es, dass du hier bist.«

      Sie verstand nur Bahnhof. Aber sie sah das Flackern. Direkt vor sich. Es war plötzlich erschienen und trennte ihn und sie. Er machte einen Schritt darauf zu. ›Oh nein!‹, dachte sie. Was, wenn es eine Art Ein-Personen-Portal war und er es zuerst betreten würde – vor ihr? Würde er dann in ihre Welt gelangen und sie würde hier festsitzen? Sie durfte nicht zögern.

      »Du hast ungewöhnliche Augen«, sagte er plötzlich und fixierte sie durch das flackernde Feld hindurch. Konnte er es auch sehen? »So etwas sieht man selbst hier selten.« Was wollte er? Mit einem Mal wollte sie nicht mehr darüber nachdenken. Entschlossen

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