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sein konnte. Pan griff nach ihr und half ihr hinaus. Sie erschauderte und sah ihn skeptisch an. Warum half er ihr und legte so großen Wert darauf ihr etwas zu zeigen? Er sah nicht so aus, als ob das sonst seine Art wäre. Ihre Gedanken wanderten aber sofort in eine andere Richtung, als sie sich umsah.

      Es war gigantisch. Das Gebäude aus dem sie geklettert waren glich dem ihrer Uni ungewöhnlich stark. Zwei reich verzierte Gebäude wurden durch einen halbmondförmigen Bau verbunden. Während es in Potsdam jedoch lediglich Säulen und architektonische Schmuckstücke waren, die die Häuser verbanden, war es hier ein richtiges Haus. Allerdings wurde dieses mittlere Haus von Säulen getragen und begann erst in etwa zwei Metern Höhe. Leyla trat näher. Als sie zwischen den Säulen stand, erkannte sie, dass sich dahinter noch zwei gigantische Gebäude erstreckten. Natürlich war alles schwarz. Sie drehte sich zurück und versuchte ihre Aufmerksamkeit von den faszinierenden Skulpturen, die sagenhafte Geschöpfe darstellten, und den Steinverzierungen abzuwenden, um den Rest des Campus – ja es schien ein richtiger Campus zu sein – in Augenschein zu nehmen. Vor ihr lag ein weiteres Gebäude, ebenso wie zu ihrer Linken, rechts hingegen war ein riesiger Platz, den sie nicht ganz zu deuten wusste.

      »Schulungsräume jeder Richtung, und Forschungseinrichtung«, sagte Pan da und deutete auf die soeben betrachteten vier Häuser und den Säulenbau, »kleine Arena«, er deutete auf den Platz, »Lehrer- und Schülerbehausungen«, das war das Gebäude geradezu, »und die Bibliothek.« Prompt steuerte er auf das linke Gebäude zu, ohne sich noch einmal zu Leyla umzudrehen. Er schien felsenfest davon überzeugt, dass sie ihm folgen würde, womit er vollkommen Recht hatte. Keinesfalls wollte sie auf diesem riesigen Friedhof – denn genau daran erinnerte sie diese trostlose, verlassene Gegend – allein bleiben.

      Ein Fenster war zerbrochen. Sie hielt inne. Pan jedoch schien der Durchgang willkommen, er sprang sofort hindurch und zog sie nach.

      »Ist hier noch jemand?«, fragte sie und folgte ihm vorsichtig.

      »Sie waren in Scharen hier. Fast der gesamte Wissensbestand Naurényas liegt in dieser Bibliothek. Sie wollten wissen, was passiert ist. Wie es passieren konnte. Und was man dagegen tut. Aber die Bücher sind nicht zu bewegen.« Er machte eine dramatische Pause. »Sie haben versucht die Tür zu Pagnon einzutreten, zu verzaubern, aber nichts. Das Wissen bleibt hier – versiegelt. Nur die Fenster sind etwas brüchig.«

      »Pagnon?«

      »Ja.«

      »Wer ist das?«

      »Kein wer, ein was«, er gähnte. »Schau dich ruhig um. Ich mache ein Nickerchen.«

      »Was?!« Leyla traute ihren Ohren nicht ganz, doch Pan schien es vollkommen ernst zu meinen. Er ließ sich wieder in einen Sessel sinken und fixierte sie mit seinem Blick ohne Anstalten zu machen, sich zu bewegen. Zögernd machte Leyla zwei Schritte rückwärts und blickte gen Decke.

      Sie stand in einem riesigen Eingangsbereich, die Decke war bestimmt zwanzig Meter über ihr. Von unten an zogen sich Gemälde über die Wände, alle ohne Bild, alle schwarz, aber edel gerahmt. Weiterhin standen lauter Tischchen und Lesesessel herum, Pflanzen und Türen säumten die Stellen der Wände, die nicht von Bildern bedeckt waren. Das Herzstück des Raumes war jedoch eine gigantische Wendeltreppe, die zu mehreren Galerien führte, hinter deren offenen Rundbögen sich die Bücherregale verbergen mussten.

      Sie sah zurück zu Pan, der die Augen geschlossen hatte, doch sie war sich ziemlich sicher, dass er nicht schlief. Im Gegenteil. Vorsichtig machte sie ein paar Schritte auf die Treppe zu, als ihr etwas auf einem der Tischchen auffiel. Eine Figur.

      »Was ist das?«

      »Eine Schimmerelfe.« Und damit hatte sich ihre Vermutung bestätigt, dass Pan nicht schlief. Die Figur war nur an einem einzigen Punkt des Fußes mit dem Tisch verbunden. In der Tat war sie so gefertigt, dass es aussah, als würde sie jeden Moment abheben. Es knackte kurz, als Leyla danach griff und die dünne Steinverbindung trennte.

      »Oh«, machte sie verstört.

      »Tisch und Figur gehörten ohnehin nicht zusammen.«

      Leyla hielt die Figur dichter vors Gesicht.

      »Sie sieht so echt aus. Als ob …« Ein furchtbares, kreischendes Geräusch zerriss die Stille in der Halle, dröhnte in ihren Ohren und überzog ihren Körper mit Gänsehaut. Sie zuckte zusammen, ließ die Figur fallen und blickte mit schreckensgeweiteten Augen auf.

      »Entschuldigung«, sagte Pan und gähnte erneut, »dumme Angewohnheit.« Er hob die Hand und hörte auf, mit den Nägeln über den Stein zu kratzen. Leyla starrte ihn immer noch an. Ihr Herz schlug wie wild.

      »Sie ist echt«, sagte Pan und schloss wieder die Augen. »Nun ja, sie war es.«

      Leyla blickte auf die Steinsplitter zu ihren Füßen.

      »Du meinst, es war ein echtes Lebewesen?!«

      »Zur falschen Zeit, am falschen Ort.«

      »Wird sie wieder lebendig werden?«

      »Diese?« Er öffnete ein Auge und musterte die zerbrochenen Teile. »Wohl eher nicht.«

      Schaudernd sah Leyla auf das, was sie angerichtet hatte. Sie bückte sich und hob ein Stück Stein, es war wohl einst ein Arm gewesen, auf. Unauffällig ließ sie es in ihre Tasche gleiten.

      »Wolltest du dich nicht umsehen? Du kannst das Licht mitnehmen.«

      Sie wusste nicht, was genau er meinte, verstand aber, dass sie gehen sollte. Langsam schritt sie die Treppe hinauf. Die Feuerkugel folgte ihr. Das hatte er damit gemeint. Fast oben angekommen, blickte sie noch einmal hinab. Der Sessel, auf dem Pan gesessen hatte, war leer.

      Sie schluckte.

      Bücher über Bücher füllten die Regale. Sie hatte die erste Galerie erreicht und war durch einen der zahlreichen Rundbögen getreten. Gezwungenermaßen. Eigentlich hätte sie lieber nach Pan Ausschau gehalten. Immer wieder blickte sie sich um. Die Regale bildeten ein einziges Labyrinth, überall zweigten Gänge ab und je tiefer sie in den Saal hineinging, desto mehr wurden ihr die Ausmaße des Ganzen bewusst. Sie war sich nicht sicher, ob sie oder die Lichtkugel, die immer ein Stück vor ihr zu schweben schien – was sie sehr verräterisch fand – die Richtung vorgab. Es musste einen Grund dafür geben, dass Pan sie hier haben wollte und sie war sich sicher, dass dieser ihr nicht gefallen würde. Immer wieder hielt sie an und lauschte, blickte auf den Boden, um Schatten zu erkennen. Doch alles war ein einziger Schatten. War da nicht ein Klicken? Sie wandte sich um und lief rückwärts weiter, während ihre Augen über die Regale glitten. Ihre Ferse blieb an etwas hängen, sie stolperte und drehte sich um die eigene Achse, um zu sehen, was da auf dem Boden lag. Identifizieren konnte sie es allerdings nicht, es sah aus wie eine Kugel. Aber was hatte eine Kugel hier auf dem Boden zu suchen? Es … Sie blickte auf und keuchte.

      »Interessant, oder?«, sagte eine Stimme dicht an ihrem Ohr und zum wiederholten Male hatte sie das Gefühl, dass die Ereignisse die Kraft ihrer Psyche überstiegen.

      »Du bist ganz schön schreckhaft!«, Pan lachte. Sie sagte nichts, sondern starrte nur auf die Szenerie vor sich. Sie hatte offensichtlich das Ende des Raumes erreicht. An der Wand unter dem Fenster stand ein Schreibtisch. Aber das war nicht das Erschreckende. Davor stand ein Mann. Oder vielmehr die Statue eines Mannes, dem das pure Entsetzen ins Gesicht gemeißelt war. Die Augen weitaufgerissen, der Mund geöffnet zum stummen Schrei. Es sah so skurril aus.

      »Das ist Sir Moi«, erklärte Pan und trat auf die Statue zu. »Geschichtsprofessor. Hatte in der Neujahrsnacht wohl auch wieder nur seine Studien im Kopf.« Er klopfte dem versteinerten Mann auf die Schulter und strich dann über das Wams. Leyla fiel die Kette mit dem dicken Schlüssel auf, die um Sir Mois Hals hing. Langsam kehrte Farbe zurück in ihr Gesicht.

      »War es das, was ich unbedingt entdecken sollte?«

      »Vielleicht.«

      »Hättest du mich nicht vorwarnen oder es mir einfach erzählen können?« Sie wandte den Blick ab.

      »Nichts

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