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Eddi. „Mich hat bisher noch niemand weiterempfohlen. Muss wohl an meiner Nase liegen, hehehe.“

      „Kopf hoch, alter Knabe. Nimm’s nicht so schwer. Hier! Möchtest du probieren?“, fragte Alfredo und hielt ihm ein Bonbon hin. „Eigene Kreation.“

      „Ich bitte dich.“

      „Nun nimm schon.“

      Nach einigem Zögern wickelte Eddi das Bonbon aus, kaute ein wenig darauf herum und sah Alfredo erstaunt an.

      „Eine Wucht, was?“, strahlte der ihn an.

      Eddi mimte Sachkunde, indem er langsam lutschend die Augen schloss und mit wiegendem Kopf urteilte: „Ja, das könnte was werden.“

      „Ist es längst“, orakelte sein alter Freund mit geheimnisvollem Grinsen. „Und ich gedenke, damit demnächst den Markt zu erobern. Erste Gespräche mit Nestlé laufen bereits.“

      „Mit Nest…“ Eddi verschluckte sich.

      „Was ist? Ist dir nicht gut? Du siehst so blass aus?“

      „Nein. Es könnte mir nicht besser gehen (‚verdammter Idiot‘ verkniff er sich). Bestimmt liegt’s am Bonbon“, scherzte Eddi und hielt kurz inne. Dann setzte er gedankenverloren hinzu: „Und wenn man bedenkt, dass alles seinen Anfang mit diesem Besteck nahm.“

      „Besteck?“ Alfredo guckte ihn fragend an: „Welches Besteck?“

      „Na, die Messer von deinem Freund, dem Franzosen. Wie hieß er gleich? Ach ja, Gaston!“

      „Ach, das! Ja, das hat mir Glück gebracht“, wich er verschämt aus.

      „Das freut mich. Da hat sich mein Einsatz wenigstens gelohnt.“

      „Und wie ist es dir so ergangen?“, erkundigte sich Alfredo, dem das Thema sichtlich unangenehm war. „Wie ich sehe, nicht besonders“, nahm er die Antwort gleich vorweg.

      „Ach was! Das täuscht“, winkte Eddi ab. „Es lag nur an den falschen Arrangements. Außerdem fehlte mir die Lobby, wie du so schön sagst.“

      „Was hast du für Pläne?“, fragte Alfredo, der längst ahnte, dass sein alter Freund im Schlamassel saß.

      „Welche Pläne?“

      „Du hattest doch immer welche. Sollte sich das geändert haben?“

      „Ach so. Ja, natürlich, hahaha … Nicht der Rede wert. Ich bin hergekommen, um dich zu sehen.“

      „Wirklich?“, bezweifelte Alfredo und musterte ihn eingehend. „Sag, wenn ich dir helfen kann. Für einen alten Freund tue ich es gern.“

      „Nein danke“, lehnte Eddi ab. „Sonst denkst du am Ende noch, ich sei nur deswegen gekommen.“

      „Unsinn. Dafür kenne ich dich zu gut“, schmeichelte er und beschämte ihn gleichermaßen. „Komm, ich fahre dich nach Hause. In diesem Zustand kannst du unmöglich zu Fuß gehen. Mein Wagen steht um die Ecke.“

      Zunächst zierte Eddi sich. Doch wenig später ließ er sich darauf ein. Zu seiner Verwunderung handelte es sich bei diesem Auto um einen exklusiven pinkfarbenen Maserati von enormem Wert. Während ihn Alfredo nach Hause fuhr, musste Eddi zu seiner Schande gestehen, noch nie in einer solchen Karosse gesessen zu haben. Das ließ auf einiges schließen.

      Natürlich lehnte er Alfredos Hilfsangebot von hundert Franken ab. „Was soll das?“, raunzte er ihn an und tat, wer weiß wie, beleidigt. Kurze Zeit später waren sie in der Via Val Roseg angelangt. Nachdem Eddi ausgestiegen war, zündete er sich umständlich eine Zigarette an und wartete, bis Knolle verschwunden war. Er wollte nicht, dass er ihm ins Haus folgte.

      Am nächsten Morgen sah er die Sache nüchterner und ärgerte sich, das Geld nicht genommen zu haben. „Mama Mia! Hundert Franken! Wie kannst du nur so bescheuert sein“, schalt er sich und hätte am liebsten in den Spiegel geschlagen. Freilich hätte er nie gedacht, dass es dieser pummelige Trottel so weit bringen würde. Doch für Neid war kein Platz. Von nun an galt es, Kasse zu machen. Und prompt hatte er eine Idee. Er nahm Alfredos Visitenkarte zur Hand und eruierte dessen Adresse. Wie nicht anders zu erwarten, befand sich der Wohnsitz in einer Schickimicki-Zeile, was seine Entschlossenheit ins Unermessliche steigerte.

      Kurzerhand machte er sich zu Fuß auf den Weg. Als er sein Ziel erreicht hatte, schlich er erst einmal um das Wohnhaus. Dabei handelte es sich um ein mehrgeschossiges Gebäude, das ausschließlich Nobelsuiten beherbergte. Ein vergoldetes Klingeltableau wies allerhand hochtrabende Namen und Titel auf, von denen höchstens die Hälfte stimmte. Aber das gehörte zum guten Ton. Nur Idioten nannten ihren tatsächlichen Namen. Und Knolle gehörte dazu.

      Neben dem Haus befand sich die Zufahrt zur Tiefgarage, deren Ausfahrt mit einer Lichtschranke gesichert war. Flink huschte Eddi darunter hindurch und suchte fiebernd nach dem Maserati. Aufgrund seiner auffälligen Farbe hatte er ihn auch schnell gefunden.

      Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand in der Nähe war, klappte er sein Taschenmesser auf und stach kaltblütig alle vier Reifen platt. Zügig verließ er die Garage wieder, begab sich in eine Nebenstraße und rief per Handy seinen Freund an.

      Nach kurzem Klingeln nahm Alfredo ab. Eddi entschuldigte sich für die frühe Störung und gab sich untröstlich, jedoch sähe er in seiner Not keine andere Möglichkeit. Er habe soeben den Bus zum Bahnhof verpasst und müsse dringend nach Chur. „Jetzt weiß ich nicht, wie ich dahin kommen soll. Könntest du mir nicht aus der Klemme helfen?“, setzte er bittend hinzu.

      Alfredo war über dieses seltsame Anliegen verwundert. Trotzdem erbot er sich, ihn bis nach Chur zu fahren.

      „Das kann ich unmöglich annehmen, es genügt eine kurze Fahrt zum Bahnhof“, zierte sich Eddi. „Die nächste Bahn geht in zwei Stunden.“

      „Kein Problem. Sag, wo du bist und ich hole dich ab“, sicherte ihm Alfredo zu.

      „Nicht nötig. Ich komme.“ Eddi wartete etwa zehn Minuten. Dann begab er sich zum Wohnhaus zurück. Hier erwartete ihn Alfredo bereits vor der Tür, der sich freute, den Freund so schnell wiederzusehen. Gemeinsam begaben sie sich in die Garage und steuerten den Maserati an. Doch wie groß war Alfredos Schreck, als er alle vier Räder platt vorfand. Mit ein paar deftigen Flüchen teilte Eddi dessen Bestürzung.

      „Ich verstehe das nicht“, stammelte Alfredo, kniete nieder und begutachtete fassungslos den Schaden. „Gestern war alles noch in Ordnung.“

      Auch Eddi betrachtete die Ungeheuerlichkeit genauer. „Oje, ich fürchte, du hast ein paar neue Freunde gefunden. Das geht in diesem Viertel schnell“, folgerte er besorgt und zog ein düsteres Gesicht.

      „Wie meinst du das?“ Fragend sah Alfredo ihn an.

      „Na so, wie ich es sagte. Sieh’ hier“, er verwies auf die eindeutig schräg geführten Einstiche. Dies deutet auf die Al Frezis hin. Ja, eindeutig: die Al Frezis!“

      „Auf wen?“

      „Oh Gott, warst du lange nicht mehr da. Na, die Al Frezi-Brüder“, wiederholte Eddi mit routinierter Selbstverständlichkeit. „Das ist eine marokkanische Gang, die in letzter Zeit in dieser Gegend ihr Unwesen treibt. Es sollte mich nicht wundern, wenn die es auf dich abgesehen haben.“

      „Auf mich?“ Alfredo erblasste.

      „Auf wen denn sonst. Du bist bekannt. Bei dir wittert man Kohle. Sollte mich nicht wundern, wenn bald eine Schutzgeldforderung auf dich zukommt. Früher hatte ich mit den Typen zu tun. Ich sage dir, die fackeln nicht lange. Einer von ihnen, ein gewisser Guiseppe, hat eine verkrüppelte Hand und kann keinen geraden Stich führen, verstehst du? Von daher die schrägen Einstiche. Keine Frage, das war Guiseppe.“

      „Nein … Wie ist das ...“ Alfredo bekam den Mund nicht mehr zu. „Das ist eine Tragödie!“

      „In gewisser Weise ja. Aber ich könnte dir helfen“, tröstete ihn Eddi.

      Dann stieß Alfredo einen langen Seufzer aus und rieb sich den Nacken.

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