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nicht immer so schlecht von mir denken. Sie wissen doch, ich bin Ihr Freund“, intervenierte Alex katzenfreundlich und deutete sogar eine leichte Verneigung an. „Und wenn ich etwas von Ihnen will, dann nur Ihr Bestes.“

      „Ja, natürlich. Deshalb bewundere ich immer wieder Ihre Entschlossenheit! Immerhin sind Sie Ihrem Dienstherrn verpflichtet. Dazu gehört es nun mal, das Kind beim Namen zu nennen. Und dass ich offiziell verrückt bin, ist doch kein Geheimnis, oder?“ Der Professor wandte sich jetzt wieder der Referendarin zu. „Sind Sie schon mal einem Verrückten begegnet, der weiß, dass er verrückt ist?“

      „Nein. Aber ich muss Ihnen ein Kompliment machen. Man spürt es wirklich nicht“, gestand sie errötend.

      „Oho. Damit bringen Sie aber all diejenigen in Verlegenheit, die ständig das Gegenteil behaupten. Und diese Herrschaften sind bisweilen hoch dotiert.“

      „Möglich. Aber ich sage Ihnen nur, was ich denke“, erwiderte sie zu seinem Erstaunen.

      „Tun Sie das immer?“ Er musterte sie neugierig.

      „Unbedingt“, insistierte Kathi.

      „Dann sind Sie sehr mutig. Aber auch sehr dumm, wenn ich das einmal so sagen darf.“

      „Wieso?“ Kurz haderte sie.

      „Die Wahrheit ist nicht immer populär. Im Gegenteil, man schafft sich mit ihr oftmals Feinde.“ Plötzlich fuhr er zusammen und schaute sich ängstlich um.

      „Was ist?“, wollte Kathi sofort wissen.

      „Spüren Sie es nicht?“

      „Nein, was meinen Sie?“

      „Es ist dort oben. Es belauert uns.“

      Kathi sah den Professor irritiert an. Dabei hatte sie gar nicht bemerkt, dass Alex ihr die ganze Zeit ein Zeichen gab, jetzt bloß den Mund zu halten.

      „Jetzt ist es weg“, mischte ihr Kollege sich schlichtend ein.

      „Wirklich?“ Wittenburg sah ihn unsicher an.

      „Ganz sicher“, beteuerte der Hauptkommissar.

      Die Situation hätte nicht skurriler sein können. Aber während Alex kurz vorm Platzen stand, begann ihr gemeinsamer Patient sie mit einem Mal zu loben. „Ich muss Ihnen gratulieren, mein lieber Knoblich, diese junge Dame wirkt wirklich sehr professionell, ganz anders, als die Letzte, mit der sie es versucht haben.“

      „Aber was reden Sie da? Was soll ich versucht haben?“, empörte Alex sich sofort.

      „Na, mir etwas zu entlocken, was ich gar nicht sagen wollte. Sie müssen wissen, Frau von Hardenberg, Ihr Mentor ist auf diesem Gebiet unübertroffen. Kaum hat man etwas geäußert, missversteht er es und sucht die Schuld beim Befragten, ohne auf die Idee zu kommen, es liege womöglich nur an seiner falschen Interpretation. Das ist eine geschickte Taktik. Nur hat sie einen Makel. Sie ist unlauter. Gewöhnen Sie sich so etwas niemals an. Es macht unglaubwürdig.“

      „Unsinn“, wiegelte Alex lachend ab. „Das entspringt doch alles nur Ihrer Fantasie! Im Übrigen denke ich, sollten wir uns jetzt auf das Wesentliche konzentrieren. Wie fühlen Sie sich, Herr Professor? Noch immer diese Kopfschmerzen?“

      „Mir geht es blendend. Sehen Sie das nicht?“ Erneut wandte er sich an Kathi und betrachtete sie aufmerksam. „Eine Freifrau also, interessant. Haben Sie auch blaues Blut?“

      „Möglich“, entgegnete sie mit einem verlegenen Lächeln.

      „Dann sind Sie ja etwas ganz Besonderes. Wer kann schon einen aristokratischen Stammbaum vorweisen.“

      „Da haben Sie recht. Unser Geschlecht lässt sich bis zum Jahr 1436 zurückverfolgen, und man hat mir bereits als Kind die Reihenfolge unserer Ahnen eingebläut. Verlangen Sie aber jetzt bitte keine Aufzählung von mir, sonst sitzen wir heute Abend noch hier.“

      „Wäre das so schlimm? Es ist nie verkehrt, seine Wurzeln zu kennen. Übrigens ist in meiner Ahnenreihe auch eine Baroness zu finden, Baroness Ottilie von Trotha-Saalbach. Leider nur mütterlicherseits. Durch ihre Heirat ging später der Titel verloren. Seitdem muss ich mich mit einem nichtigen „Wittenburg“ begnügen“, scherzte der Professor.

      „Das hat auch Vorteile“, bemerkte Kathi nüchtern. „Sonst hätten Sie womöglich noch anderweitige Verpflichtungen und diese könnten Ihnen schnell zur Last fallen.“

      „Was denn, zum Beispiel?“

      „Gewisse Erwartungshaltungen, die nicht immer angenehm ausfallen“, erwiderte sie, wie aus der Pistole geschossen.

      „Oh, Sie machen mich neugierig. Sie meinen doch nicht etwa den aristokratischen Dünkel oder die moralische Impertinenz? Das verbindet man doch damit, nicht wahr? Aber so hat wohl jeder sein Päckchen zu tragen … Gratuliere, mein lieber Knoblich. Mit Ihrer Referendarin haben Sie endlich mal eine gute Wahl getroffen! Warum haben Sie mir diese Überraschung nicht angekündigt? Ich hätte doch ein paar Blumen besorgt!“

      „Ich bin untröstlich, aber Blumen sind im Dienst passé. Das wissen Sie doch“, stellte der Hauptkommissar unmissverständlich klar, dem die ganze Situation zu entgleiten drohte.

      „Blumen sind niemals passé“, korrigierte der Professor ihn sogleich. „Diese kehren all das nach außen, was wir nicht zu sagen vermögen. Und was wäre der Mensch ohne diesen wortlosen Ausgleich?“

      „Das haben Sie wieder einmal trefflich formuliert, hahaha, wirklich gut!“ Alex musste jetzt tatsächlich lachen. „Nun wissen Sie auch, warum ich so unausgeglichen bin – mir fehlen die Blumen!“ Sein Lachen artete jetzt zu einem wahren Brüllen aus.

      Der Professor maß ihn rätselnd. „Sie sind ein seltsamer Kauz. Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?“

      „Nein.“ Knoblichs Lachen erstarb und er fragte ernst: „Wie meinen Sie das?“

      „Sie lachen an den falschen Stellen.“

      „Woher wollen Sie das wissen?“, fragte Alex scharf zurück, der sich vor seiner Partnerin herabgesetzt sah.

      „Lachen ist immer Folge einer Inkongruenz zwischen einem realen Bild und der dazu gedachten Vorstellung“, wurde er daraufhin belehrt. „Nur dann animiert es zur Heiterkeit. Sie aber lachen grundlos. Das wirkt nicht nur lächerlich, sondern ist auch ein Zeichen geistiger Beschränktheit.“

      Der Hauptkommissar zuckte zusammen. Wer weiß, was geschehen wäre, hätte ihm seine Begleiterin nicht mit einem lockeren: „Aber Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht“, aus der Patsche geholfen.

      „Sie meinen das Lachen aus Solidarität?“, folgerte der Professor verwundert.

      „Nein, aus Mitgefühl. Bekanntlich ist Lachen ansteckend. Somit ist in diesem Fall diese Inkongruenz inkommensurabel“, blödelte Kathi.

      „Inkommensu … was?“ Fragend sah der Hauptkommissar sie an.

      „Damit haben Sie durchaus recht“, erwiderte der Professor, ohne Alex aufzuklären. „Denn das dem Lachen zugrunde liegende Motiv ist nichts anderes als eine verzerrte Abstraktion der Vernunft. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht?“

      „Nein, und das werde ich auch nicht! Denn ehrlich gesagt, habe ich kein Wort verstanden“, gab Kathi freimütig zu.

      „Nun, das konnten Sie auch nicht, denn das war nichts als purer Unsinn.“

      „Warum erzählen Sie es mir dann?“

      „Um Sie zum Lachen zu bringen, was Ihnen übrigens viel besser steht als Ihrem Kollegen. Darum sollte er auch zum Lachen besser in den Keller gehen.“

      „Hören Sie, Professor.“ Empört stemmte der Hauptkommissar die Hände in die Seiten. „Lassen Sie diese Anspielungen! Ich bin keine Witzfigur!“

      „Das sagt doch auch niemand. Im Gegenteil, ich meine das im Ernst. Und das ist schlimm genug.“

      Über

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