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wie nun weiter?‘. Nachdenklich rieb er sich die Stirn. ‚Jetzt nur die Ruhe bewahren, vor allem aber, die näheren Hintergründe aufdecken.‘ Zwar wusste er noch nicht, wie er es tun würde – dafür aber, was er nicht tun würde. Und das war, Solveig zu vertrauen.

      Also griff er zum Hörer und wählte eine ganz bestimmte Nummer. Doch bevor sich der Teilnehmer meldete, legte er gleich wieder auf. Kurzfristig disponierte er um und beschloss, die Sache anders anzugehen.

      Obgleich er normalerweise in solchen Dingen überlegt und sachlich handelte und die näheren Hintergründe erst eruierte, oder besser eruieren ließ, entschloss er sich in diesem Fall anders.

      Er wollte den Frontalangriff, das hieß, er würde Solveig jetzt sofort aufsuchen und zur Rede stellen, notfalls die Wahrheit aus ihr herausprügeln. Ein solcher Verrat war inakzeptabel und bedurfte einer schnellstmöglichen Klärung.

      Bereits kurz darauf verließ er voller Adrenalin das Zimmer. Frau Schneider teilte er mit, aus dringlichen Termingründen heute nicht mehr zurückzukehren. Eventuelle Nachfragen seien auf die Sprechzeit für den morgigen Tag zu verschieben oder ganz abzublocken.

      Seine beiden Personenschützer schickte er mit einem belanglosen Auftrag fort, schon um deren dauerhafte Präsenz für die nächsten Stunden zu beenden.

      Danach begab er sich zu seinem in der Tiefgarage parkenden Dienstwagen – einem dunkelblauen Daimler, natürlich mit ordentlich Power – und nicht zu der Nuckelpinne, welche erst vor Kurzem aus Öko-Gründen vom Rat georderte wurde.

      Nachdem er, wie immer, die Scheiben mit den elektrischen Rollos verdunkelt und den Sportmodus eingelegt hatte, schlug er seinen Kragen hoch. Dann setzte er in James-Bond-Manier seine Sonnenbrille auf und fuhr, oder besser, bretterte mit quietschenden Reifen davon.

      Gemäß seinem Faible für Risiken war sein Fahrstiel auch entsprechend. Vor allem fühlte er sich ohne seine wortkargen Bodyguards, die ihm die Landesregierung aufgrund seines Amtes stellen musste, frei und ungezwungen. Jetzt konnte er endlich mal die Sau rauslassen ohne ihre dämlichen Einwände.

      Das war natürlich leichtsinnig, weil der Dienstwagen schneller auffiel. Immerhin hatte Uwe bereits zwei Anschläge überstanden – einen durch eine Umweltaktivistin, die ihn mit Eiern beworfen hatte und den zweiten, als sein auf dem hauseigenen Grundstück abgestelltes Auto unter einer dicken Schicht Feuerlöschschaum verschwunden war.

      Dennoch hatte er heute Bock auf diese luxuriöse Karre und den Grund seines Ausfluges hatte niemanden zu interessieren.

      Kaum auf der Straße, spielte er sofort mit dem Gaspedal, was ihm bei dieser 500 PS starken Kiste besonderen Spaß machte. Es war einfach ein Genuss, diesen Boliden brummen zu hören. „Platz da, du Affe! Hast deinen Lappen wohl im Kindergarten gemacht!“, brüllte er ungehalten, als ihn jemand schnitt.

      Es war aber auch zum Verzweifeln. Ausgerechnet heute drohte er im Verkehr zu ersticken. Warum war die Dauer der Grünphase auf dieser Strecke so kurz? Und wieso wurde der Radweg noch nicht auf einen gesonderten Fahrstreifen verlegt?

      Er meinte, einen entsprechenden Antrag bei der letzten Debatte eingebracht zu haben. ‚Na warte! Diese Opportunisten können sich warm anziehen‘, schimpfte er. Er war entschlossen, das zum Gegenstand der nächsten Rede zu machen.

      „Was gaffst du so, Blödmann!“, schnauzte er einen Radfahrer links neben sich an, der ihn beim Abbiegen behinderte.

      Auch wenn der sogleich abstieg und eine alberne Drohgebärde einnahm, zeigte Uwe ihm nur den Finger.

      Bei der nächsten Gelegenheit donnerte er ungebremst durch eine Pfütze, worauf ein erschrockener Passant zur Seite sprang und danach einem begossenen Pudel glich. Darüber amüsiert, klopfte er brüllend aufs Lenkrad.

      Dann aber, nach etwa zehn Minuten, zeigte der Bordcomputer plötzlich einen Anruf an. Da die Rufnummer unterdrückt war, wollte er erst gar nicht rangehen, tat es dann aber doch. Kaum hatte er das Gespräch angenommen, fragte eine unbekannte Stimme, ob er Uwe Lindholm sei.

      „Wer will das wissen?“, schnauzte er zurück, denn das war doch keine Art.

      „Jemand, der sich um Ihre Sicherheit sorgt.“

      „Wie bitte?“

      „Wenn Sie nicht wollen, dass Ihnen etwas geschieht, fahren Sie jetzt weiter die Straße geradeaus und unterschreiten Sie 40 km/h nicht“, ermahnte ihn die Stimme.

      „Was soll das jetzt? Wollen Sie mich veralbern?“ Uwe wusste nicht, was er davon halten sollte. Wiederholt sah er in den Rückspiegel, konnte jedoch nichts Verdächtiges erkennen.

      „Keineswegs. Aber Sie sollten mir von jetzt an genau zuhören …“

      „Ich denke nicht daran!“ Empört drückte Lindholm den Anrufer weg. Doch irgendwie kam er nicht zur Ruhe. Er spürte, dass etwas nicht stimmte, zumal das Telefon weiterhin schnarrte. ‚Verdammt! Wer war das nur?‘, dachte er und starrte immer wieder auf das Display mit dem Schriftzug ‚Anonymus‘. Seine Privatnummer war nur engen Vertrauten bekannt. Doch keiner von ihnen würde sich einen solchen Scherz erlauben.

      So fuhr er weiter, obwohl das Schnarren nicht nachließ. Da reichte es ihm und er nahm erneut ab. „Hör zu, mein Freund! Wenn du nicht sofort Ruhe gibst, veranlasse ich eine Fangschaltung, und das wird dich teuer zu stehen kommen. Verlass dich drauf!“

      „Dazu dürfte es leider nicht mehr kommen“, erwiderte die Stimme zu seinem Entsetzen.

      „Wieso?“

      „Weil in Ihrem Wagen ein Sprengsatz deponiert wurde und der Countdown bereits läuft.“

      „Blödsinn! Das ist ja totaler Bullshit!“, brüllte Uwe. „Wer sind Sie, verdammt noch mal! Und was wollen Sie?“

      „Ihr Leben retten.“

      „Dass ich nicht lache!“

      „Tun Sie nur das, was ich Ihnen sage!“, wiederholte der Anrufer. „Aber halten Sie bloß nicht an und unterschreiten Sie nicht die 40 km/h Marke. Anderenfalls wird der Sprengsatz aktiviert!“

      „Das ist doch alles Unsinn. Ich werde jetzt anhalten“, brüllte Uwe äußerst gereizt.

      Doch kaum bremste er ab, war ihm, als ertönte irgendwo unter ihm ein seltsames Geräusch, sodass er gleich wieder beschleunigte.

      „In Ordnung, was wollen Sie?“, fragte er jetzt merklich gedämpft zurück.

      „Fahren Sie die Straße weiter geradeaus … halten Sie dabei Ihr Tempo bei.“

      „He, he, und was ist, wenn ich verkehrsbedingt halten muss?“, kreischte Uwe voller Panik, der immer noch nicht so recht wusste, was er davon halten sollte.

      „Dann deaktiviere ich den Sprengsatz für diesen Moment.“

      „Aha! Sie können mich also sehen!“, folgerte Uwe und starrte wie ein Irrer in den Rückspiegel. Dabei sondierte er die hinter ihm fahrenden Fahrzeuge. „Wo sind Sie jetzt, rechts oder links?“, wollte er plötzlich in einem Anfall dümmlicher Naivität wissen.

      „Raten Sie mal“, spöttelte die Stimme. „Und jetzt biegen Sie links ab!“

      Uwe gehorchte.

      „Und jetzt weiter geradeaus, bis zur rechtsseitig befindlichen Baumreihe. Dort befindet sich ein kleiner Parkplatz. Dort halten Sie an, legen beide Hände sichtbar aufs Lenkrad und bewegen sich nicht.“

      Mit Unbehagen stellte Uwe fest, dass er sich inzwischen außerhalb der Stadt befand. Weit und breit war niemand in der Nähe und sollte die Situation unangenehm werden, wäre kaum Hilfe zu erwarten. Doch blieb ihm eine Wahl? Er musste gehorchen, denn zu überprüfen, ob es sich wirklich nur um einen Bluff handelte, wagte er nicht.

      Also tat er, was ihm aufgetragen wurde und steuerte die Baumreihe an. Dann erreichte er den Parkplatz und brachte seinen Wagen zum Stehen. Brav legte er die Hände aufs Lenkrad und saß wie befohlen eine ganze Weile gelähmt da. Ein leichter Schauer ließ ihn erzittern, sein Herz pochte bis zum Hals.

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