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So oder so ist es Mord. Anja Gust
Читать онлайн.Название So oder so ist es Mord
Год выпуска 0
isbn 9783753188300
Автор произведения Anja Gust
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er sicherte ihr seine baldige Heimkehr zu, führte aber die näheren Gründe dazu nicht aus. Schließlich wollte er den gelungenen Auftritt heute Abend mit ihr gemeinsam bei einer Flasche Chardonnay ausklingen lassen, auch wenn sein ‚Schnurzel‘ Chardonnay nicht mochte. Doch was kümmerte es ihn. Es genügte, wenn er ihn mochte.
Rasch zog er seinen Mantel über und legte sich den blaugrauen Seidenschal um. Stante pede verließ er das Gebäude durch eine Seitentür, wuchtete sich in seinen Privatwagen und brauste los.
Da es inzwischen bereits dämmerte, war er zu einer moderaten Fahrweise gezwungen. Als er dann aber in einer Nebenstraße eine englische Fangruppe bemerkte, die aus der U-Bahn-Station quoll und nicht nur optisch eine Provokation darstellte, stieg sein Adrenalin. Er drosselte das Tempo. Einige Passanten empörten sich, als zwei dieser ‚Hools‘ ungeniert an die nächste Hauswand pissten. Andere torkelten quer über die Straße, sodass er links ausweichen musste.
„Saupack!“, schimpfte Uwe und fuhr halb über den Radweg. Aus Wut darüber riss er plötzlich den Wagen herum und hielt direkt auf einen der tätowierten Dreckskerle zu. Das allerdings so scharf, dass dieser sich nur durch einen Seitsprung retten konnte.
Wie johlte der Parteivorsitzende jetzt auf. Der Tapezierte konnte ja springen wie ein Reh. Nur allzu gerne hätte Uwe nachgelegt. Doch er hatte keine Zeit, und so bretterte er davon.
Sein Ziel befand sich in einer schmutzigen Straße nahe dem Schanzenviertel in Kiel-Gaarden. Dort war jemand wie er kaum zu erwarten. Schon deshalb blieb dieser Ort für ein Treffen mit seinem Zuträger wie gemacht.
Bei diesem handelte es sich um einen Karl-Heinz Vortanz – auch Kalle genannt. Ein windiger, mit allen Wassern gewaschener Kleinganove. Skrupellos und korrupt verfügte er über eine Menge Kontakte zur Halb- und Unterwelt und war für jede nur erdenkliche Schweinerei zu haben. Selbst wenn er optisch ein wenig an Catweazle erinnerte und zudem auch nicht den hellsten Eindruck machte, war er dennoch überaus zuverlässig und vor allem verschwiegen.
Lindholm wusste so etwas zu schätzen und nahm dessen Dienste deshalb gern in Anspruch. Doch noch nie hatte es dieser Kerl so dringlich gemacht. Das nährte Uwes Nervosität, zumal es einiges gab, was ihn schon lange beunruhigte.
Unweit des Treffpunktes parkte er den Wagen und postierte sich, wie vereinbart, in der Nähe einer öffentlichen Toilette. Was dachte man nicht alles in solchen Momenten. Jedenfalls nichts Vernünftiges.
In unmittelbarer Nähe fielen ihm einige balgende Spatzen auf. Die Ursache war ein sorglos weggeworfener Karton einer Fast-Food-Kette. „Sauerei!“, fluchte er, natürlich nur leise, und nahm sich vor, demnächst eine Entsorgungsvorschrift durchzusetzen. Mittlerweile lagen seine Nerven blank.
Es waren vielleicht fünf Minuten vergangen, als plötzlich irgendwo ein Feuerzeug klickte. Ein kleiner zottiger Pinscher kam herbeigesprungen und beschnüffelte Lindholms Bein. „Fifi, gehst du … Pfui!“, ertönte aus dem Hintergrund eine weibliche Stimme in herbem Alt.
Blitzschnell hatte eine Frau im Jogginganzug und einer Plastiktüte in der linken Hand dem Hund ein Halsband umgelegt und entschuldigte sich für dessen Zudringlichkeit. Dann musterte sie Lindholm gleichmütig.
„Schon gut“, sagte dieser und wollte gerade weitergehen. Doch zu seinem Entsetzen erkannte ihn die Frau und fragte unverblümt, ob er nicht der Lindholm sei, jener Spinner, der hier die ganze Gegend verrückt mache.
„Tut mir leid, Verehrteste. Da müssen Sie mich wohl mit dem Brusig, dem Vorsitzenden der nationalen KVPD verwechseln. Der ist für seine verrückten Geschichten bekannt“, schnarrte Uwe zurück und ging mit gekränkter Würde davon.
„Nein, nein! Ich meine Sie!“, erdreistete sie sich, ihm noch nachzurufen. Er konnte nur hoffen, dass es niemand hörte. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, wäre ein Eklat in einer schmutzigen Straße vor einer öffentlichen Toilette.
Nachdem er genug Abstand gewonnen hatte, versteckte er sich hinter einer Litfaßsäule. Dabei tappte er zu allem Übel in einen Haufen.
Zum Glück hatte sich diese Unperson samt ihrem Köter inzwischen verzogen, sodass Uwe wieder zurückgehen konnte. Dort platzierte er sich genau an derselben Stelle. Verschämt streifte er seinen Schuhabsatz an der Bordsteinkante ab, ohne ihn jedoch wirklich sauber zu bekommen. „Einfach ekelhaft“, meckerte er leise. „Man sollte die Bußgelder für solche Tretminen erhöhen.“
Nach einigen qualvollen Minuten, in denen er sich fortwährend umschaute, erschien endlich sein Informant. Zu Lindholms Verwunderung blieb dieser allerdings auf der gegenüberliegenden Seite stehen und winkte ihn zu sich heran.
Uwes Stirn legte sich in Falten. Schon wollte er ihm einen Vogel zeigen, gab dann allerdings nach. Aber noch bevor er ihn erreicht hatte, wich dieser in den dunklen Hausflur eines angrenzenden Mietshauses zurück. Kaum war Lindholm ihm dorthin gefolgt, drückte Kalle die Tür hinter ihm zu und starrte nervös durch die trübe Türscheibe.
„Was ist denn?“ Die Stimme des Politikers schnitt in die Stille.
„Pst!“, zischte sein Informant und legte den Finger auf die Lippen. Und siehe, plötzlich tauchte aus dem Dunkel ein untersetzter Kahlkopf mit einer schäbigen grauen Jacke auf. An der gegenüberliegenden Bushaltestelle trat er an den Fahrplan und tat, als studierte er diesen.
Es war nur merkwürdig, dass er dabei wiederholt nach rechts und links blickte, als suchte er etwas Bestimmtes. Schließlich ging er weiter.
„Wie jetzt …?“ Lindholm starrte sein Gegenüber angstvoll an. „Etwa einer von der KVPD?“
„Möglich“, flüsterte Kalle. „Werde es herausfinden. Aber nachdem mir dieser Bursche heute zweimal über den Weg gelaufen ist, glaube ich nicht mehr an einen Zufall. Ich fürchte, es ist irgendetwas im Gange.“
Lindholm erschrak. „Wie meinst du das?“
Catweazle kam näher und beugte sich geheimnisvoll vor. „Es wird Sie sicher interessieren, dass Ihr Freund, dieser verrückte Professor, wieder mal Sperenzchen macht.“ Dabei tippte er sich an die Stirn.
„Sperenzchen?“ Verwundert sah Uwe ihn an. „Wie soll ich das verstehen?“
„Ganz einfach. Er quatscht dummes Zeug.“
„Ja und?“, schimpfte Uwe, dämpfte aber sofort wieder seine Stimme und sah sich um. „Das macht er doch immer.“
„Dieses Mal aber anders“, erwiderte seine Kontaktperson augenzwinkernd. „Wie ich erfahren habe, passierte das alles nach einem Besuch von diesem Hauptkommissar. Knoblich, Sie wissen schon. Diesmal hatte er so eine Tussi dabei und die muss unserem Patienten wohl schwer zugesetzt haben. Dieser soll wohl auch einiges angedeutet haben, was unangenehm werden könnte. Danach bekam er augenscheinlich so etwas wie einen Kollaps. So jedenfalls wurde es mir berichtet.“
„Unsinn!“, wehrte Lindholm ab und wirkte mit einem Mal auffallend dünnhäutig. „Das ist doch unmöglich. Was soll der schon andeuten? Den nimmt doch ohnehin keiner ernst.“
„Ich wäre mir da nicht so sicher … Jedenfalls hat er sich lange Zeit nicht so aufgeführt. Außerdem darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mich aufgefordert haben, jede Neuigkeit sofort zu melden. Wenn Sie das jedoch nicht mehr möchten, müssen Sie es mir nur sagen.“
„Nun sei doch nicht gleich eingeschnappt! Man wird doch wohl noch fragen dürfen! Also gut. Wer ist diese „Tusse“? Und was macht die bei der Polente?“ Lindholms linker Mundwinkel zuckte nervös.
„Weiß ich nicht. Anscheinend neu. So ‘n junges Ding halt. Hat offenbar noch gar keine Ahnung und will sich gleich so großtun. Ich würde die Situation jedenfalls nicht unterschätzen.“
„Meinst du wirklich, Brusig steckt dahinter?“, fragte Uwe nochmals.
„Möglich. Der ist doch für alles gut.“
„Stimmt.