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      Unter erheblichen Mühen war es ihm gelungen, die Richtung auf dieses Ziel beizubehalten. Schließlich war die Terrasse zum Greifen nahe. Er war von ihr nur noch durch einen tiefen Graben getrennt, den eine steinerne Brücke überspannte. Drüben angekommen stand er aber vor einer Wand, die keinen Durchlass hatte. „Seltsam“, sagte er sich, „ich habe mich dem Ziel auf dem denkbar geradesten Weg genähert, bin aber dennoch nicht angekommen. Der direkte Weg scheint nicht unbedingt der richtige zu sein.“ Es schien ihm geradezu, dass das Ziel um so schwerer zu erreichen war, je mehr er sich darauf konzentrierte. Piranesi vermutete, dies sei auch der Grund dafür, dass er entgegen der Behauptung des Griechen immer wieder mit Salametti zusammenstieß, was letzterer unter Berufung auf die Verwandtschaft von Huhn und Ei jeweils dazu nutzte, von Piranesi Hilfe bei der Einhaltung eines geraden Weges zu verlangen, mit der er völlig überfordert war.

       VI

      In diesem Augenblick bemerkten die beiden einen Mann, der sie seit längerem beobachtet hatte. Er trug die wallende Kleidung altorientalischer Juden und hielt eine Mappe in seiner Hand, in der lose Blätter lagen. Sein Kopf war nach Art der Wüstenbewohner in ein Tuch gewickelt, welches sein Gesicht so weitgehend verbarg, dass man sich von ihm kein klares Bild machen konnte.

      „Seid nicht verzweifelt“, sprach sie der Jude an, „ihr fühlt euch in diesem Raum gefangen. Ich verspreche euch aber, dass ihr erlöst werden werdet.“

      „Du hast gut reden“, sagte Piranesi, „sag uns lieber, wie wir hier schnellstmöglich wieder herauskommen.“

      „Eure Knechtschaft in diesem Raum wird ein Ende haben. Denn vor euch liegt eine ebene Bahn.“

      „Ich sehe nur ein unüberwindliches Gebirge von Mauern, das nur von undurchschaubaren Abgründen unterbrochen wird“, widersprach Piranesi.

      Der Jude schlug nun einen hohen Ton an und verkündete mit ekstatischem Singsang: „Alle Täler werden erhöht werden und alle Berge und Hügel erniedrigt werden und was uneben ist, wird gerade und was hügelig ist, wird eben werden.“

      „Dein Wort in Gottes Ohr oder besser umgekehrt“, sagte Piranesi. „Wohin sollen wir also gehen?“

      „Geht in Richtung auf dieses Zeichen und seid zuversichtlich“, sagte der Mann und deutete auf die Kreuzung zweier Galerien, die durch einen Bogen weit in der Ferne sichtbar war.

      „Versuchen wir es also mit dieser Richtung“, sagte Piranesi und marschierte los. „Hoffentlich hat er Recht“, sagte er zu Salametti, als der Mann außer Hörweite war. „Es war reichlich viel Zukunft in seinen Worten. Ich hatte den Eindruck, als wolle er eine unerfreuliche Vergangenheit und eine ebensolche Gegenwart zugunsten einer besseren Zukunft wegreden.“

      „Ich glaube, dass er sich hier auskannte“, sagte Salametti und schritt mit neuer Kraft eine Treppe hinauf.

      „Mich würde nicht wundern, wenn wir ihn oder seinesgleichen an diesem Kreuz wiederträfen, dass man dort feststellt, wir seien auf dem richtigen Wege, weil wir am prophezeiten Ort angekommen sind, und dass die Bestätigung dieser Prophetie dann als Ausweis für die Berechtigung gilt, uns auch den weiteren Weg weisen zu können.“

      Dazu sollte es allerdings nicht kommen. Denn entgegen den Versprechungen des Juden wurde der Weg nicht einfacher und die Höhen und Tiefen blieben, was sie schon immer waren. Überall standen und lagen weiterhin Wände, Säulen und Balken im Weg. Und so dauerte es nicht lange, dass die beiden Männer das Ziel, das ihnen der Jude bezeichnet hatte, aus den Augen verloren. Aus dem gleichen Grund konnten sie auch nicht zurückblicken, um festzustellen, wo sie hergekommen waren.

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