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versuchen.«

      Der Leser hat wohl schon gemerkt, daß Tschitschikow mit ihr, trotz aller Liebenswürdigkeit, doch viel freier und ungenierter sprach als mit Manilow. Es ist nämlich zu bemerken, daß wir Russen, obwohl wir hinter den Ausländern in manchen anderen Dingen zurückgeblieben sind, sie in der Kunst des Umganges mit Menschen bei weitem überflügelt haben. Alle die Nuancen und Abstufungen, die wir darin zeigen, lassen sich gar nicht aufzählen. Ein Franzose oder Deutscher wird alle diese Eigentümlichkeiten und Unterschiede niemals verstehen; er spricht fast mit der gleichen Stimme und in der gleichen Sprache wie mit einem Millionär, so auch mit einem kleinen Tabakhändler, obwohl er sich in seinem Innern natürlich vor dem ersteren erniedrigt. Bei uns ist es ganz anders: wir haben solche Künstler, die mit einem Gutsbesitzer, der zweihundert Seelen besitzt, ganz anders reden werden als mit einem, der dreihundert Seelen hat, und mit dem letzteren wieder anders als mit einem, der ihrer fünfhundert hat; mit einem Worte, man kann bis zur Million Seelen hinaufgehen, immer werden sich noch Unterschiede finden. Nehmen wir an, daß es eine Kanzlei gibt – nicht hier, sondern in einem sehr fernen Reiche, und daß an der Spitze dieser Kanzlei ein Kanzleivorstand steht. Wollen Sie ihn sich nur ansehen, wenn er inmitten seiner Untergebenen sitzt – da kann man vor Schreck nicht mal ein Wort aussprechen. Stolz, Adel – was drückt da sein Gesicht nicht alles aus? Man ergreife den Pinsel und male: ein Prometheus, ein leibhaftiger Prometheus! Er blickt wie ein Adler und schreitet gemessen und majestätisch. Sobald aber dieser Adler sein Zimmer verlassen hat und sich mit Papieren unter dem Arm dem Kabinett seines Vorgesetzten nähert, wird er zu einem so kläglichen Rebhuhn, daß man ihn kaum noch ansehen mag. In einer Gesellschaft oder bei einer Abendunterhaltung, wenn die Anwesenden nicht von hohem Rang sind, bleibt der Prometheus Prometheus; wenn aber jemand anwesend ist, der nur um eine Rangstufe höher steht als er, so macht unser Prometheus eine Verwandlung durch, auf die selbst ein Ovid nicht gekommen wäre: er ist eine Fliege, kleiner als eine Fliege, er ist zu einem Sandkorn zusammengeschrumpft. »Das ist ja gar nicht Iwan Petrowitsch«, sagt man sich, wenn man ihn anblickt. »Iwan Petrowitsch ist ja größer gewachsen, dieser ist aber so klein und schmächtig; jener spricht laut, mit einer Bassstimme, und lacht nie, dieser aber – weiß der Teufel – er zirpt wie ein Vogel und lacht immer.« Man kommt näher heran und sieht, daß es tatsächlich Iwan Petrowitsch ist! »Hi hi hi!« denkt man sich . . . Wir wollen uns aber den handelnden Personen zuwenden. Tschitschikow hatte sich, wie wir schon sahen, entschlossen, keine Umstände zu machen; darum ergriff er die Teetasse mit beiden Händen, goss etwas Obstbranntwein hinein und begann folgende Unterhaltung:

      »Sie haben ja ein ganz nettes Dörfchen, Mütterchen. Wieviel Seelen sind es im ganzen?«

      »Es sind nicht ganz achtzig Seelen, Väterchen«, sagte die Hausfrau. »Aber die Zeiten sind schlecht: im vorigen Jahr war so eine Missernte, daß Gott erbarm!«

      »Die Bauern sehen aber recht kräftig aus, und auch ihre Häuser sind gut im Stande. Gestatten Sie übrigens: wie ist Ihr Familiennamen? Ich bin so zerstreut . . . bin zur nachtschlafenen Zeit angekommen . . .«

      »Korobotschka, Kollegiensekretärswitwe.«

      »Ich danke ergebenst. Und der Vor- und Vatersname?«

      »Nastassja Petrowna.«

      »Nastassja Petrowna? Das ist ein schöner Name, Nastassja Petrowna. Auch eine leibliche Tante von mir, eine Schwester meiner Mutter, heißt Nastassja Petrowna.«

      »Und wie ist Ihr Name?« fragte die Gutsbesitzerin. »Sie sind doch Gerichtsassessor, nicht wahr?«

      »Nein, Mütterchen!« antwortete Tschitschikow mit einem Lächeln. »Ich bin gar nicht Assessor, reise nur so in eigenen Geschäften.«

      »Ach so, dann sind Sie Käufer! Wie schade, daß ich meinen Honig den Kaufleuten so billig verkauft habe; du hättest ihn mir sicher abgekauft, Väterchen.«

      »Nein, den Honig hätte ich nicht gekauft.«

      »Etwas anderes? Vielleicht Hanf? Hanf habe ich aber sehr wenig, im ganzen ein halbes Pud.«

      »Nein, Mütterchen, ich suche eine andere Ware: sagen Sie, sind Ihnen viele Bauern gestorben?«

      »Ach, Väterchen, ganze achtzehn Mann!« sagte die Alte seufzend. »Und lauter Prachtkerle, tüchtige Arbeiter. Es sind zwar dann neue zur Welt gekommen, aber die sind nichts wert: lauter kleine Menschen. Doch wenn der Assessor gefahren kommt, muß ich für jede Seele die Steuer entrichten. Die Leute sind tot, aber zahlen muß ich für sie wie für lebendige. Da ist mir in der vorigen Woche ein Schmied verbrannt – ein tüchtiger Schmied war er, verstand sich auch auf Schlosserei.«

      »Haben Sie denn eine Feuersbrunst gehabt, Mütterchen?«

      »Nein, vor einem solchen Unglück hat mich Gott bewahrt: er ist von selbst verbrannt, Väterchen. Er hat innen Feuer gefangen, weil er zu viel getrunken hat; man sah nur ein blaues Flämmchen aufleuchten, er ist verglommen, ganz zu Kohle verbrannt. Und was war er für ein geschickter Schmied! Jetzt kann ich gar nicht ausfahren: ich habe niemand, der mir die Pferde beschlagen könnte.«

      »Alles ist in Gottes Hand, Mütterchen!« sagte Tschitschikow seufzend. »Gegen Gottes Allweisheit darf man nicht murren . . . Treten Sie sie mir doch ab, Nastassja Petrowna!«

      »Wen denn, Väterchen?«

      »Nun, alle, die gestorben sind.«

      »Wie soll ich sie abtreten?«

      »Sehr einfach. Oder verkaufen Sie sie mir. Ich will sie Ihnen bezahlen.«

      »Wieso? Das verstehe ich nicht. Oder willst du sie aus der Erde ausgraben?«

      Tschitschikow sah, daß die Alte sich etwas verrannt hatte und daß er ihr die Sache richtig erklären mußte. Er machte ihr in einigen Worten klar, daß der Besitzwechsel und der Verkauf nur auf dem Papiere stehen und die toten Seelen als lebende angeführt werden würden.

      »Was brauchst du sie aber?« fragte die Alte, ihn erstaunt anglotzend.

      »Das ist schon meine Sache.«

      »Sie sind doch tot!«

      »Und wer sagt, daß sie leben? Das ist ja auch Ihr Schaden, daß sie tot sind: Sie zahlen für sie die Abgaben, ganz als ob sie lebten. Ich will Sie aber von dieser Sorge und von den Zahlungen befreien. Verstehen Sie das? Ich befreie Sie nicht nur davon, sondern zahle auch noch fünfzehn Rubel. Ist es Ihnen jetzt klar?«

      »Ich weiß wirklich nicht«, versetzte die Hausfrau langsam. »Tote habe ich doch noch nie verkauft.«

      »Das will ich meinen! Es wäre viel eher ein Wunder, wenn Sie sie schon einmal verkauft hätten. Oder glauben Sie, daß sie noch zu irgend was taugen?«

      »Nein, das glaube ich nicht! Wozu sollen sie taugen? Man hat ja gar nichts von ihnen. Das ist eben die ganze Schwierigkeit, daß sie schon tot sind.«

      – Das Frauenzimmer scheint aber einen dicken Schädel zu haben! – dachte sich Tschitschikow. »Hören Sie mal, Mütterchen. Überlegen Sie es sich nur: Sie haben doch nur Auslagen und müssen für jeden Toten die Steuern zahlen, wie wenn er noch lebte.«

      »Ach, Väterchen, sprich nicht davon!« fiel ihm die Gutsbesitzerin ins Wort. »Erst vor zwei Wochen habe ich mehr als hundertfünfzig Rubel bezahlen und außerdem noch den Assessor schmieren müssen.«

      »Nun sehen Sie es selbst, Mütterchen! Beachten Sie doch nur, daß Sie jetzt keinen Assessor mehr zu schmieren brauchen, weil ich für Sie die Steuern zahle; ich und nicht Sie! Ich nehme auf mich alle Verpflichtungen; ich will sogar die Kosten des Kaufvertrags tragen, verstehen Sie das?«

      Die Alte wurde nachdenklich. Die Sache erschien ihr wirklich vorteilhaft, doch gar zu neu und noch nicht dagewesen; darum hatte sie anfangs große Angst, daß der Käufer sie irgendwie übervorteilen könnte: ist ja Gott weiß woher gekommen und dazu noch zur nachtschlafenen Zeit.

      »Also abgemacht, Mütterchen, nicht wahr?« sagte Tschitschikow.

      »Nein, Väterchen, ich hab' noch niemals Tote verkauft. Lebende hab' ich wohl verkauft: vor zwei Jahren trat ich dem Protopopow zwei Mädel

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