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George Harris. S. Walther
Читать онлайн.Название George Harris
Год выпуска 0
isbn 9783742716415
Автор произведения S. Walther
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
S. Walther
George Harris
Frühstück inklusive
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Es ist einer dieser Tage. Einer dieser Tage, an denen man am besten gar nicht erst das Bett verlässt, es aber doch tut, da man noch nicht weiß, dass es einer dieser Tage werden wird. Dazu kommt noch: es ist Montag.
Wie an jedem Morgen um Punkt sieben Uhr sitze ich beim Frühstück an meinem Esstisch in der Ecke meiner Küche. Der massive Naturholztisch sieht in der kleinen, weiß lackierten Einbauküche aus wie ein Fremdkörper. Mich stört es nicht. Vor allem stört es mich nicht um diese Uhrzeit.
Die Zeitung vom Wochenende liegt noch unberührt neben meinem Teller. Beim Frühstück lese ich immer die Zeitung des Vortages. Auf diese Weise muss ich keine vor dem Frühstück besorgen, was den Stress am Morgen auf ein Minimum senkt. „So ist es besser für deinen Blutdruck.“, hat meine Frau immer gesagt. Heute aber fällt mir ein zweiter Grund ein, nicht die Zeitung dieses Tages zu lesen. In ihr wird sicher alles über die Ereignisse der letzten Woche und im speziellen über die vom Wochenende stehen.
Überall in der Stadt verschwanden Menschen ohne Spur. Die Mutter von einem der Verschwundenen holte mich in diesem Fall zu Hilfe. Sie glaubte nicht daran, dass die Polizei ihren Sohn noch finden würde, bevor dieser tot in irgendeinem Straßengraben liegen würde. Damit ist sie nicht die Einzige. Die meisten Bewohner von Cardon Bay vertrauen nicht auf die Fähigkeiten der Kriminalpolizei, wenn es darum geht ein Verbrechen aufzuklären. Das aber ist eine andere Geschichte. Im Fall der letzten Woche zeigte sich auch mir kein Zusammenhang. Und dann fand einer dieser jungen Kommissare doch noch die entscheidende Spur. Bei der Festnahme war ich nicht mehr dabei. Aus dem hecktischen Teil der Fälle halte ich mich immer mehr zurück. Meine Glanzjahre, in denen ich noch persönlich hinter jedem Verdächtigen her gerannt bin, sind schon lange vorbei. Genau das ist der Grund, warum mich die Zeitung von heute nicht interessiert. Schließlich bin ich es nicht gewesen, der den Täter erwischte.
Meine eigenen Siegeszüge betrachte ich gern in der Zeitung. Das gibt mir schon immer ein gutes Gefühl. Jeden Artikel, welcher über mich in der Zeitung stand, habe ich aufbewahrt. Alle seit dem Anfang meiner Karriere. Sie lagern in einer großen Kiste auf einer Vitrine im Wohnzimmer. Um sie anzuschauen, muss ich sie nur dort herunter holen.
Die Geschichten von anderen lese ich nicht. Sie interessieren mich nicht. Ich erfahre von ihnen sowieso, wenn ich das nächste Mal auf die Kriminalpolizei treffe. Also voraussichtlich bei meinem nächsten Auftrag.
Der Toaster meldet sich und schießt das Toast in einem hohen Bogen durch die Küche. Es landet – wie soll es auch anders sein – nicht auf meinem Teller, sondern auf dem Fußboden. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als das Toast aufzuheben und es auf den Teller zu legen.
Die Marmelade findet ihren Weg beinahe schon automatisch auf die Scheibe Brot. Mein Blick ist unterdessen von olivgrünen, müde dreinblickenden Augen gefangen. Mein Spiegelbild, welches ich verschwommen vom Toaster entgegen geworfen bekomme, schaut mich fragend an. Bin das etwa wirklich ich? Eine Frage, welche mich jeden Morgen wieder aufs Neue beschäftigt. Ich habe das Gefühl, dass ich seit dem Tod meiner Frau vor sechs Jahren noch schneller altere als zuvor. Die Falten in meinem Gesicht scheinen jeden Tag tiefer zu werden. Sie lassen mich so viel älter aussehen, als ich es bin.
Das Telefon klingelt und holt mich so erfolgreich aus meinen trüben Gedanken heraus. Ich beiße einmal herzhaft von meinem Marmeladenbrot ab und erhebe mich kauend. Langsam und noch immer mehr als müde setze ich einen Fuß vor den anderen. Es sind drei Schritte bis ich die Tür zum Flur erreicht habe. Meine Wohnung ist nicht sehr groß, auch wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass die meisten Menschen mich eher in einem riesigen Anwesen sehen. Wie ich mir ein solches leisten soll, kann mir aber keiner von ihnen verraten.
Der Flur ist ein länglich geschnittener Raum mit einer kleinen Kommode aus Kirschholz direkt an der Tür zur Küche. Darauf steht das immer noch klingende Telefon.
„Harris.“, melde ich mich mit brummender Stimme. Wer wagt es mich um diese Uhrzeit zu stören? Nicht mal in Ruhe frühstücken kann ich ohne gestört zu werden.
„George? Ich bin es. Marcus Risen. Erinnerst du dich an mich?“ Eine fröhliche Männerstimme überrumpelt mich. Wie kann man am frühen Morgen schon so fröhlich sein? Der Name Marcus Risen sagt mir allerdings etwas. Er sagt mir, dass die Fröhlichkeit bei diesem Mann zu jeder Tages- und Nachtzeit mit der immer gleichen Intensität vorhanden ist - unabhängig von der Situation, in der sich dieser befindet.
„Natürlich. Marcus, der Anwalt.“, antworte ich. Wir lernten uns vor Jahren einmal bei einem Fall hier in Cardon Bay kennen. Damals wohnte er noch nicht in der Stadt, allerdings glaube ich, heute tut er das schon. In der großen Stadt gibt es für einen Anwalt eben mehr zu tun, als in dem kleinen Dorf, aus dem er stammt. Ich habe ihn seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen. Ich hoffe nur, dass er nicht in Erinnerungen schwelgen will. Mein Frühstück wartet schließlich noch.
„Genau der.“, bestätigt er, was ich schon wusste. Ich kann sein Grinsen, welches sich langsam auf seinem Gesicht breit macht, deutlich hören. „Ich dachte, wir können mal wieder die alten Zeiten aufleben lassen und zum Billard gehen.“ Billard ist etwas, das wir angefangen haben kurz nach dem wir uns kennenlernten. Ursprünglich hatte ich mich dazu entschieden, Billard eine Sache sein zu lassen, die ich niemals ausprobieren wollte. Marcus hat das geändert. „Deshalb rufe ich aber nicht an. Es geht vielmehr um die Leiche im Atlantis River Side. Können wir uns in deinem Büro treffen?“
Als erste Reaktion auf seine Frage will ich schon antworten, dass es definitiv noch etwas zu früh ist, um in mein Büro zu gehen. Dann aber wird mir der Sinn seiner Worte erst richtig bewusst. Ich schlafe tatsächlich noch halb, sonst wäre mir das schon früher aufgefallen. „Leiche?“, frage ich nach. An meiner Stimmenlage kann man sicher sehr gut ableiten, dass ich keine Ahnung davon habe, dass eine Leiche gefunden wurde. Woher soll ich das auch wissen?
„Du hast also noch keine Nachrichten