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macht der Fall?”, fragte sie, während sich beide in den Menschenfluß einreihten und zur Treppe strebten.

      „Einige ihrer Kunden haben wir schon angehört.”

      „Sind es viele?”

      „So um die fünfzig.”

      „Oh!” Sie sah ihn erstaunt an.

      „Wir müssen sie alle befragen. Aber wir konzentrieren uns erst mal auf die, die am häufigsten bei ihr waren.”

      „Eher ältere Leute?”

      „Nein, auch, natürlich. Aber die Kunden von Frau Patricia Bahran kommen aus allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten.” Zacharias sah sich um, und versuchte, nicht zu laut zu sprechen. Schließlich war der Mord hier in der Stadt immer noch ein großes Gesprächsthema. „Junge, Alte, Arme und Reiche. Alle waren da.”

      „Wie hieß sie denn mit richtigem Namen?”

      Zacharias sah Karla fragend an: „Wie meinst du das?”

      „Na, ich meine, Patricia Bahran. Das ist doch ein Künstlername. Übrigens wie geschaffen für eine Geistheilerin, wenn du mich fragst.” Sie blickte in das verwirrte Gesicht des Kollegen. „Etwa nicht? Sie hieß wirklich so?”

      Er nickte. „Ja, das war ihr richtiger Name. Ohne Zweifel.”

      „Aha, na dann. Aber du musst zugeben, dass der Name wirklich wie aus einem kitschigen Arztroman klingt!”

      War es in den unterirdischen Gängen, die zu den Gleisen führten, noch halbwegs erträglich gewesen, so schlug ihnen jetzt die Hitze mit aller Wucht entgegen, als sie den Bahnhof durch den Haupteingang verließen. Dazu wehte ein heißer Wind, als hätte jemand einen überdimensionalen Fön angestellt. Karla wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Das ist ja fürchterlich!”, stöhnte sie. „Ich hoffe, dein Auto hat Klimaanlage.”

      Er räusperte sich. „Das wollte ich dir schon die ganze Zeit sagen. Ich bin nicht mit dem Auto hier. Weißt du, so weit ist es nicht bis zum Kommissariat.” Karla blickte ihn entsetzt an. „Wir sind schneller, wenn wir die Straßenbahn nehmen, ehrlich.”, fügte er hinzu.

      Sie rollte mit den Augen. „Wenn es unbedingt sein muss.” Karla hasste öffentliche Verkehrsmittel, aber sie sah auch ein, dass man mit dem Auto in der Stadt wahrscheinlich länger für eine kurze Strecke brauchte, und so auch unter Umständen länger in der Hitze festsaß.

      Sie gingen die paar Meter bis zur nächsten Straßenbahn Station.

      „Ich habe mir extra noch eine neue Kamera gekauft. Wollte ein paar Bilder von den Touristensehenswürdigkeiten machen, falls es die Zeit erlaubt.”

      „Gute Idee. Du kannst mir die Kamera mal zeigen. Für gute Fotos bin ich auch immer zu haben.”

      „Die ist nichts besonders.” Sie lachte. „War ein Sonderangebot in einem Discounter.”

      Zacharias zog zwei Tickets am Automaten und als nach fünf Minuten die nächste Bahn kam, stiegen sie ein. Die Straßenbahn war voll besetzt mit vor sich hin schwitzenden Menschen in Sonnentops und kurzen Hosen. Nachdem er Karlas schweren Koffer vor sich her geschoben hatte, stellte sich Zacharias in den Mittelgang, während sich Karla noch nach einem Sitzplatz umsah. Vergebens.

      „Verdammt voll hier.”, bemerkte sie, als sie sich zu ihm gesellte. „Und verdammt heiß.”

      „Ja, aber es dauert nicht lange. Ungefähr zwanzig Minuten. Oder willst du zuerst zu deinen Verwandten?”

      „Nein, nein. Ich brenne darauf, mir die Unterlagen zu dem Fall anzusehen. Außerdem ist dort zu dieser Uhrzeit keiner da. Heute Abend werde ich mir ein Taxi nehmen und so lange stelle ich den Koffer im Präsidium ab.”

      „Klar, kannst du machen.”

      Sie waren schon einige Zeit gefahren und die Straßenbahn hatte an mehreren Stationen gehalten. Etliche Menschen waren ausgestiegen, aber mindestens genauso viele wieder eingestiegen.

      „Hör mal, wenn wir gleich da sind, werde ich dir als erstes den Kollegen Steffen Döber vorstellen.”

      „Mmm!”, machte Karla. Und Zacharias redete weiter. „Er ist ein bisschen eigen, musst du wissen, aber wenn ihr etwas länger zusammen arbeitet, werdet ihr euch bestimmt gut verstehen, da bin ich mir sicher.”

      „Ja.”, antwortete sie nur und schaute nach vorne. Etwas anderes hatte ihre Aufmerksamkeit erregt und sie hörte nicht mehr genau hin, als Zacharias munter weiter plauderte.

      „Es ist ihm immer wichtig, dass er das Gefühl hat, einbezogen zu werden, darauf legt er Wert.”

      Zacharias schaute nach draußen. Die Bahn hatte jetzt ein höheres Tempo erreicht. „Es dauert nicht mehr lange.”, sagte er zu Karla. „Ich glaube, es sind noch vier Stationen.”

      „Ja.”, antwortete sie gedehnt. Als er zu ihr sah, bemerkte er, dass sie mit ihren Gedanken ganz wo anders zu sein schien. Ihr Blick war starr und sie blickte angestrengt in den vorderen Gang.

      „Karla?”

      „Das Mädchen!”, sagte sie und nickte in Richtung der vorderen Sitzplätze in der Bahn.

      Verwirrt folgte er ihren Blicken und versuchte zu verstehen, was sie meinte. Etwas stimmte hier nicht.

      „Was für ein Mädchen?”

      „Die Kleine da vorne, in der dritten Reihe.”

      Er sah den Rücken eines schmalen Kindes, mit langen schwarzen Haaren. Neben dem Sitzplatz standen zwei Jugendliche, die sich zu dem Mädchen herunterbeugten und mit ihr sprachen. Neben dem Kind saß eine ältere Frau, die den Kopf nach links gedreht hatte und angestrengt aus dem Fenster blickte.

      „Kennst du sie?”, fragte er Karla, obwohl er sich das nicht vorstellen konnte.

      „Da ist etwas ganz und gar nicht in Ordnung!”

      „Was meinst du denn?”

      „Ich meine die Jugendlichen. Es ist etwas in ihren Blicken und Gesten.”

      „Die scheinen sie zu kennen.”

      Karla schüttelte heftig mit dem Kopf.

      „Was soll da sein, Karla? Ich meine, das sind zwei Jugendliche, die mit einem Mädchen sprechen. Ich weiß nicht, was daran ungewöhnlich sein soll?”

      Aber sie hatte einfach ihren Koffer stehen lassen und hatte sich bereits durch den Gang nach vorne gekämpft. Einen Schritt vor den Jugendlichen blieb sie stehen.

      Ihr feines Gespür hatte sie auch diesmal nicht getäuscht.

      „Oh.”, dröhnte der eine, eindeutig der Wortführer der beiden, ein brutal aussehender, pickliger Typ. „Hat dich Mutti heute wieder schick gemacht?” Er zerrte an dem roten Band im Haar des Mädchens, das ängstlich nach unten blickte. Sein Kumpel stand grinsend daneben. Er hielt sich noch zurück. Aber gleich würde sicher auch sein Einsatz kommen. „Schau doch nur, unser kleines Püppchen.”, ereiferte sich erneut der andere. „Sind wir noch ein bisschen schüchtern? Das werden wir gleich mal ändern!” Er grapschte an den Kopf des Mädchens und zerrte rücksichtslos an ihren Haaren. Jetzt lachte auch der andere aus vollem Halse.

      Karla trat einen Schritt vor. „Wie lange muss du noch fahren?”, fragte sie das Mädchen, das sich daraufhin mit einem Blick zu ihr herumdrehte, der zwischen ungläubigem Hoffen und nackter Angst lag. Karla schätzte, dass sie neun bis zehn Jahre alt war.

      „Was mischt du dich ein, blöde Kuh?”, schrie der Typ bevor das Mädchen antworten konnte.

      Karla versuchte ruhig zu bleiben. „Ich spreche mit dem Mädchen. Sag, wann kommt deine Haltestelle?”, fragte sie erneut und beugte sich beschützend über ihren Rücken.

      Leise und mit piepsiger Stimme antwortete sie. „Nur noch zwei Haltestellen!”

      „Ach, dann bist du bald da.”

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