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gewesen sei. Es war vielen nicht recht, daß der Dichter des „revolutionären“ Götz über fünfzig Jahre einem Fürsten diente und als Hofmann das höfische Zeremoniell getreulich mitmachte. Aber Goethe war nun einmal nicht umstürzlerisch oder auch nur demokratisch gesinnt, er war durchaus Monarchist, wenn auch nur Verstandes-Monarchist, und was seine eigene Ministertätigkeit angeht, so konnte er mit Recht fragen: „Diene ich denn etwa einem Tyrannen? einem Despoten? Diene ich etwa einem solchen, der auf Kosten des Volkes seinen eigenen Lüsten lebt? Solche Fürsten und solche Zeilen liegen gottlob längst hinter uns ... Soll ich denn mit Gewalt ein Fürstenknecht sein, so ist es wenigstens mein Trost, daß ich doch nur der Knecht eines solchen bin, der selber ein Knecht des allgemeinen Besten ist.“ Richtig ist, daß Goethe sich durch die Vergünstigungen, die ihm seine Freundschaft mit Karl August, sein weltberühmter Name, sein allgemein bewundertes Genie boten, nicht dazu verführen ließ, sich über die herkömmlichen Formen hinwegzusetzen, daß er die untertänigen Wendungen der Hofsprache gebrauchte, auch gegen Karl August, der ihn mit dem brüderlichen Du anredete. Goethe hielt sich auch sonst streng an den Kurialstil. „Hochwürdige, Hoch-, Hochwohl- und Wohlgeborene und Hochedle“, redet er im Juli 1800 die Landschafts-Deputation des Fürstentums Weimar an, und er fährt fort: „Höchst- und Hochzuverehrende, auch Hochgeehrteste Herren! Nachdem ich, Endesunterzeichneter, das freie Lehngut zu Oberroßla, welches durch Serenissimi besondere Gnade neuerlich in ein rechtes Erblehn verwandelt worden, sub hasta erstanden und damit beliehen worden ...“ Was Bettina v. Arnim über das sehr verschiedene Verhalten Goethes und Beethovens zu den in Teplitz versammelten Fürstlichkeiten (1812) schreibt, mag übertrieben sein, aber zuverlässig wissen wir, daß der Dichter über die „ganz ungebändigte Persönlichkeit“ des Komponisten und daß Beethoven über die höfischen Formen Goethes erzürnt war. So läßt Bettina den Komponisten reden: „Könige und Fürsten können wohl Titel und Orden verleihen, aber große Männer können sie nicht machen, und damit muß man sie in Respekt halten. Wenn so zwei zusammenkommen, wie ich und der Goethe, da müssen diese großen Herren merken, was bei unsereinem als groß gelten kann. Wir begegneten gestern der ganzen kaiserlichen Familie, und Goethe machte sich von meinem Arm los, um sich an die Seite zu stellen.

      Ich drückte meinen Hut auf den Kopf und ging mit untergeschlagenen Armen durch den dicksten Haufen. Fürsten und Schranzen haben Spalier gemacht, der Herzog von Weimar hat vor mir den Hut gezogen und die Kaiserin mich zuerst gegrüßt. Ich sah zu meinem wahren Spaß die Prozession an Goethe vorbeidefilieren, der mit abgezogenem Hut gebückt zur Seite stand. Ich habe ihm nachher schön den Kopf gewaschen.“

      Einst tat Goethe dem bekannten Maler von Kügelgen in Dresden den Schmerz an, ihn in einem Briefe „hochwohlgeborener Herr“ anzureden, und Zelter machte ihn auf die unerwünschte Wirkung seiner Förmlichkeit aufmerksam. „Mit Kügelgen geht es mir recht wunderlich,“ erwiderte Goethe,33 „Ich dachte ihm das Freundlichste zu sagen ... und nun stößt sich der gute Mann an ein äußeres Höflichkeitszeichen, das man denn doch nicht versäumen soll, indem man durch Vernachlässigung desselben manche Personen verletzt. Man hat mir einen gewissen Leichtsinn in diesen Dingen oft übel genommen, und jetzt betrübe ich gute Menschen durch die Förmlichkeit. Legen Sie ja, mein lieber Freund, keinen alten Fehler ab, Sie fallen entweder in einen neuen, oder man hält Ihre neue Tugend für einen Fehler.“

      Aus solchen Äußerlichkeiten darf man nicht auf eine unfreie Gesinnung schließen. Goethe hat sicherlich seinem Fürsten und Freunde sehr oft scharf und deutlich die Wahrheit gesagt, auch wenn er ihn nicht öffentlich abkanzelte. In seinen Tagebüchern finden wir Andeutungen davon. „Mit dem Herzog gegessen,“ heißt es am 19. Januar 1782, „sehr ernstlich und stark über Ökonomie geredet und wider eine Anzahl falscher Ideen, die ihm nicht aus dem Kopfe wollen.“ Und ein andermal: „Conseil. Der Herzog zu viel gesprochen. Mit dem Herzog gegessen. Nach Tische einige Erklärungen über zu viel reden fallen lassen, sich vergeben, Sachen in der Hitze zur Sprache bringen, die nicht geredt werden sollten. Auch über die militärischen Makaronis (d. h. Liebhabereien).“ Eben so offen war Goethe in Briefen und Gedichten an den Herzog. 1786 schreibt er: „Wie sich auch Ihr Geschäfte wendet, betragen Sie Sich mäßig und ziehen Sich, wenn es nicht anders ist, heraus, ohne Sich mit denen zu überwerfen, die Sie hineingeführt und kompromittiert haben.“ Namentlich kämpfte er gegen die Lust des Herzogs an Krieg und Soldaten, die so sehr ein Hemmnis für die Besserung der Staatsfinanzen und Vermehrung des Volkswohlstandes waren. „Die Kriegslust, die wie eine Art Krätze unsern Prinzen unter der Haut sitzt, fatiguiert mich wie ein böser Traum, in dem man fort will und soll und Einem die Füße versagen. Sie kommen mir wie solche Träumende vor und mir ist es, als wenn ich mit ihnen träumte. Ich habe auf dieses Kapitel weder Barmherzigkeit, Anteil, noch Hoffnung und Schonung mehr.“ Ebenso trat er dem jagdlustigen Herrn entgegen, wenn die Felder der kleinen Leute unter solcher Liebhaberei litten. Und wenn es sich um Theatersachen handelte, ärgerte sich der Herzog oft genug über seines Untergebenen „Tyrannei“ und „Herrschsucht“.34

      Auch sonst sind einige Beispiele dafür, daß er nicht nachgab, wo er sich im Rechte fühlte, bekannt geworden, obwohl natürlich Goethe sich nicht selber mit seinem „Mannesmut vor Königsthronen“ gegen andere brüstete.

      Einmal wollte Karl August einen andern Orientalisten an die Universität Jena berufen, als Goethe für gut hielt, und suchte seinen Minister zu bereden. Dieser lehnte aber scharf ab, denn die Universität war sein Gebiet, das verstand er besser. Da rief der Herzog: „Du bist ein närrischer Kerl! Du kannst keinen Widerspruch vertragen.“ — „O ja, mein Fürst, aber er muß verständig sein.“35

      Eine ähnliche Scene erzählt der allerdings zu Übertreibungen neigende Architekt Zahn, der 1827 in Goethes kunstliebendem Hause antike Wandgemälde aus Pompeji vorwies. „Plötzlich erklangen hinter uns straffe Schritte, und als ich mich wandte, erblickte ich einen untersetzten Mann in Feldmütze und kurzem grünsammetnen Jagdrocke mit goldenen Schnüren besetzt. Es war der Großherzog. Er war durch den Garten gekommen und durch die Hintertür eingetreten, von der er stets den Schlüssel hatte. Goethe begrüßte ihn mit den Worten: „Kommen recht zum Gastmahl, königliche Hoheit!“ Karl August hatte eine kurze Meerschaumpfeife in der Hand, aus der er, wo es irgend anging, beständig paffte; aber jetzt ließ er sie ausgehen, denn Goethe verabscheute den Tabak. — — — Der Großherzog lud mich für den folgenden Tag zum Essen, doch Goethe erklärte statt meiner: „Nein, mittags gehört Zahn mir!“ Und Karl August widersprach nicht.“

      Als Goethe in Jena ein Stück der alten Stadtmauer fortreißen ließ, um gegen die Feuchtigkeit der Bibliothek das Nötige zu tun, schickte die Stadtverwaltung an den Herzog eine Deputation mit der untertänigen Bitte, daß es doch seiner Hoheit gefallen möge, durch ein Machtwort diesem Beginnen ein Ende zu setzen. „Ich mische mich nicht in Goethes Angelegenheiten,“ erwiderte der Herzog. „Er weiß schon, was er zu tun hat, und muß sehen, wie er zurechtkommt. — Geht doch hin und sagt es ihm selbst, wenn ihr die Courage habt!“36

      Eckermann erzählt noch ein Geschichtchen, das hierher gehört. Er begleitete im September 1827 seinen Meister auf die Höhe des Ettersberges und Goethe blickte nach Westen, wo man über Erfurt hinaus das hochliegende Schloß Gotha entdecken konnte. Und sie sprachen darüber, warum er jetzt keine Verbindung mehr dahin habe. „Ich bin dort nicht zum besten angeschrieben,“ erzählte Goethe. „Als die Mutter des jetzt regierenden Herrn noch in hübscher Jugend war, befand ich mich dort sehr oft. Ich saß eines Abends bei ihr allein am Teetisch, als die beiden zehn- bis zwölfjährigen Prinzen, zwei hübsche blondlockige Knaben, hereinsprangen und zu uns an den Tisch kamen. Übermütig wie ich sein konnte, fuhr ich den beiden Prinzen mit meinen Händen in die Haare, mit den Worten: „Nun, ihr Semmelköpfe, was macht ihr?“ Die Buben sahen mich mit großen Augen an, im höchsten Erstaunen über meine Kühnheit — und haben mir es später nie vergessen.“

      Und der Alte fuhr fort: „Ich hatte vor der bloßen Fürstlichkeit als solcher, wenn nicht zugleich eine tüchtige Menschennatur dahinter steckte, nie viel Respekt. Ja, es war mir so wohl in meiner Haut, und ich fühlte mich selber so vornehm, daß, wenn man mich zum Fürsten gemacht hätte, ich es nicht eben sonderlich merkwürdig gefunden haben würde. Als man mir das Adelsdiplom gab, glaubten viele, wie ich mich dadurch möchte erhoben fühlen. Allein unter uns, es war mir nichts, gar nichts! Wir

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