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größten und hitzigsten Handgemenge bis morgens gegen viere. Die Frage, über die mit so viel Heftigkeit als Gelehrsamkeit gestritten wurde, war diese: ob ein Volk nicht glücklicher sei, wenn's frei ist, als wenn's unter dem Befehl eines souveränen Herrn steht. Denn ich sagte: die Korsen sind wirklich unglücklich. Er sagte: nein, es ist ein Glück für sie und ihre Nachkommen; sie werden nur verfeinert, entwildert, lernen Künste und Wissenschaften, statt sie zuvor roh und wild waren. Herr! — sagte ich — ich hätt' den Teufel von seinen Verfeinerungen und Veredelungen auf Kosten meiner Freiheit, die eigentlich unser Glück macht.“

      Dieser Diener war zugleich auch Schreiber, und so kannte er Goethes Werke, die damals entstanden, gut, glaubte wohl auch, das Seine dazu getan zu haben. Als Goethe nun in Italien war, besorgte er daheim seine Aufträge, und so bekam er auch die letzte Redaktion der „Iphigenie“. Sie gefiel ihm gar nicht, und er schrieb das seinem Herrn. Dieser mag wohl über die scharfe Kritik seines um sechs Jahre jüngeren Dieners gelächelt haben, aber er antwortete menschlich-bescheiden: „Was du von meiner Iphigenie sagst, ist im gewissen Sinne leider wahr. Als ich mich um der Kunst und des Handwerkes willen entschließen mußte, das Stück umzuschreiben, sah ich voraus, daß die besten Stellen verlieren mußten, wenn die schlechten und mittleren gewannen. Du hast zwei Scenen genannt, die offenbar verloren haben. Aber wenn es gedruckt ist, dann lies es noch einmal ganz gelassen und du wirst fühlen, was es als Ganzes gewonnen hat.“ Seidel blieb dabei, daß die alte, prosaische Form die bessere gewesen sei, wie auch die „Claudine von Villabella“ durch die Jamben nicht gewonnen habe. Goethe antwortete wieder geduldig: „Du sollst auch eine Iphigenie in Prosa haben, wenn sie dir Freude macht. Der Künstler kann nur arbeiten. Beifall läßt sich, wie Gegenliebe, nur wünschen, nicht erzwingen.“45

      Noch in der Nacht vor seinem Tode zeigte sich Goethes gutes Herz gegen seine Diener. Er sah, daß der Mann, der immer in seiner Nähe sein mußte, sehr müde war. Da ließ er ihn in seinem eigenen Bette schlafen, während er im Lehnstuhl, wo er leichter Atem bekommen konnte, daneben saß; der Kopist mußte aufpassen, daß er nicht beim Einschlafen vornüber fiel. — —

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      Zu den ihm Unterstellten gehörten auch die Schauspieler, und dieses Völkchen war zu allen Zeiten schwer zu regieren. „Ich will mit dem Schauspielervolk nichts mehr zu schaffen haben,“ schrieb ihm Schiller einmal,46 „denn durch Vernunft und Gefälligkeit ist nichts auszurichten, es gibt nur ein einziges Verhältnis zu ihnen, den kurzen Imperativ, den ich nicht auszuüben habe.“

      Goethes Grundsatz im Theater war: keine Günstlinge haben, die Gunst verteilen, damit niemand allzu nahe tritt. Und weiter: genau auf die Paragraphen der Hausgesetze halten. „Bei Schauspielern muß man in der Ordnung streng am Buchstaben halten, sie sind Meister in Ausflüchten,“ schrieb er 1798 an Kirms. Aber als jemand einmal bemerkte, es möge wohl schwer sein, ein Theater in gehöriger Ordnung zu halten, sprach er die Worte, die sich jeder Regierende ins Album schreiben sollte: „Sehr viel ist zu erreichen durch Strenge, mehr durch Liebe, das meiste aber durch Einsicht und eine unparteiische Gerechtigkeit, bei der kein Ansehn der Person gilt.“47 Gegen ältere Schauspieler gab er seiner Unzufriedenheit nie strenge Worte, sein Tadel war nicht verletzend. Z. B.: „Nun, das ist ja gar nicht übel, obgleich ich mir den Moment so gedacht habe; überlegen wir uns das bis zur nächsten Probe, vielleicht stimmen dann unsere Ansichten überein“.48

      Widerspruch nahm er auch hier gut auf, wo er berechtigt war. Bei einer Theaterprobe las der sonst fleißige Schauspieler Unzelmann seine Worte aus der Rolle ab. Sogleich ertönte Goethes mächtige Baßstimme aus seiner Loge hinter dem Parterre: „Ich bin es nicht gewohnt, daß man seine Aufgaben abliest.“ Unzelmann entschuldigte sich, seine Frau liege seit mehreren Tagen krank danieder, deshalb hätte er nicht zum Lernen kommen können. „Ei was!“ rief Goethe, „der Tag hat vierundzwanzig Stunden, die Nacht mit eingerechnet.“ Unzelmann trat bis ins Proszenium vor und sagte: „Euer Exzellenz haben vollkommen recht, der Tag hat vierundzwanzig Stunden, die Nacht mit eingerechnet. Aber ebenso gut wie der Staatsmann und der Dichter der Nachtruhe bedarf, ebenso gut bedarf ihrer der arme Schauspieler, der öfter Possen reißen muß, wenn ihm das Herz blutet. Euer Exzellenz wissen, daß ich stets meiner Pflicht nachkomme, aber in solchem Falle bin ich wohl zu entschuldigen.“

      Diese kühne Rede erregte allgemeines Erstaunen, und jeder stand erwartungsvoll, was nun kommen würde. Nach einer Pause rief Goethe mit kräftiger Stimme: „Die Antwort paßt! Weiter!“

      Als der Kanzler v. Müller ein halbes Jahr nach Goethes Tode vor der Erfurter Akademie gemeinnütziger Wissenschaften eine Vorlesung über seinen großen Freund hielt, betonte er auch Goethes gutes Verhältnis zu seinen Schauspielern. „Nirgends vermochte Goethe den Zauber seiner imposanten Persönlichkeit freier zu üben und geltend zu machen, als unter seinen dramatischen Jüngern; streng und ernst in seinen Forderungen, unabwendlich in seinen Beschlüssen, rasch und freudig jedes Gelingen anerkennend, das kleinste wie das größte beachtend, und eines Jeden verborgenste Kraft hervorrufend, wirkte er im gemessenen Kreise, ja meist bei geringen Mitteln, oft das Unglaubliche; schon sein ermunternder Blick war reiche Belohnung, sein wohlwollendes Wort unschätzbare Gabe, Jeder fühlte sich größer und kräftiger an der Stelle, wo Er ihn hingestellt, und der Stempel seines Beifalls schien dem ganzen Leben höhere Weihe zu gewähren. Man muß es selbst gesehen und gehört haben, wie die Veteranen aus jener Zeit des heitersten Zusammenwirkens von Goethe und Schiller noch jetzt mit heiliger Treue jede Erinnerung an diese ihre Heroen bewahren, mit Entzücken einzelne Züge ihres Waltens wiedergeben, und schon bei Nennung ihrer Namen sich leuchtenden Blickes gleichsam verjüngen, wenn man ein vollständiges Bild der liebevollen Anhänglichkeit und des Enthusiasmus gewinnen will, die jene großartigen Naturen einzuflößen vermochten.“

      Voilà un homme! sagte Napoleon, als Goethe in Erfurt von ihm ging. Und diesen Eindruck hatten alle, die ihm auf den Grund sahen: ein menschlicher Mensch, ein männlicher Mann!

      

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