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und das, was wir Stimmung nennen, läßt sich weder hervorbringen noch mitteilen. Alle Vergnügungen, selbst das Theater, sollen nur zerstreuen, und die große Neigung des lesenden Publikums zu Journalen und Romanen entsteht eben daher, weil jene immer und diese meist Zerstreuung in die Zerstreuung bringen.“

      „Das Dorf Weimar,“ wie Schiller sich ausdrückte, oder „das wüste Weimar, dieses Mittelding zwischen Dorf und Hofstadt,“ wie Herder es bezeichnet, war für unsern Freund der Natur und ihrer Stille gerade der rechte Platz; noch im Alter rühmt er, daß neben andern unschätzbaren Vorteilen ihn hier der Gewinn beglückte, „Stuben- und Stadtlust mit Land-, Wald- und Gartenatmosphäre zu vertauschen.“16

      Sein Landgut gab Goethe schon im Sommer 1803 wieder auf; es war doch etwas Halbes und darum seiner Natur nicht Gemäßes; er verkaufte es an den zweiten Pächter, „und so ereignete es sich, daß ich nach sechs Jahren das Gut abtrat, ohne irgendeinen Verlust als den der Zeit und allenfalls des Aufwands auf ländliche Feste, deren Vergnügen man doch aber auch für etwas rechnen mußte. Konnte man ferner die klare Anschauung dieser Zustände auch nicht zu Gelde anschlagen, so war doch viel gewonnen und nebenbei mancher heitere Tag im Freien zugebracht.“17

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      Daß Goethe ein wohlhabender Mann war, geht schon aus dem Mitgeteilten hervor. Aber er hatte auch sehr viele Ausgaben, zumal weil er ein gastfreies Haus halten mußte und wollte, weil er viel reiste, und weil er die Kunstgegenstände und naturwissenschaftlichen Merkwürdigkeiten, an denen er sich bilden wollte, auch zu besitzen wünschte. Außerdem war zuerst die Frau nicht immer sparsam, und die Schwiegertochter war ihr Leben lang als arge Verschwenderin bekannt. Ihrer Wirtschaft müssen wir es wohl zuschreiben, daß im November 1830 die Gebrüder Ramann in Erfurt, die Weinlieferanten unserer Klassiker, ein Guthaben von 500 Thalern hatten, wovon im September 1831 erst 200 Thaler als Abschlag gezahlt werden konnten.18 Mit seinem Gehalte allein hätte Goethe nicht auskommen können; denn es betrug anfangs nur 1200, von 1781 an 1400, von 1785 an 1600 Thaler; seit 1816 bekam er, der nun erster Minister eines Großherzogtums war, 3000 Thaler. Wohl kamen dazu durch die Güte seines Fürsten noch allerlei Zuwendungen, namentlich seine beiden Grundstücke in Weimar, aber verbraucht hat er stets erheblich mehr. Sein väterliches Erbe und die Einnahmen aus seinen Werken gingen zum großen Teile mit darauf. „Einen Parvenu wie mich,“ sagte er im Alter zu guten Freunden,19 „konnte nur die entschiedenste Uneigennützigkeit aufrecht erhalten. Ich hatte von vielen Seiten Anmahnungen zum Gegenteil, aber ich habe meinen schriftstellerischen Erwerb und zwei Drittel meines väterlichen Vermögens hier zugesetzt und erst mit 1200 Thalern, dann mit 1800 Thalern bis 1815 gedient.“ Und noch später (1829) äußerte er gegen Eckermann: „Eine halbe Million meines Privatvermögens ist durch meine Hände gegangen, nicht allein das ganze Vermögen meines Vaters, sondern auch mein Gehalt und mein bedeutendes litterarisches Einkommen seit mehr als fünfzig Jahren.“

      Das literarische Einkommen wäre nicht so bedeutend gewesen, hätte sich Goethe nicht gegen die Buchhändler tapfer seiner Haut gewehrt. Zwar anfangs war er auch hier sehr freigebig gesinnt; er hätte am liebsten der Welt seine Werke ohne Honorar geschenkt, aber weil er beständig Ärger hatte von schlechten Nachdrucken, die bei der damaligen Gesetzgebung und lottrigen Polizei möglich waren, lernte er sein Eigentumsrecht verteidigen und ausnützen. „Die Buchhändler sind alle des Teufels, für sie muß es eine eigene Hölle geben!“ rief er 1829 gegen einen juristischen Freund aus.20 „Wer keinen Geist hat, glaubt nicht an Geister und somit auch nicht an geistiges Eigentum der Schriftsteller,“ hieß es ein andermal, als vom Nachdruck die Rede war.21 Seine ersten Werke hatte er vertändelt; zu der Zeit, als alle Welt seinen Götz bewunderte, mußte er sich sorgen, woher er das Geld nehme, um das Papier dafür zu bezahlen. Aber 1802 konnte Schiller gegen Cotta äußern: „Es ist, um es gerade heraus zu sagen, kein guter Handel mit Goethe zu treffen, weil er seinen Wert ganz kennt und sich selbst hoch taxiert und auf das Glück des Buchhandels, davon er überhaupt nur eine vage Idee hat, keine Rücksicht nimmt. Es ist noch kein Buchhändler mit ihm in Verbindung geblieben.“ Für die „Wahlverwandtschaften“ erhielt Goethe 2500 Thaler, für „Wahrheit und Dichtung“ 12000, für die erste zwölfbändige Cottasche Ausgabe der Werke (1806—1808) volle 10000 Thaler für das Verlagsrecht auf acht Jahre, für die neue Ausgabe in 20 Bänden 1816 auf weitere acht Jahre 16000 Thaler. Im Ganzen wurden in den Jahren 1795—1832 von Cotta an Goethe 401090 Mark in heutigem Gelde gezahlt und von 1832—1865 an die Erben 464474 Mark. Die Tantièmen von Bühnen waren dagegen sehr gering; z. B. vom Berliner Nationaltheater erhielt Goethe in zwanzig Jahren nur 319 Thaler, während Kotzebue es in der gleichen Zeit auf 4279 Thaler aus der gleichen Quelle brachte.

      Goethe hat stets sorgfältig Buch geführt, und wir können noch heute Nachlesen, wieviel er als Junggeselle für Göttinger Wurst u. dgl. verbraucht hat. Von seinem Besuche in Heidelberg im Jahre 1814 erzählt uns Sulpiz Boisserée: „Jeden Abend ließ Goethe seinen Bedienten zu sich auf die Stube kommen, um Rechnung mit ihm abzuhalten über alle Ausgaben des Tages, die größten wie die kleinsten, und für den folgenden Tag den vorläufigen Etat im Ausgabebuch festzustellen. Als Bertram über diese haushälterische, dem Materiellen zugewendete Sorgfalt des Dichters seine Verwunderung äußerte, sagte Goethe: „Wenn die Prosa abgethan ist, kann die Poesie umso lustiger gedeihen. Man muß sich das Unangenehme vom Halse schaffen, um angenehm leben zu können, und der Schlaf bekommt uns umso besser.“

      

       II. Äußere Erscheinung und Verhalten gegen Fremde.

      Wir haben von Goethe viele Bilder, aber sie sind sehr unähnlich untereinander. Und ebenso verschieden sind die Schilderungen derer, die ihm in seinem Stadthause aufwarteten. Die einen fanden ihn sehr groß, die andern „keineswegs von hervorragender Größe“22 die einen erblickten ein Ideal männlicher Schönheit, die andern wissen davon nichts zu berichten; den einen erschien er überaus sympathisch, mit einem einzigen Blicke Liebe und Verehrung erweckend, den andern war er „ein langer, alter, eiskalter Reichsstadtsyndikus“23 und sie atmeten auf, wenn sie seine Eisluft hinter sich hatten. So verschieden sehen die Menschen durch ihre Gefühle hindurch, aber Goethe war auch nicht immer der Gleiche. Groß erschien er, wenn er sich recht steif und gerade hielt und würdig auftrat, und das pflegte er Fremden gegenüber zu tun; in Wirklichkeit war er nicht so groß, wie wir ihn uns gern denken. Nach einer Marke im Gartenhause, die für sein Maß gilt, würden wir ihm heute 1,77 m zuschreiben. Und seine Schönheit hing sehr von den Stimmungen ab; in erhöhten Stunden sahen seine Freunde in ihm einen Apollo oder Jupiter, kritische Betrachter dagegen bemerkten einige Pockennarben im Gesicht und fanden, daß seine Beine zu kurz seien. Ein Bild des jungen Mannes entwarf ein langjähriger Kammerdiener: „Als ich bei ihm kam, mochte er etwa siebenundzwanzig Jahre alt sein; er war sehr mager, behende und zierlich, ich hätte ihn leicht tragen mögen.“24 Gleim bemerkte um die gleiche Zeit „außer einem Paar schwarzglänzender italienischer Augen, die er im Kopfe hatte,“ nichts Auffallendes. Schiller spürte 1788 noch Neid gegen den vom Glück so sehr Bevorzugten. „Er trägt sich steif, geht auch so, sein Gesicht ist verschlossen, aber sein Auge sehr ausdrucksvoll, und man hängt mit Vergnügen an seinem Blicke. Bei vielem Ernst hat seine Miene doch viel Wohlwollendes und Gutes. Er ist brünett und schien mir viel älter auszusehen, als er es sein kann. Seine Stimme ist überaus angenehm.“ Der junge Assessor Müller, der später als erster Justizbeamter des Landes den Titel „Kanzler“ führte und Goethes Freund und schließlich auch sein Testamentsvollstrecker wurde, zeichnet ihn nach der ersten Begegnung 1801: „Goethe spricht sehr ruhig und gelassen, wie etwa ein bedächtiger kluger Kaufmann; sein Auge ist scharf; er war recht artig und gesprächig.“ Den älteren Mann scheint C. E. v. Weltzien 1820 sehr unparteiisch zu zeichnen: „Sein Gesicht hat ungeachtet der tiefen Furchen und Runzeln, die zweiundsiebzig Lebensjahre hineingegraben haben, einen außerordentlichen Ausdruck, den ich aber ganz anders fand, als ich erwartete: nichts von Arroganz, nichts von Menschenverachtung, sondern etwas ganz Unnennbares, wie es Männern eigen zu sein pflegt, die durch vielfältige Erfahrungen und Schicksale und gleichsam im Kampf durch das Leben gegangen sind und nun im Gefühl ihrer wohlerhaltenen Integrität mit beneidenswerter Gemütsruhe der

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