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auf sie zu. Noch bevor sie begriff, was geschah, schnitten sie ihr ihren Haarzopf ab und rasierten ihr den Kopf. Sie begann zu schreien und zu weinen. Dann begann der Chip in ihrem Arm zu blinken, doch das beruhigte sie nur kurz. Sie gaben ihr eine Spritze, die schrecklich unter der Haut brannte und zu allem Überfluss wurde sie mit kaltem Wasser, das nach irgendetwas roch, das sie nicht kannte, abgespritzt.

      Als die Gott-Menschen fertig waren, war Aura kalt, verängstigt, ihr Arm tat weh und alle Haare waren ihr abgeschnitten worden. Tränenüberströmt lief sie zu ihrer Mutter. Auch diese war – wie alle anderen Menschen – mit dem kalten Wasser abgespritzt worden, doch ihre roten Haare hatte sie noch. Nur der junge Mann mit den Mandelaugen hatte auch alle Haare verloren.

      Man versuchte, Aura zu trösten, ihre Haare würden ja wieder nachwachsen, doch das half nichts. Was für eine schreckliche Ungerechtigkeit!

      Den Außenbereich durften sie einen ganzen Tag lang nicht betreten. Danach lag noch einige Zeit ein unbekannter Geruch in der Luft.

      Aura würde nie wieder in ihrem Leben ein pelziges Tierchen sehen.

      Aulis ging es immer schlechter. Sie hatte fürchterliche Rückenschmerzen, ihr war übel und somit blieb sie lange in ihrer kleinen Schlafkoje, die Decke über den Kopf gezogen, liegen. Da sie auch Auras Geplapper und Unruhe nicht ertrug, brachte man die Kleine zu Omi.

      Omi war eine sehr alte Frau, die älteste im Gehege, sogar älter als Auras Vater. Beinahe schwarz zog sich ihre Haut über den dünnen Körper. Ihr Haar war ganz kurz geschoren, nur tiefschwarze Locken waren zu sehen. Das hatte aber nichts mit dem Pelztier zu tun. Sie trug ihr Haar immer sehr kurz.

      Aura mochte Omi gerne. Sie war sehr ruhig und entspannt und hörte sich mit einem sanften Lächeln all die Geschichten an, die ihr das kleine Mädchen erzählte. Wenn die Gott-Menschen verschiedenes Obst, Messer und eine Schüssel ins Gehege brachten, machte Omi daraus immer einen Obstsalat. Wenn sie vorsichtig war, durfte Aura ihr und den anderen Menschen helfen, die Bananen zu schälen oder einen Apfel zu schneiden. Hin und wieder stibitze sie natürlich das ein oder andere Stück. Dabei glaubte Aura fest, niemand hätte das bemerkt. Doch Omi hatte sie immer mit einem wissenden Lächeln im Blick.

      Eines Tages strich Omi gedankenverloren über Auras Kopf. „Sieh doch, deine Haare wachsen schon wieder. Sie sind sicher schon so lang wie meine.“

      Aura befühlte ihren Kopf, um die Aussage zu überprüfen. Dann nickte sie. Es gefiel ihr zwar nicht, dass ihr die Haare abrasiert wurden, doch störten sie so auch nicht beim herumtoben.

      Dann sah sie lange Omi an. „Wieso siehst du so anders aus?“

      Die alte Frau hielt in ihrer Bewegung inne. Dann sah sie sich langsam um. „Wir sehen doch alle anders aus.“

      Aura verzog das Gesicht. „Ja schon, aber … guck doch, meine Haut ist ganz hell und deine ganz dunkel. Wieso ist das so?“

      Omi erkannte, dass es mit einer kurzen Antwort nicht getan wäre, also wandte sie sich vollends dem kleinen Kind zu. „Nun, das ist wie mit den Blumen, die im Außengehege blühen. Manche davon sind rot, andere sind blau, einige weiß oder gelb. So ist das auch mit den Menschen. Es gibt welche, die sind ganz blass und haben rote Haare, so wie deine Mutter. Andere sind ganz dunkel, so wie ich und wieder andere haben diese Mandelaugen und schwarze Haare. Wir sind alle wie verschiedene Blumensorten.“

      Aura dachte nach. Das klang ganz logisch. „Kann man Menschen auch kreuzen, so wie Blumen? Und hätte der dann rote Haare und eine schwarze Haut?“

      Die alte Frau lachte. „Ja, das ginge schon. Aber das passiert eigentlich nie.“

      „Wieso?“

      „Nun … Um Blumen kümmert sich ein Gärtner, nicht wahr? Und um uns kümmern sich die Gott-Menschen. Sie entscheiden, welche Menschen … ja, sich kreuzen. Wenn man alle Blumen miteinander kreuzt, sehen sie irgendwann gleich aus. Das wäre bei uns Menschen auch so. Also bestimmen die Gott-Menschen, wer sich mit wem kreuzt, damit es möglichst alle Sorten gibt.“

      Das war dann doch etwas zu kompliziert für Aura. Außerdem gefiel ihr die Idee eines Menschen, der Omis Haut und das Haar ihrer Mutter hätte. Das würde ziemlich lustig aussehen.

      Eines sehr heißen Abends begann Aulis plötzlich heftig zu schreien. Panisch hielt sie sich den runden Bauch. Schnell kamen einige Gott-Menschen, um sie in einen Untersuchungsraum zu bringen. Unruhig hatten die anderen Menschen das mitangesehen. Die Chips unter ihrer Haut blinkten. Aura wurde zu Omi gebracht, die sie so lange im Arm wiegte, bis sie einschlief.

      Ihre Mama hatte Wehen bekommen.

      Doch dafür war es eigentlich noch zu früh.

      Aulis war viele Tage verschwunden. Niemand wusste, ob sie wiederkommen würde. Wenn Aura jemanden nach ihr fragte, sahen sie oft weg oder wechselten das Thema. Sie fühlte sich schrecklich einsam. Als Aulis die meiste Zeit in ihrem Bett verbrachte, hatte sie sie zwar auch kaum gesehen, doch hatte sie gewusst, dass ihre Mutter ganz in der Nähe war. Nun war da niemand, an den sie sich kurz vor dem Einschlafen kuscheln konnte.

      Omi versuchte, Aura auf andere Gedanken zu bringen. Doch das Kind hatte zu Nichts Lust und sah nur immer wieder traurig zu der Tür, hinter der Aulis verschwunden war.

      Als die Luft schon ganz schwül war und man spürte, dass bald der Regen kommen würde, öffnete sich die Tür des Untersuchungsraumes wieder. Ganz langsam kam Aulis heraus, auf ihrem Arm ein kleines Baby, das in beige Tücher gewickelt war.

      Aura lief sofort auf ihre Mutter zu, um sie zu umarmen, doch Aulis hatte Schmerzen, wenn man ihren Bauch berührte, also hielt sie ihre Tochter auf Abstand. Sofort schossen Aura Tränen in die Augen. Sie wollte doch nur zu ihrer Mama, aber die hatte fast nur Augen für den Säugling.

      Neugierig schielten auch die anderen Menschen darauf.

      „Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“

      „Ist es gesund?“

      „Wieso warst du so lange weg?“

      „Wie heißt es?“

      Aulis bat mit einer Geste um Ruhe. „Es geht uns gut, ja. Irgendetwas hat nicht gestimmt und die Gott-Menschen haben viele Untersuchungen gemacht, aber jetzt geht es wieder. Und das hier ist mein Sohn Autesion.“

      Aura fand den Namen bescheuert.

      Ihr Vater – und auch der Vater ihres Bruders – blickte kurz auf das Kind, dann wandte er sich wieder anderen Beschäftigungen zu. Aura näherte sich ihrem Bruder vorsichtig, durfte ihn aber nie halten. „Nicht, dass du ihn fallen lässt“, sagte ihre Mutter dann immer.

      Aulis bewachte ihren Sohn wie den größten Schatz auf Erden. Für Aura hieß das, dass sie nun zurückstecken musste. Und alt genug, um mit Autesion etwas anzufangen, war er auch nicht. Er lag einfach nur hilflos rum und quakte.

      Ihre Mutter hatte seit seiner Geburt eine Narbe auf dem Bauch. Man würde sie nicht mehr für die Zucht einsetzen.

      Auras Haare wuchsen. Als sie ihr bis zum Kinn reichten, begannen die Gott-Menschen, mit ihr ein Spiel zu üben, das ihr sehr gefiel, auch wenn es oft anstrengend war. Es war immer der gleiche Gott-Mann, mit dem Aura spielte: er machte eine bestimmte Bewegung oder Geste und wenn sie richtig darauf reagierte, bekam sie ein Stück Orange oder Melone. Wenn er beispielsweise seine Hand vor sich hielt, die Handfläche zu Aura gerichtet, musste sie wiederum ihre so dagegenhalten, dass Daumen an Daumen, Zeigefinger an Zeigefinger, und so weiter, lagen. Dann bekam sie ein Stück Obst und freute sich. Es gab viele solcher Gesten und Aura lernte schnell. Nur wenn der Gott-Mann mit einem Finger gegen seine Wange klopfte, zögerte sie. Er wollte dann, dass sie ihm einen Kuss auf seinen grauen Anzug gab, doch sie mochte das Gefühl des Materials an ihren Lippen nicht. Als der Gott-Mann erkannt hatte, dass sie durchaus verstand, was er wollte, sich aber dagegen sträubte, erhöhte er die Belohnung. Und was war schon ein kurzer Moment des Ekels gegen eine Handvoll Nüsse?

      Sie hatte sich ihr Leben mit einem kleinen Bruder spannender vorgestellt, doch

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