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sie Karls tadelnden Blick. Sie wollte zum Fischstand hinübergehen, aber er meinte, morgen sei auch noch ein Tag. Weiter ging es in Richtung Goethestraße. Sophie blieb vor dem Schaufenster von Jil Sander stehen und schaute auf ein Kleid mit tiefem V-Ausschnitt, Bustier und langen Schlitzen auf beiden Seiten.

      »Sieh dir das graue Kleid an! Ist es nicht wunderschön?« Sophie blickte sehnsüchtig in die Auslage.

      »Gehen wir hinein und du probierst es an!« Karl öffnete die Ladentür.

      »Nein, nein, nein, ich brauche kein Kleid.« Sophie drehte sich weg.

      »Lass mir den Spaß, das sieht gewiss fantastisch an dir aus.«

      Mit gequältem Gesicht betrat Sophie den Laden und verließ ihn kurz darauf mit dem Fummel, passenden Pumps, Parfum und einem Seidenschal. Karl schluckte, als er vernahm, dass die achthundertneunzig Euro für die Schuhe nichts gegen die dreitausendfünfhundert für das Kleid waren.

      Sophie zog den Stoff ein Stück aus der Tüte und strich ihn über ihre Wange. »Diese Mischung aus Kaschmir und Seide ist vollkommen!« Sie gab Karl einen Kuss.

      »Übrigens, morgen Abend sind wir auf dem Immobilienball, hatte ich das erwähnt?«, äußerte Karl beiläufig.

      »Du sagtest etwas davon, aber nicht, wann er stattfindet. Ein Ball sagst du? Ich besitze keine Abendgarderobe. Hugo ist nie mit mir auf einem Ball gegangen.« Mit einem gemischten Ausdruck von Entsetzen und Hilflosigkeit blieb sie abrupt stehen und blickte Karl ins Gesicht.

      In diesem Moment standen sie vor dem Versace - Laden. »Komm, wir finden hier ein Kleid«, meinte Karl, während er Sophie in das Geschäft zog. Sie sollte aussehen wie eine Prinzessin. Alle sollten sehen, was er noch an Land ziehen konnte. Sophie war ein Bild von einer Frau. Er war stolz auf seine Eroberung. Diese Dame liebte es, auszugehen. Sie war die perfekte Frau an seiner Seite.

      Sophie probierte eine Reihe von Roben an. Die Wahl fiel auf einen Traum in Silberweiß. Die linke, silberfarbene Hälfte war sehr kurz geschnitten, die andere, weiße Seite bodenlang. Beide Stoffteile wurden in der Mitte vorn und hinten von einer Art Schal überdeckt, der aus weißem Chiffon, mit breiten Silberbändern durchzogen und an die weiße Hälfte angenäht war, doch so locker, dass er an den Füßen bei jedem Schritt flatterte. Ein schmaler, silberner Gürtel umfasste die Taille. Sophies porzellanartiger Teint strahlte. Karl vergaß, den Mund zu schließen.

      »Das ist es!«, lächelte Sophie sanft, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte.

      »Haben Sie passende silberne Schühchen dazu?«, fragte Karl belustigt. Die Verkäuferin baute bereits mehrere Paar vor ihnen auf.

      Als die beiden Richtung Hauptwache schlenderten, meinte Sophie: »Kann man zu dem Kleid Goldschmuck tragen?«

      Karl blieb stehen. »Nicht wirklich - glaube ich zumindest.«

      »In Gold besitze ich wunderschönen Schmuck. Perlen gingen auch oder?«

      »Perlen? Viel zu brav für das Outfit! Mir fällt da was ein: Da vorne ist ein Juwelier, der hochwertige Glitzerteile hat, Strass oder wie das moderne Zeug heißt.«

      Sie liefen zurück in die Goethestraße, bogen in die Schillerstraße ab. Sophie gefielen die Glitzerteile nicht, die ihr der Verkäufer offerierte. »Das ist alles Kitsch für Kinder. Haben Sie etwas Schlichtes, in Grün vielleicht?« Sie verdrehte die Augen, als sie sah, welche Ketten der Herr nun anschleppte.

      »Wir hätten eine Kette aus Swarovskikristallen im Jugendstil«, setzte der Mann an. Eine Kollegin schob ihn sanft beiseite.

      »Ich übernehme das.« Freundlich lächelte sie die beiden an. »Zu was für einem Outfit suchen Sie eine Kette?«

      Sophie holte das Kleid heraus. Die Verkäuferin verschwand nach hinten, kam mit ein paar Schachteln zurück. »Bitte: in Grün, eine venezianische Kette mit Strass, Smaragdimitationen, vierreihige Krappfassung. Sie ist sehr festlich.«

      Karl gefiel das Collier sofort, Sophie war zufrieden. Die Verkäuferin griff nach einer anderen Schachtel. »Was halten Sie davon? Weiß und Silber, matte Kristalle, mit kleinen Mallorcaperlen, zwei Ketten gedreht, dadurch wirkt es modern, nicht bieder.«

      »Haben Sie zu dem Grünen passend Armband und Ohrringe?«, fragte Karl. Die Verkäuferin legte sie ihm vor. Sophie knuffte ihn in den Arm, als ihr zu der hellen Kette Armband und Ohrringe gezeigt wurden, und sagte: »Die smaragdene Kombination ist schön, diese passt jedoch besser zum Kleid, sie hat recht.«

      »Dann nehmen wir beide Kollektionen, ich bin heute in Spendierlaune, ist ja nur Modetinnef«, entgegnete Karl und ging mit federnden Schritten auf die Verkäuferin zu. »Packen Sie alles ein.«

      Die Dame klebte die Aufkleber auf einen Bon. Karl lief zur Kasse. Sophie zwinkerte der Frau zu, während er dem Mann an der Kasse den Bon und seine EC-Karte reichte. Der Kassierer scannte die Klebeetiketten ein und Karl schluckte, als er den Endpreis sah.

      Die Verkäuferin hatte das Tablett mit den Schmuckstücken und den Schachteln herübergebracht. Vorsichtig deponierte der Herr die Prachtstücke in die Boxen und ließ sie dabei durch die Hände gleiten »Schöne Arbeit. Ihre Frau hat Geschmack!«

      Am Abend probierte Sophie das Kleid an, zog die Schuhe an. Karl legte ihr die Kette um den Hals und begutachtete sie, indem er zwei Schritte zurücktrat. Er war überwältigt.

      »Darauf eine Flasche Champagner zum Abendkrimi!«

      »Ich würde lieber den Liebesfilm sehen«, kam es zaghaft von Sophie. »Ich werde wohl gar nicht gefragt?«

      »Dann Liebesfilm!«, gab Karl fröhlich zurück.

      Sophie wurde jäh von einer schrillen Sirene geweckt. Verschlafen rieb sie sich die Augen und orientierte sich im Raum. Langsam wurde ihr bewusst, wo sie sich befand. Woher rührte dieser markerschütternde Ton? Karl sprang hektisch aus dem Bett und raste Richtung Wohnzimmer. Sophie schoss auf, griff nach ihrer Handtasche und dem Handy, rannte hinterher. In ihrem Kopf hämmerte es, sie fühlte Panik aufsteigen, glaubte, die Wohnung stand in Flammen. Beklemmung schnürte ihr den Hals zu, sie meinte, nicht mehr atmen zu können. Halb gelähmt sah sie, wie Karl, nur bekleidet mit Boxershorts, die Tür zur Terrasse aufriss, bis zum anderen Ende der Terrasse hastete und eine Kübelpflanze fotografierte. Der fiese Ton brach ruckartig ab. Er schien aus seinem Smartphone gekommen zu sein.

      »Karl! Spinnst du? Was war das für ein Geheul? Und was machst du da am Blumenpott?«

      Grinsend schlenderte er zur Küchenzeile und hantierte an der Kaffeemaschine. »Entschuldigung. Ich hätte dich vorwarnen müssen. Das war Alarmy

      »Das war was?«, kreischte Sophie.

      »Mein Wecker. Früher hat mich Alex geweckt. Weil ich so fest schlafe. Na ja, ich stelle immer den Wecker aus, denke, nur eine Minute noch, und schon habe ich verpennt.« Karls Tonfall war entschuldigend.

      »Bei dem Gejaule wachen Tote auf! Das ist grauenhaft. Aber wieso rennst du nach draußen?« Sophie schaute ihn unverwandt angewidert an, runzelte die Stirn.

      Karl tippte auf seinem Smartphone herum und zeigte Sophie eine Fotoserie: Der Blumenkübel, die elektrische Zahnbürste, die Toilette, die Kaffeemaschine, die Saftpresse, ein Teil von seinem Hometrainer. Verständnislos blickte sie ihn an. »Ja und?«

      »Die Dinge habe ich fotografiert«, Karl freute sich wie ein kleines Kind, über das ganze Gesicht lachend. »Mit dem Weckton präsentiert mir das Telefon jeden Morgen eins dieser Fotos. Erst wenn ich es abgelichtet habe, hört es auf zu piepsen. Besonders gemein ist der Hometrainer. Ich muss zunächst auf das Fahrrad steigen, um die Ansicht fotografieren zu können. Dann bin ich völlig wach! Genial nicht!«

      Genervt verdrehte Sophie die Augen. »Männer!«

      Karl schaute während des Frühstücks in die Zeitung. Sophie stand auf, beugte sich über den Tisch und guckte ihn über den Papierrand an, zupfte daran. »Hallo, ich bin auch noch da!«

      Er legte das Tageblatt weg, strich ihr über die

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