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zu bändigen. Die kleine Lina schrie aus Leibeskräften. Der Vater bat die Jungen an den Tisch.

      Sophie saß direkt neben Tim und Tom, die gelangweilt mit Besteck und Servietten spielten, sich mit Messer und Gabel imaginäre Kämpfe lieferten und von Martin lachend aufgefordert wurden, es nicht zu toll zu treiben. Endlich wurde die Suppe serviert und die Jungen kamen zu Sophies Glück zur Ruhe. Tim setzte sich platzeinnehmend hin und legte den linken Ellenbogen beim Essen auf den Tisch. Sophie zischte ihn leise an, er möge sich benehmen und sich nicht wie ein alter Opa herumfläzen. Martins Frau ermahnte Tim, sich zu betragen. Nun fing Tom an zu schlürfen, weil es ihm nicht passte, dass sein Bruder die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Tim schlürfte natürlich mit, bis er einen Knuff von Sophie erhielt. Die beiden Jungen rangelten, wobei Sophies Arm angestoßen wurde und sie sich die Suppe auf ihre Seidenbluse kleckerte. Martin drohte nun mit Ohrfeigen. Tim aß seine Bouillon weiter, stellte die Ellenbogen wieder auf den Tisch, legte den Kopf in die Hand hinein. Sophie zog ihm von unten den Arm weg und Tim klatschte mit der Stirn in den Rest der Brühe. Er heulte, Martin versetzte ihm eine Watsche, weil der annahm, Tim sei beim Zappeln hineingefallen.

      Während man auf den Hauptgang wartete, beschäftigten sich die Jungs mit ihren Gameboys, ahmten beim Abschießen von Figuren Kampfgeräusche nach und rutschten dabei unruhig auf ihren Plätzen hin und her. Sophie musste sich zusammennehmen, um nicht wütend herauszuplatzen. Diese ungezogenen Kinder hätten keine Erziehung genossen, ließ sie Karl leise wissen. Die Hauptspeise wurde serviert. Die Jungen bekamen Jägerschnitzel mit Pommes. Tim hantierte ungeschickt mit Messer und Gabel. Sophie flüsterte ihm zu, er solle seine Gabel halten wie sie, nicht wie eine Mistforke. Er müsse das Schnitzel nicht erstechen, das Schwein sei schon tot. Sie zeigte ihm, wie man mit dem Messer schneidet, nicht drückt.

      »Schau, wie ich das mache. Wie jemand isst und wie er sein Besteck anpackt, kann viel über seine Umgangsformen und seinen Charakter aussagen«, dozierte Sophie.

      Von Martin erhielten die Brüder einen bösen Blick. Nun probierte Tim mit theatralischer Eleganz, sein Fleisch zu schneiden, was ihm anfänglich gelang. Doch plötzlich rutschte ihm das Messer ab und ein soßegetränktes Stück flog in Richtung Sophie und landete auf ihrer cremefarbenen Kostümjacke. Sie hielt den Atem an. »Ach, so ist das, wenn man übt. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!«, gab sie verkniffen in die Runde. Unter dem Tisch stellte sie ihren spitzen Absatz auf Tims Fuß und trat einmal heftig zu.

      Zur gleichen Zeit hatte Tom nach dem Ketchup gegriffen. Er drückte auf die Flasche, versuchte seine Pommes frites zu beklecksen. Da er sie nicht geschüttelt hatte, gab die Flasche nur furzartige Geräusche von sich, die Tom beim weiteren Pressen imitierte. Immer wieder quetschte er, jedes Mal stärker, bis endlich spritzend der Ketchup herausschoss. Leider hatte er sich auf das Quetschen konzentriert und dabei übersehen, dass er die Plastikflasche stetig höher und schräger gehalten hatte. Auf diese Weise regnete der rote Brei über den ganzen Tisch und alle Anwesenden bekamen ein paar Kleckser ab. Sophie stöhnte. Tom erhielt nun von der Mutter einen Klaps an den Hinterkopf. Das breite Grinsen von Sophie verspottete ihn und er schwor auf Rache.

      Am nächsten Tag traf man sich zum Gottesdienst. Sophie wurde übel, als ihre Nase den Weihrauchgeruch aufnahm. Die Orgel spielte schiefe Töne. Merkte niemand, wie verstimmt das Instrument war? Nachdem der Pfarrer die Eingangsworte gesprochen hatte, setzte sich die Gemeinde und eine Gesangsstimme auf der Empore hob zum Ave Maria an. Sophie meinte Zahnschmerzen zu fühlen. Die hohe Stimme der Sängerin lag meist ein bis zwei Töne daneben. Vorsichtig kramte Sophie die Ohrstöpsel ihres iPhones hervor, die im Gerät steckten, das sich in der Innentasche ihrer Jacke befand. Sie drapierte ihre langen Locken über die Schulter, zupfte an ihrem Seidenschal und lächelte. Sie war sicher, dass die Kabel nicht zu sehen waren. Die leisen Geräusche aus den In-Ohr-Stöpseln konnten auch die Sitznachbarn nicht vernehmen, da sie neben einer Säule saß. Tim und Tom kabbelten sich geräuschlos neben ihr. Karl saß vorne, denn er sollte Taufpate von Lina werden. Sie drückte die Starttaste ihrer Playlist. Nun war es ihr egal, welch weltfremdes Zeug der Pfarrer schwätzte. Entspannt genoss sie die Predigt, die völlig an ihr vorbeiging. Sie stand auf, sobald die Kirchgänger aufstanden, und setzte sich, sowie das alle taten.

      Irgendwann später traten die Eltern mit Lina zum Taufbecken, ebenso Karl und die Taufpatin. Die Gemeinde erhob sich und Sophie beugte sich dabei ein Stück nach vorn. In diesem Moment schaute Tim zu ihr hoch und bemerkte das Kabel, das zu ihren Ohren führte. Aus der Jackentasche lugte das Handy hervor. Er flüsterte mit Tom.

      Tim stupste Sophie an, zeigte nach oben, auf das bunte Glasfenster, durch das die Sonnenstrahlen sich weich von außen brachen. Sie bewunderte das Fenster. Vorsichtig robbte Tom heran, zog mit Bedacht am Stecker des Handys, zupfte ihn aber nur ein wenig heraus. Gleichzeitig strich Tim Sophie über die Schulter, pustete und entfernte imaginäre Fussel. Sophie bedankte sich und stockte. Die Musik aus dem Kopfhörer wurde unterbrochen und Tom fummelte an den Schnallen ihrer Schuhe, versuchte sie zu öffnen. Dafür erhielt er eine leichte Ohrfeige. Die Leute hinter dem Trio machten »Pscht!«

      Sophie schaute nach dem iPhone. Das Kabel steckte. Wahrscheinlich hatte ihre Drehung die Stopptaste ausgelöst. Das passierte bei geringster Berührung. Ihr Daumen drückte auf Start, der Pfarrer goss dem Baby Wasser über das Köpfchen und laut hallte aus dem iPhone Madonna durch die Kirche: »Papa Don‘t Preach!«

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