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Abschiedsbrief an die Liebe. Patrick Sandro Nonn
Читать онлайн.Название Abschiedsbrief an die Liebe
Год выпуска 0
isbn 9783738039399
Автор произведения Patrick Sandro Nonn
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ja, es waren phantastische Ideen. So prickelnd wie das Leben sein sollte. Ganz sicher hätte dieser Urlaub sie endgültig von ihrem Exfreund losgerissen. Losgerissen und fortgeweht, damit ich sie auffing. Wie jede andere Seifenblase, die ich mir im Leben zurecht geträumt habe zerplatzte auch diese. Sie explodierte schillernd bunt an der Ecke eines Briefumschlages, der eine schriftliche Absage enthielt. In diesem Brief entschuldigte sie sich hundertmal bei mir dafür, das sie zu ihrem Exfreund zurückgefunden habe, erklärte, ihr sei dieser Neuanfang wichtig und dass sie es sehr bedauere, mich, der ich zuerst da gewesen sei, zurückzuweisen. Ich fegte die Trümmer meiner Träume zusammen und erlebte einen recht eindringlichen Tagtraum, in dem ich sie genussvoll erwürgte. Keine Panik, sie lebt noch, ist mittlerweile verheiratet und steht im Telefonbuch. Ich träume halt zu gerne. Am Rande registrierte ich, wie sie mit ihrem Exfreund zusammenzog, sich ein halbes Jahr später endgültig von ihm trennte und einen neuen Partner fand. Unterdessen war ich mir sicher, dass ich sie viel lieber als Freundin im für mich üblichen Sinne an meiner Seite habe. Ich schätze sie viel zu sehr, um lange nachtragend zu sein.
Außerdem bin ich ja flexibel und suche gerne nach Ersatz. Da gibt es jemanden, der zu genau diesem Zeitpunkt wieder ins Zentrum meiner wankelmütigen Aufmerksamkeit rückt. Ein wunderschönes Mädchen, welches noch ein paar Monate lang siebzehn sein wird und sich gerade von ihrem Freund getrennt hat.
Es ist nicht mehr lange hin bis zur großen, obligatorischen Party. Denn bald steht mein achtzehnter Geburtstag vor der Tür.
Auf dieser unausweichlichen Fete muss ich sie unbedingt auf diese Trennung und auf meine unauslöschlichen Gefühle zu ihr ansprechen. So ist es geplant. Ist doch klar, das bist du, liebes Steffichen.
Die Party an sich war ein voller Erfolg. Alle die ich kennen gelernt habe, versammelten sich in unauflöslichen Klümpchen im Jugendheim meines Heimatdorfes. So etwas wie Stimmung kam absolut nicht auf, und zu allem Überfluss hatte ich die ganze Zeit die bekloppte Idee im Hinterkopf, dich unbedingt nach draußen vor die Türe zu bitten, und dich mit meinen tief verwurzelten, dich betreffenden Gefühlen zu konfrontieren.
Daraus erwuchs sich, wie gehabt, mal wieder ein Desaster. Ich dachte, es freut dich vielleicht zu hören, dass es da jemand gibt, der dich von ganzem Herzen so liebt, wie du bist, der obendrein auch noch dein bester Kumpel ist. Fehlanzeige. Ganz im Gegenteil. Schon bin ich wieder der miese Verräter. In dieser Hinsicht stellt sich langsam Routine ein.
Der Frühling verging, der Sommer mit seiner elenden Hitze näherte sich. Im letzten Drittel des schönsten Jahres meines Lebens mussten wahlweise Janette, Diana I und II, Alexandra (ohne etwas zu wissen, ohne das ich etwas sagte) und trotz allem natürlich du, für die Projektion meiner romantischen Gefühle herhalten.
Noch etwas lernte ich gut und immer intensiver kennen, weil du mich nicht wolltest. Die seelische Nacht. Meine dunkle Seite, die erstmals im fünften Schuljahr mit höllischer Wut aufflammte, und jetzt, da ich noch öfter Teichoskopie betrieb und ernsthaft an einem rachedurstigen Krimi schrieb, zunehmend eine deutlichere Gestalt annahm. Ich machte die zweifelhafte Bekanntschaft von Wut, Bosheit und Sadismus. Der Weg dahin erschien mir ganz logisch. Darf die Liebe nicht existieren, muss sie durch eine gleichwertige Emotion ersetzt werden. Einsamkeit kann das nicht leisten. Nur der Hass ist der Liebe ebenbürtig. Ich begann dich zu hassen, bis aufs Blut. In meinem Krimi malte ich mir Szenen voller Rachsucht und Folter aus und schrieb sie auf. Ich quälte und tötete erfundene Opfer stellvertretend für dich. Ich bestrafte sie für ihren Hochmut und ihre Schmähungen. Hass und Wut rauschten durch meine Adern. Ich giftete vor mich hin. Wenn das die einzige funktionierende Art war, dich aus meinen Gedanken und aus meinem Leben zu tilgen, würde ich sie eben ausüben. Rache. Rache hieß eine jener miesen Ideen, die ich in die kosmische Ursuppe meiner kochend vor sich hin pubertierenden, sich wandelnden und täglich neu formenden Persönlichkeit warf. Da ich nichts lieber tue, als lernen, wachsen und auf Perfektion hinarbeiten, fest an die Notwendigkeit des Gleichgewichts aller Kräfte und der Existenz eines Weltenschöpfers glaube, ist das Endprodukt heute ein anders, als das, worüber ich damals spekulierte. Das höchste Ziel auf Erden ist für mich, Schriftsteller zu werden. Ehe ich dir meinen ersten Krimi vorsetze, sollst du doch wenigstens wissen, warum ich so gerne Krimis schreibe. Die kratzen eben nicht nur an der Oberfläche, nein dabei geht es um Abgründe. Abgründe, auf die jeder, der einmal seine Seele erforschen muss, stoßen wird, ob es ihm gefällt oder nicht. Ich möchte gerne spannende Geschichten aus den verschiedensten Genres erzählen. Allen voran diese. Denn über die ersten, vom Zorn versprengten Seiten, bin ich zur Schriftstellerei gekommen. Die Phantasie hält so vieles für einen bereit. Man darf sie sich nur nicht abgewöhnen. Schlussendlich ist die Idee der Anfang von allem. Die Idee, dich nach meiner Geburtstagsparty aus meinem Leben verbannen zu müssen, um endlich wieder etwas Qualität in mein Dasein zu beringen, war der schwerste Felsbrocken, den ich jemals in die Ursuppe meiner Gefühlswelt fallen ließ. Es bildeten sich nicht bloß Wellen, nicht bloß konzentrische Kreise um ihn. Er brachte das Meer zum Schäumen und Kochen. Niemand kann sich vorstellen, wie befreiend ein Wutanfall ist, wenn man dem brennenden, höllischen Feuer den Weg zur Oberfläche ebnet, wo es seine Macht austobt, um nichts als Wüste, Ödnis, Asche und verbranntes Land zu hinterlassen. Ja, ich meine damit die Seele, die sich durch einen solchen Befreiungsschlag Luft und Raum verschafft, deren tägliches Zitterspiel um Stabilität und Ausgeglichenheit einen Teilsieg erringt, wenn beides, Tag und Nacht existieren darf. Meine Wut blieb sinnlos, um niemandem gefährlich zu werden. Meistens war ich sauer auf mich selbst. Heute, an diesem Tag, da ich diese Zeilen schreibe, weiß ich, der Grund dafür war die unsterbliche Liebe.
Sie ließ alle anderen Seifenblasen zerplatzen. Luftballons, die eine spitze Nadel treffen. Peng. Wie eine Nadel so gut wie jedes Material durchdringt, drängte sich die Liebe, meine