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Atom­bom­be. Aber ich ge­be mir Mü­he, es nicht zu tun. Ich weiß näm­lich lei­der nur zu gut, wie sehr ich mich mög­li­cher­wei­se von mei­ner Wut mit­rei­ßen las­se, weil sie ge­nau so stark wie mei­ne Lie­be ist. Las­se ich es zu, dass ich vor Zorn ex­plo­die­re, zer­reist es mich. Ich wer­de zur to­ben­den Bes­tie, ob­wohl ich es gern ver­mei­den wür­de. Du wirst je­doch nicht dar­an vor­bei­kom­men, dass ich dir spä­ter noch mehr dar­über er­zäh­le. Er­zäh­len muss. Du weißt si­cher warum.

      Wie al­so lie­fen un­se­re Tref­fen ab? Sie wa­ren der Schnitt­punkt zwi­schen Him­mel und Höl­le auf Er­den. Hier lag das Zen­trum in dem Glück und Verzweif­lung, Hoff­nung und Re­si­gna­ti­on, Vor­freu­de und bit­te­rer Nach­ge­schmack ge­schmol­zen und zu ei­nem Ge­fühl fest­ge­brannt wur­den: Lie­be. Hilflo­se, un­er­füll­te, bren­nen­de, zärt­li­che und un­end­lich ver­letz­ba­re Lie­be. Lie­be, die du nie­mals be­grif­fen hast. Ich ha­be lei­der auch nie ver­stan­den, warum mei­ne Lie­be so un­mög­lich und un­ver­zeih­lich sein soll­te. Ich dach­te, Lie­be und Zu­nei­gung, eben je­ne un­aus­sprech­li­chen, zärt­li­chen Ge­füh­le wür­dest du ken­nen, viel­leicht so­gar wie­der­ent­de­cken, wenn du dir nur mei­ne Au­gen an­schaust. Mei­ne di­cken Bril­lenglä­ser schir­men wahr­schein­lich zu viel von mei­nen Emp­fin­dun­gen ab, als das je­mand sie sieht. Ei­ne bö­se Idee, die ich ha­be und die mir zu tref­fend er­scheint, um sie un­er­wähnt ver­schwin­den zu las­sen ist, dass du zu sehr an der Ober­flä­che kratzt, um mei­ne tief­schür­fen­den Emo­tio­nen nach­zu­emp­fin­den. Ich hof­fe sehr, das ist nicht der Fall. Hoff­nung ist ei­ne an­de­re Sa­che, die ich mir im Be­zug auf mei­ne Emo­tio­na­li­tät ab­ge­wöhnt ha­be. Ich glau­be an gar nichts mehr. Das ich noch mal der Lie­be, der ech­ten, wah­ren auf­rich­ti­gen und vom Ge­gen­über er­wi­der­ten Lie­be be­geg­ne, nein, das hal­te ich mitt­ler­wei­le für un­mög­lich. Sen­za una Don­na. Das scheint mein Schick­sal zu sein. Zum Teil fürch­te ich mich nicht mehr da­vor. Der an­de­re Teil, der an­de­re Teil, rea­giert auf die­se Idee um­so hys­te­ri­scher. Al­so den­ke ich so we­nig wie es geht dar­über nach. Ich ver­su­che ein­fach nach Er­satz Aus­schau zu hal­ten, nach ei­ner Frau, die auf­grund ih­res Cha­rak­ters, ih­rer In­tel­li­genz und ih­rer Schön­heit, ein sü­ßes Mäd­chen na­mens Ste­pha­nie aus mei­nem Her­zen ver­drän­gen könn­te.

      Ei­ne jun­ge Frau, die die Erin­ne­rung an dich un­wich­tig macht und sie mög­li­cher­wei­se so­gar aus­löscht. Ei­ne Frau, ein Mäd­chen, das mich ver­ges­send macht, so ver­ges­send, dass ich nicht ein­mal mehr von dei­ner Exis­tenz et­was weiß. Ei­ne eben­bür­ti­ge Kon­kur­renz. Ir­gend­wie scheint das wich­tig zu sein, denn du willst es ja auch so. Du freust dich un­heim­lich, wenn ich je­man­den fin­de, der mei­nen Seh­süch­ten ent­spricht. Du freust dich fast zu sehr. So sehr, dass ich im­mer miss­trau­isch wer­de, wenn ich an­deu­te, dass ich mög­li­cher­wei­se Er­satz für dich ge­fun­den ha­be.

      Die Suche nach Ersatz

      Oh ja, Er­satz. Ich ha­be so oft Er­satz für dich ge­sucht. Ir­gend­wann ha­be ich auf­ge­hört zu zäh­len. Ab ei­nem un­be­stimm­ten, weil in der Erin­ne­rung, ver­schüt­tet ge­gan­ge­nen Zeit­punkt, war ich fest da­von über­zeugt, ich wür­de mich um­ori­en­tie­ren. Die bit­te­re, mir heu­te be­kann­te Wahr­heit lau­tet: Ich such­te kei­ne Neue, ich such­te Er­satz. Das ers­te Mal, dass ich mich dar­an er­in­ne­re, war es Sil­ke.

      Un­se­re Le­bens­läu­fe trenn­ten sich ge­ra­de end­gül­tig, du warst im zehn­ten Schul­jahr, ich muss­te mich auf der neu­en Schu­le zu­recht­fin­den. Da­mit ha­be ich zwar Schwie­rig­kei­ten, aber es reizt mich auch, et­was Neu­es ken­nen zu ler­nen. Ich bin ver­ses­sen auf das Neue. Da­zu ge­hört auch Sil­ke. Ihr lan­ges, was­ser­stoff­blon­des Haar ging ihr bis zur Hüf­te, sie war un­be­deu­tend voll­schlan­ker, als der von mir an­ge­nom­me­ne Op­ti­mal­zu­stand, aber sie war da und durch ih­re stets et­was me­lan­cho­li­sche Stim­mung für einen Neun­zigPro­zentSan­gui­ni­ker äu­ßerst fas­zi­nie­rend. Ich ha­be sie so­gar mal pri­vat ge­trof­fen. Sie such­te al­ler­dings lei­der nur ei­ne Schul­ter zum An­leh­nen und aus­heu­len, die ich ihr nicht bie­ten konn­te. Als ich das aus se­kun­därer Quel­le er­fuhr ver­flog die Be­geis­te­rung, denn für so et­was ist Zeit viel zu kost­bar. Ich tau­ge nicht als Trä­nen­schwamm für Leu­te, die nichts Bes­se­res zu tun ha­ben, als größ­ten­teils grund­los Trüb­sal zu bla­sen. Da­zu ge­be ich mich nicht her. Ich bin Ent­de­cker, neu­gie­rig aufs Le­ben.

      Aus­weg, be­zie­hungs­wei­se Flucht Num­mer zwei, vor der ganz großen Lie­be hieß Ve­re­na. Irr­sin­ni­ger­wei­se war ich ihr schon auf der Ab­schluss­fahrt der Haupt­schu­le be­geg­net und da­mals tie­risch in ih­re Cou­si­ne An­ke ver­knallt. Als ich Ve­re­na nun in An­der­nach wie­der sah, än­der­te sich das schlag­ar­tig. Lei­der war sie je­doch noch schüch­ter­ner als ich. Je­mand der so­wie­so schon schüch­tern ist, wird nicht ger­ne zu­rück­ge­wie­sen. Al­so gab ich nach ei­ner ge­schei­ter­ten Ein­la­dung zu ei­nem Eis­be­cher an ei­nem hei­ßen Som­mer­tag des Jah­res 1995 sang und klang­los auf. Ich über­leg­te, ob ich mir das Ge­fühl, ver­liebt zu sein, nicht bes­ser ganz ab­ge­wöh­nen soll­te. Ich ver­such­te es, aber es funk­tio­nier­te nicht wirk­lich, denn kaum das ich Ve­re­na ste­hen ließ, ent­deck­te ich Dia­na aus mei­ner Par­al­lel­klas­se.

      Dia­na war groß, schlank, hat­te kur­ze blon­de Haa­re, einen fes­ten Freund, manch­mal zier­ten ro­te Pi­ckel ihr um­wer­fend sü­ßes Ge­sicht. Man konn­te sich wun­der­bar mir ihr un­ter­hal­ten, mor­gens vor Un­ter­richts­be­ginn oder in den Pau­sen, ris­kier­te da­bei je­doch, dass man sich der ei­ge­nen Klas­se ent­frem­de­te, denn Leu­te aus Par­al­lel­klas­sen kön­nen sich üb­li­cher­wei­se nicht rie­chen. Mir war so et­was Klein­ka­rier­tes ei­gent­lich im­mer egal, aber ich bin ja auch ein Ket­zer.

      Dia­na er­zähl­te oft vom Zoff mit ih­rem Freund, was mir als ge­dul­dig War­ten­dem Grund zu ir­ra­tio­na­ler Hoff­nung gab. Lei­der schi­en sie nicht von ihm los­zu­kom­men, dar­um gab ich halt das Hof­fen auf. Ich wand­te mich wie­der mei­ner ei­ge­nen Klas­se und mei­ner Cli­que zu, einen gu­ten Freun­des­kreis wie die­sen durf­te man nicht ver­nach­läs­si­gen. Ei­gent­lich war mein Be­darf an Schu­le ge­deckt. Da­für be­kam ich dann auch die üb­li­che Quit­tung. Doch das Jahr, das ich in der Be­rufs­fach­schu­le in An­der­nach wie­der­hol­te, wur­de ei­nes der schöns­ten in mei­nem bis­he­ri­gen Le­ben. Der Ge­dan­ke an die­ses Jahr ist die ein­zi­ge wirk­li­che Sen­ti­men­ta­li­tät, die ich mir gön­ne. Zum ers­ten Mal ge­hör­te ich ei­ner Cli­que an, mit den un­ter­schied­lichs­ten Cha­rak­teren, die trotz­dem al­le gut mit­ein­an­der aus­ka­men. Leu­te, die Par­tys zu­sam­men fei­er­ten, wie ich sie bis zu die­sem Zeit­punkt nie er­lebt hat­te. Denn hier ge­hör­te ich mit da­zu. Das zu wis­sen, be­deu­tet un­ge­heu­res Glück für einen no­to­ri­schen Au­ßen­sei­ter. Vi­el­leicht pass­ten wir so gut zu­sam­men, weil wir al­le ein biss­chen Au­ßen­sei­ter wa­ren. Oder weil un­se­re Klas­se in zwei Cli­quen ge­spal­ten war. Ein Mäd­chen aus die­sem Freun­des­kreis ha­be ich schon ein­mal er­wähnt: An­ja.

      Ich ver­lor mich im Glanz ih­rer Au­gen. Ich war hin­ge­ris­sen von ih­rer weib­li­chen, aber nicht zu be­tont weib­li­chen Fi­gur. Ihr Haar, nicht blond son­dern dun­kel­blond, fast brü­nett, hat­te traum­haf­te Schul­ter­län­ge. Es um­rahm­te sei­dig ihr Ge­sicht, ih­re aus­ge­präg­ten, in­dia­nisch an­mu­ten­den Wan­gen­kno­chen,

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