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Bart und unter dem eisernen Helm verbarg.

      „Du hast Ehre und Verstand, Domhnall“, sagte Kellen und ließ sich neben ihm nieder. „Murddin kann froh sein, einen solchen Gefährten zu haben.“

      Der große Krieger nickte.

      „Allerdings, Häuptling Kellen. Und mein Verstand sagt mir, dass Murddin Glück hat, noch am Leben zu sein.“

      Domhnalls banger Blick wanderte zum Fürsten, der noch immer einer Statue gleich auf seinem Felsen saß und in die Weite des Waldlandes blickte.

      „Es heißt, Morcant verzeiht Kriegern nicht, deren Zorn und Angst mächtiger sind als der Verstand“, fügte Domhnall hinzu.

      Kellen zog die Augenbrauen hoch. „Es wird viel über Morcant geredet. Es ist viel Unsinn dabei.“

      Der Krieger sah ihn fragend an.

      „Aber in diesem Fall stimmen die Geschichten über ihn“, ergänzte Kellen und sah in Domhnalls erschrockenes Gesicht. Dann fing er an zu lachen. Der Krieger zögerte einen Moment, dann lachte auch er.

      Kellen wachte zitternd auf. Ihm war kalt. Je näher sie den Großen Bergen kamen, desto weniger Kraft hatte der Frühling. Er lauschte. Kein Grillenzirpen, kein Kreischen, keine Stimmen. Aber es war hell. Und das bedeutete, dass Morcant bereits wach sein musste. Der Fürst war immer der Erste, der aufstand, seine Dinge ordnete und - natürlich - seinen Blick in die Ferne richtete. Er war stark, klug, diszipliniert und sehr seltsam. Die Frage, ob man ihn mochte oder nicht, stellte sich nicht, denn Morcant war den Menschen, die ihn umgaben, fremd und fern. Andererseits fürchteten und achteten sie ihn, weil er ein guter Fürst war. Gerechtigkeit, Ordnung und Wohlstand waren ihm wichtiger als Ruhm und Ehre. Kriege vermied er, wenn es ging. Falls er aber doch ins Feld ziehen musste, dann mit einer Härte und Schlagkraft, die seine Gegner zittern ließ. Und er war ein Mann, der Handel trieb. Mit anderen keltischen Stämmen tauschte er Tuch, Vieh, Werkzeuge, Waffen und Salz - für den Bedarf seines Volkes, aber auch für Händler aus fernen Ländern. Immer häufiger kamen Etrusker und Griechen aus dem Süden, Germanen und Britannier aus dem Norden, weil sie wussten, dass in Morcants Dörfern all das zu bekommen war, was im Volk der Kelten Wert hatte. Sein Stamm war mächtig und reich. Und an die letzte Hungersnot konnten sich nur noch die Alten erinnern.

      Aber Kellen wusste eben auch, dass der Fürst vielen in seinem Volk ein Rätsel war. Sicherlich, weil er den Kampf scheute. Obwohl er mit dem Schwert umgehen konnte wie nur wenige andere, schmückte kein einziger Schädel sein Haus. Und er trug noch nicht einmal einen Bart. Morcant war sehr weit weg von dem, was Männern wie Breac oder Murddin wichtig war. Kellen hätte Morcant dafür mögen können, wenn das möglich gewesen wäre. Er musste lächeln, als er sich fragte, ob auch der Fürst schon eine Grille zerteilt und untersucht hatte. War ihm so viel Neugier zuzutrauen? Sicher. Aber wer wusste schon genau, was in Morcants Kopf vorging? Bei den Göttern! Morcant hätte mit einem Heer hierher ziehen können. Stattdessen hatte er eine Handvoll Männer mitgenommen. Ein Wagnis, dessen Sinn Kellen nicht ganz verstehen konnte.

      Ein Schleifen und Stapfen. So leise, fast hätte es Kellen überhört. Da war jemand, jemand der tunlichst darauf achtete, nicht bemerkt zu werden. Vorsichtig schob Kellen sein Fell beiseite und legte die Hand auf den Griff seines Schwertes. Von seiner Nische aus konnte er liegend nur in zwei Richtungen sehen. Niemand. Gut. Wer auch immer sich in das Lager schlich, hatte ihn aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht entdeckt. Lautlos und langsam zog Kellen das Schwert aus der Scheide und setzte sich behutsam auf. Er blieb in der Hocke, lehnte sich gegen den kühlen Fels und lauschte. Das Schleifen war etwas lauter geworden. Nun hatte sich auch ein tiefes Schnaufen dazugesellt. Das war kein Mensch!

      „Wer weiß, ob die Feuerfresser nicht eines Tages Hunger auf Menschenfleisch bekommen.“

      Hatte Murddin recht gehabt? Kellen fröstelte. Falls ja, dann wäre es ein kurzer Kampf. Gegen Geschöpfe aus dem Dunkelreich konnten Menschen niemals bestehen.

      Er schloss die Augen, dachte nach. Würden Feuerfresser nicht aus der Luft angreifen? Dann wären sie im Vorteil. Andererseits: Machte das wirklich einen Unterschied? Was hatten sie schon von ein paar Menschen zu befürchten?

      Steine bröckelten, bahnten sich ihren Weg über Fels und Geröll. Ein kurzes empörtes Brummen. Das Geschöpf war nahe - sehr nahe! Fliehen konnte Kellen nicht mehr. Seine einzige Chance war ein schneller Überraschungsangriff.

      Kellen spannte seine Muskeln an. Mit aller Kraft sprang er in die Höhe - und blickte in den Höllenschlund: scharfe Zähne, das Dunkelrot eines weit aufgerissenen Mauls und ein dumpfes zerstörerisches Brüllen. Noch ehe der Häuptling einen Hieb führen konnte, traf ihn ein Schlag mit der Wucht eines Baumstamms an der Schulter. Er stürzte und schlitterte drei Mannslängen weit über den blanken Fels. Arme und Beine schmerzten. Mit allem, was er aufbieten konnte, hielt er den Schwertgriff umklammert.

      Ein lautes Brüllen. Vor ihm baute sich die Bestie zu ihrer vollen Größe auf. Sie hatte dichtes, dunkelbraunes Fell und hätte Kellen um bestimmt zwei Köpfe überragt, wäre er noch auf den Beinen gewesen.

      Kein Feuerfresser, ging es ihm durch den Kopf und er spürte ein wenig Erleichterung. Obwohl es seine Lage kaum besser machte, denn der Bär kam nun direkt auf ihn zu. Kellen rollte sich nach hinten weg und kam mit Schwung wieder auf die Beine.

      „Haaaa!“, schrie er so laut er konnte und hob das Schwert. Der Bär zuckte und blieb stehen. Verunsichert schüttelte er sich. Dann ging er wieder zum Angriff über. Eine Klaue schnellte vor und verfehlte Kellen nur knapp.

      Abwarten!, befahl sich der Häuptling. Noch gefährlicher als ein wütender Bär war ein verwundeter wütender Bär. Sein erster Hieb musste ihn tödlich treffen!

      Er wich ein paar Schritte zurück und hielt inne, als sein Tritt ins Leere ging. Das Plateau endete hier und fiel schroff gute fünf Mannslängen in die Tiefe hinab. Und der Bär war nahe. Zu nahe, um noch einen starken Hieb zu führen. Kellen schlug zu und traf das Tier an der rechten Flanke. Sofort schoss Blut aus der Wunde. Aber der Bär war nicht schwer verletzt.

      Er brüllte wütend auf und stürzte sich auf Kellen. Im selben Augenblick rutschte der Häuptling ab, schrammte über die Felskante. Das Schwert fiel klappernd in die Tiefe. Seine Finger krallten sich in den Stein, schabten schmerzhaft über die schroffe Oberfläche und bekamen einen schmalen Vorsprung zu packen. Kellen stöhnte auf.

      Wieder brüllte der Bär. Er war nun auf allen Vieren, beugte sich weit vor über die Kante und schlug nach Kellen. Der Häuptling spürte einen dumpfen Schmerz am Hinterkopf. Warme Flüssigkeit rann seinen Nacken hinab.

      In Panik ließ er die eine Hand los und griff nach der Pranke des Bären. Er bekam ein Büschel Fell zu packen und zerrte daran mit aller Kraft. Und der Bär kippte tatsächlich nach vorn und stürzte noch immer brüllend in die Tiefe. Kellen spürte den Pelz des Tieres über seinen Rücken streifen. Dann hörte er ein Geräusch, das so klang, als wäre ein großer Sack Holz von einem Wagen gefallen. Kellen sah nach unten: Die Bestie regte sich nicht mehr. In ihrem Rücken steckte tief das reich verzierte Schwert eines Fürsten. Zwei kräftige Hände packten Kellen und zogen ihn nach oben.

      „Das ist ein Opfer an die Götter nach meinem Geschmack“, lachte Murddin und biss ein weiteres Mal in seine Keule. Ardric sah ihn strafend an, verzichtete aber zum Glück auf eine Bemerkung. Vermutlich nur deshalb, weil auch er viel zu sehr mit Kauen beschäftigt war, dachte Kellen.

      Nach zwölf Tagen war Bärenfleisch eine willkommene Abwechslung zu hartem Brot, Hirsebrei und getrockneten Früchten.

      „Das ist ein Mahl, wie es Kriegern gefällt“, ergänzte Murddin mit vollem Mund. Niemand widersprach. Mal abgesehen von Kellen waren wohl alle glücklich darüber, dass sich der neugierige Bär in ihr Lager geschlichen hatte. Das verschaffte ihnen nicht nur frisches Fleisch, sondern als Dreingabe auch eine willkommene Pause. Kellens Verletzungen mussten versorgt werden, auch wenn es nur ein paar Schrammen und Blutergüsse waren. Ardric hatte Pflanzen gesammelt und daraus einen Sud gekocht, den er ihm auf die Wunden strich. Unter den Verbänden tat er nun seine heilende Arbeit, während die Männer am Feuer saßen und Fleisch, Ruhe und die warme Nachmittagssonne

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