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fällt noch etwas ein…als der Täter weglief, rannte er nicht gleichmäßig, fast so, als hätte er sich verletzt. Ach, wäre ich doch nur hinter ihm her…«

      Paola sah ihn an und sagte sofort: »Auf keinen Fall, Sie haben alles richtig gemacht. Es war leider niemand weiter auf der Straße. Sie haben richtig entschieden, sich um das Opfer zu kümmern und die Einsatzkräfte zu informieren. Alles gut!«

      Signor Scarpa nickte ihr zu und bedankte sich. Paola gab ihm seine Karte.

      »Falls Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie bitte an. Vielen Dank für Ihre Mithilfe. Auf Wiedersehen, Signor Scarpa!«

      Er gab ihr die Hand und sie verabschiedeten sich.

      Paola rief einen Mitarbeiter zu sich, der Signor Scarpa nach Hause bringen sollte. Dann ging sie zu Ispettore Maria Nero und brachte sie auf Stand.

      »So wie der Zeuge ausgesagt hat, bestätigt das die Vermutung von Salvatore, dass nicht nur Fasern an der Schnalle der Tasche vorhanden sind.«

      Ispettore Nero nickte ihr zu und verstand, was sie meinte. Womöglich konnte sich das Opfer wehren und die Schnalle der Tasche verletzte wiederum den Täter oder die Täterin. Jetzt mussten sie sich auf einen unangenehmen Weg machen. Sie mussten den Eltern erklären, dass ihre Tochter schwerverletzt im Krankenhaus liegt und womöglich an den Folgen der Tat sterben könnte. Das war das Schlimmste an ihrer Arbeit. Paola besprach noch etwas mit Salvatore, dann wandte sie sich an einen Sergente.

      »Bitte senden Sie mir eine Notiz mit dem Zimmer des Opfers und fragen bitte, wer der behandelnde Arzt ist. Schicken sie es mir bitte schnellstmöglich auf mein telefonino zu.«

      »Wird gemacht, Commissario!«

      Paola und Ispettore Nero hatten nur noch einige Minuten am Tatort zu tun.

      »So Maria, lass uns zu den Eltern gehen. Es sind nur ein paar Meter. Wir müssen ihnen Bescheid geben.«

      »Leider! Gehen wir.«

      Sie liefen die Straße Via Santa Chiara ein paar Meter entlang und an der Numero 20 hielten sie an. Beide schauten sich noch einmal an, nickten sich zu und Ispettore Nero klingelte bei Angelo. Bevor der Summer ertönte, rief eine Stimme durch die Sprechanlage:

      »Ciao cara Clarissa, bist du endlich da, hast du wieder deinen Schlüssel verkramt, ich mache auf!«

      Die beiden Frauen räusperten sich.

      »Scusi, hier sind Commissario Rossi und Ispettore Nero, lassen sie uns bitte herein.«

      Auf einmal war Stille.

      Paola wollte erneut auf die Klingel drücken, da nichts passierte, doch da ertönte der Summer und die Tür öffnete sich. Sie nahmen die Treppe und liefen nach oben. Im zweiten Stockwerk sahen sie bereits von der Treppe aus, eine Tür offenstehen. Paola klopfte.

      »Signora Angelo, wo sind sie? Dürfen wir hereinkommen?«

      Eine leise Stimme war zu hören: »Erste Tür links!«

      Sie betraten die Wohnung und sahen eine Frau am Tisch sitzen, mit den Händen den Kopf halten. Sie blickte hoch und man sah, rot verweinte Augen.

      »Buonasera. Mein Name ist Commissario Rossi, das ist Ispettore Nero!«

      Dabei zeigten sie ihre Dienstausweise. Die Frau saß zwar immer noch am Tisch, doch hatte ihren Kopf angehoben und sah beide mit weit aufgerissenen Augen an.

      »Sagen Sie schon, ist etwas mit meiner Clarissa? Ist etwas passiert?«

      Paola räusperte sich, es fiel ihr sichtlich schwer, der Mutter erklären zu müssen, dass ihre Tochter vielleicht nie mehr durch diese Tür kommen würde. Sie nahm einen tiefen Atemzug!

      »Signora Angelo, es tut uns sehr leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass ihre Tochter Clarissa Opfer eines Verbrechens geworden ist.«

      Signora Angelo fing augenblicklich laut zu weinen an. Ispettore Nero lief auf sie zu und strich über ihren Arm.

      »Sie lebt!«, rief Paola in das Weinen hinein.

      Sie beugte sich zu Signora Angelo, sah ihr in die rot verweinten Augen und sagte eindringlich:

      »Hören Sie! Ihre Tochter lebt! «

      Ein weiterer Schwall Tränen folgte.

      Paola griff zu der Wasserflasche, die auf den Tisch stand und zu einem Glas und goss etwas Wasser ein. Dann reichte sie Signora Angelo das Glas, nickte ihr zu und die Frau nahm mechanisch das Glas in die Hand und trank einen großen Schluck daraus. Sie stellte es ab, griff danach in ihre Hosentasche, ein Taschentuch kam hervor, tupfte ihre Augen und schnäuzte sich kräftig. Danach atmete sie tief durch und fragte etwas ruhiger, an die beiden Polizistinnen gewandt: »Was ist mit meiner Clarissa passiert? Wie geht es ihr? Wo ist sie?«

      Paola machte mit ihrer Hand eine Bewegung zum Stuhl, schaute Signora Angelo fragend an. Sie nickte ihr zu, das war das Zeichen für Paola sich hinsetzen zu können und sie erzählte Signora Angelo den Tathergang. Dann und wann griff die Mutter zu einem Taschentuch, doch sie schien gefasst zu sein, wie Paola feststellen musste.

      »Signora Angelo, ich habe folgende Frage an Sie: Waren sie in den letzten drei Stunden hier, es tut mir aufrichtig leid…«

      Sie machte eine kurze Pause. »Ich muss Ihnen diese Frage stellen, aber…«

      Weiter kam sie nicht, Signora Angelo nickte verständnisvoll: »Ich verstehe schon, sie müssen Ihre Arbeit machen, ich nehme es Ihnen nicht übel.«

      Paola war froh, dass Signora Angelo derart entgegenkommend wirkte.

      »Commissario, ich war den ganzen Tag hier. Habe Essen gekocht und die Wohnung geputzt. Vorhin hatte ich mit meinem Mann Mario gesprochen, ich habe ihn daran erinnert, dass Clarissa heute zum Essen kommt und er zusehen soll, früh Feierabend zu machen.«

      Paola schaute fragend,

      »Bevor sie fragen, er ist Koch in einem Restaurant. Manchmal kommt er erst recht spät, aber heute wollte er alles versuchen, um früher zu kommen. Clarissa ist sein…«, erneut fing Signora Angelo zu weinen an.

      Paola schaute sie ganz ruhig an und hoffte, dass die Signora dadurch zu weinen aufhörte, damit sie mit der Befragung weitermachen konnte.

      »Unsere Tochter studiert in Milano Tiermedizin. Wir sind so stolz auf sie! Sie ist die Erste in unserer Familie, die zu studieren anfing. Clarissa ist immer schon so ein aufgewecktes intelligentes Mädchen gewesen und hat uns nur Freude gemacht. Als sie ein Stipendium bekommen hat, waren wir so stolz und haben sie tatkräftig unterstützt. Eine Cousine meines Mannes lebt in Milano und so konnten wir sie mit einem guten Gefühl dorthin gehen lassen.«

      Ispettore Nero machte sich derweil Notizen von dem Gesagten. Paola rückte den Stuhl etwas näher zur Signora.

      »Wissen Sie, ob ihre Tochter einen Freund hat? Hat sie erzählt, dass sie mit jemandem Ärger oder Stress hatte? War sie in der letzten Zeit anders als sonst, beunruhigt oder wirkte sie ängstlich? Hatten Sie das Gefühl, Clarissa verbirgt etwas vor ihnen? Alles ist wichtig, auch wenn Sie vielleicht denken, das tut nichts zur Sache. Wir wollen herausfinden, wer oder was dahintersteckt.«

      Signora Angelo nahm ihre rechte Hand und stützte den Kopf. Sie überlegte!

      Nach einer Weile sagte sie: »Es ist tatsächlich etwas Merkwürdiges gewesen. Letztens habe ich mit Clarissa telefoniert. Sie erzählte mir von ihren Kommilitonen und von ihrem Professore. Clarissa sagte: ›Mamma, wenn ich nach Hause komme, will ich dir etwas zeigen. Ich will es nicht am Telefon besprechen.‹ Ich habe natürlich gefragt!«

      Dazu nahm sie ihre Arme und hielt sie in die Höhe.

      »Hat Sie Ihnen etwas gesagt?«, fragte Paola die Signora.

      »Nein, sie war auf einmal sehr bestimmt und meinte: ›Mamma, es ist nichts Schlimmes, mache dir bitte keine Sorgen. Ich erzähle es dir doch noch.‹ Ich wollte nicht nachbohren, sie hörte sich so entschieden

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