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Schreiben.. Christiane Schünemann
Читать онлайн.Название Schreiben.
Год выпуска 0
isbn 9783738076165
Автор произведения Christiane Schünemann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die Begeisterung für schöne Schreibwerkzeuge spiegelt Klaus-Peter Wolf in dem Mordopfer Ulf Speicher aus dem ersten Band seiner erfolgreichen Ostfriesenkrimi-Reihe mit der Kommissarin Ann Kathrin Klaasen: »… er konnte an keinem Schreibwarengeschäft vorbeigehen, wenn schöne Füller ausgestellt waren oder edle Kladden, Tagebücher oder originelle Notizblöcke. Er ging hinein, musste alles anfassen und die Seiten durch die Finger gleiten lassen. Er hatte ein fast erotisches Verhältnis zu Papier gehabt.«
Wenn Klaus-Peter Wolf einen neuen Roman beginnt, hat er meistens den ersten Satz. »Für jedes Buch kaufe ich mir einen neuen Füller und schreibe den ersten Satz hin. Manchmal merke ich gleich, dass das so nicht funktioniert, dann probiere ich einen anderen Füller aus. Und irgendwann passt dann alles, dann schaue ich meinem Füller gewissermaßen beim Schreiben zu. Nach so einem Roman ist so ein Füller dann auch erledigt.«
Wie Ulf Speicher bevorzugt Klaus-Peter Wolf kariertes Papier: »Ja, er hatte seine Gedanken nicht gern auf liniertes Papier geschrieben. Die Kästchen gaben seinen Buchstaben eine Form, die er dann nach Belieben sprengen konnte.« J. K. Rowling dagegen schreibt lieber auf fein liniertem Papier.
Aus Angst, das einzig existierende Exemplar zu verlieren, schleppt Klaus-Peter Wolf seine Kladde immer mit sich herum. Niemals würde er sie im Auto liegen lassen. Auch schickt er in regelmäßigen Abständen Kopien an seine Sekretärin, die sie dann abtippt. Nach dreißigjähriger Zusammenarbeit merkt sie schon mal an, dass sie das schon besser von ihm gelesen hat! In der abgetippten Fassung entdeckt Klaus-Peter Wolf manchmal Fehler, die er vorher in der handschriftlichen Fassung nicht bemerkt hat. Er korrigiert den ausgedruckten getippten Text. Bis zum fertigen Manuskript entstehen auf diese Weise mehrere Fassungen.
Vorteile
Ich habe schon immer gern mit der Hand geschrieben, sowohl in Langschrift als auch in Kurzschrift (Stenografie). Um auch längere Zeit mit der Hand in Langschrift zu schreiben, musste ich meine Hand erst wieder daran gewöhnen. Aber mit zunehmender Übung wird das besser. Auch das Schriftbild verbessert sich wieder.
Es ist ein so einfaches und flexibles Arbeiten. Man kann immer und überall schreiben, fernab jeglicher Stromversorgung. Und man braucht nicht erst den Computer hochzufahren. Der Text ist sofort physisch vorhanden und muss nicht erst ausgedruckt werden. Mitunter wird der Text durch das Streichen und Umformulieren unübersichtlich und schwer lesbar. Das lässt sich verhindern, wenn man weitzeilig schreibt oder in einem Notizbuch nur die eine Seite beschreibt und die andere für Ergänzungen und Änderungen freilässt.
Zauberformel
Auf dem Papier kann man in alle Richtungen schreiben, Pfeile und Symbole zeichnen. Wenn es mal gar nicht läuft, kann man auch kritzeln, was auch wieder kreative Schübe auslösen kann. Unser Unbewusstes spült uns die besten Ideen in den Momenten zu, in denen unser Bewusstsein gerade abgelenkt ist, sei es durch das Schreiben selbst oder durch Kritzeln oder durch einfache automatische Handlungen wie Auto fahren oder Bad putzen. Das Bewusstsein muss abgelenkt werden! Das ist die Zauberformel des Schreibens und der anderen Künste.
Diese unübersichtliche und bekritzelte Fassung hat auch den Vorteil, dass sie den psychischen Druck mindert, gleich einen perfekten Text verfassen zu müssen. Die Rohfassung ist wirklich »roh«, denn sie ist noch nicht aus perfekten Buchstaben gesetzt.
Das Schreiben mit der Hand ist auch erholsam. Das merke ich, wenn ich zum Beispiel nach einer längeren Zeit des Tippens einen Brief oder eine Geburtstagskarte mit dem Füller schreibe.
Werkzeuge
Musste Friedrich Schiller noch mit dem Federkiel auf den gewalkten Lumpen kratzen, wie er in seiner Bittschrift schreibt, können wir uns bessere Schreibwerkzeuge kaufen. Sie müssen gar nicht teuer sein, man sollte sie jedoch gern in die Hand nehmen wollen. Nach einigen Fehlkäufen habe ich endlich wieder einen Füller gefunden, der leicht in meiner relativ kleinen Hand liegt, und mit dem ich längere Zeit beschwerdefrei schreiben kann. Beim Kauf von Spiralbüchern achte ich darauf, dass das Papier tintenfest ist, damit die Feder leicht über das Papier gleiten kann.
Im Buch Schreiben in Cafés empfiehlt Natalie Goldberg: »Halten Sie Ihre Hand in Bewegung!«
*
Die Zitate stammen aus den Ausgaben:
Klaus-Peter Wolf:
OstfriesenKiller, FISCHER Taschenbuch 2007
Natalie Goldberg:
Schreiben in Cafés, Autorenhaus-Verlag 2003
Aus dem Amerikanischen von Kerstin Winter
John Irving. Und wie er schreibt
Vertraute Themen
Eine Regel beim Schreiben lautet: »Schreib über das, was du kennst!« Das ist womöglich der Grund dafür, dass Schriftsteller Figuren erschaffen, die Schriftsteller sind. Sie spiegeln in diesen Figuren ihre eigene Arbeitsweise. Auch John Irving hat eine solche Figur geschaffen. In seinem Roman Letzte Nacht in Twisted River ist die Hauptfigur Daniel Baciagalupo ein Schriftsteller, der unter dem Pseudonym Danny Angel veröffentlicht, und der auch manchmal nur der Schriftsteller genannt wird. Danny Angel scheint mir ein Selbstporträt Irvings zu sein, denn er ähnelt ihm allein schon äußerlich: ein Meter siebzig, sechsundsechzig Kilo, schlank.
John Irving alias Danny Angel lässt uns ein in sein Schreibzimmer. Er offenbart uns seine Themen, seine Arbeitsweise und seine Verarbeitung politischer Ereignisse. Er beantwortet die allgegenwärtige Frage nach Fiktion und Wirklichkeit. Und er berichtet über seine Schwierigkeiten, den rechten ersten und letzten Satz zu finden.
Jeder Schriftsteller hat bestimmte Themen, die er immer wieder in seinen Werken umkreist. Für John Irving ist es zum einen die Kindheit, die jedes Erwachsenenleben nachhaltig geprägt hat, und zum anderen die ständige Sorge um die Menschen, die er liebt. Die Unfälle, die er mitunter seine Figuren erfahren lässt, fürchtet er im Leben für seine Lieben am meisten. Von diesen beiden Themen ist er regelrecht besessen.
Über politische Ereignisse, zum Beispiel den 11. September, kann John Irving nicht gleich schreiben. Solche Ereignisse muss er zuerst verarbeiten. Das dauert einige Zeit. Dann schreibt er nicht über diese Ereignisse, sondern bettet sie ein in seine fiktiven Geschichten.
Die am häufigsten gestellte Frage an einen Schriftsteller ist gewiss die nach dem autobiografischen Anteil in seinen Geschichten. John Irving bedauert, dass die Leute in den Medien eher an der Wirklichkeit als an der Fiktion interessiert sind. Er lässt Danny Angel dazu Folgendes sagen: »Geschichten aus dem wahren Leben waren nie so vollständig, so in sich geschlossen, wie es Romane sein konnten.«
Erste und letzte Sätze
John Irving ist der einzige Schriftsteller, von dem ich las, dass er seine Romane von hinten nach vorn komponiert, um sie dann von vorn nach hinten zu schreiben. Das bedeutet jedoch nicht, dass er auch der einzige ist. Im »Spiegel-Gespräch« mit Klaus Brinkbäumer (Heft 20/2010) erklärt er, warum er so arbeitet: »Weil ich das Ende brauche, um anfangen zu können. Wenn du es kristallklar vor dir siehst, wenn du den Standpunkt und den Ton des Endes hast, dann geht es dir wie mit dem Refrain eines guten Songs: Du bewegst dich darauf zu, du weißt, dass der Refrain kommt, und dieses Wissen gibt dir Selbstvertrauen.«
Die Idee für Letzte Nacht in Twisted River hatte John Irving viele Jahre mit sich herumgetragen.
In der Schriftstellerei geht es nicht um Tage und Wochen, sondern um Monate und Jahre. Manchmal auch um ein Leben.
Er konnte nicht anfangen, weil er das Ende nicht kannte und keinen letzten Satz hatte. Als er eines Tages zum Arzt fahren musste, weil er sich einen Finger verdreht hatte, hörte er im Autoradio den Song Tangled Up In Blue von Bob Dylan. Er wusste zwar, dass dieser Song das Motto seiner Geschichte war, dachte aber an nichts und hörte einfach nur zu. Plötzlich fielen ihm das Ende der Geschichte sowie der letzte Satz zu. In die Arzt-Praxis rennend, schnappte er sich dort den Rezeptblock, um schleunigst den