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High Energy. Katja Darssen
Читать онлайн.Название High Energy
Год выпуска 0
isbn 9783752959550
Автор произведения Katja Darssen
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Hätte er an seinem ersten Tag in Frankfurt davon erzählen sollen? Wie hätte das ausgesehen? Und hätte man ihn überhaupt verstanden? Sollte diese Marlene sticheln! Sollte sie glauben, er habe etwas übersehen. Sie hatte ja keine Ahnung!
1 Einlochen
Trotz des kalten Wetters waren Markisen heruntergelassen und Sonnenschirme aufgespannt. Auf der Terrasse des Clubhauses standen gedeckte Tische und gepolsterte Korbsessel bereit. Warum sollte man nicht schon Anfang Februar die Gäste einladend umfangen und auf die bevorstehende Sommersaison hinweisen?
„Wann wollte Stephan hier sein?“, fragte Sarah ihren Mann.
„Halb Zehn. Wir wollen alle 18 Loch schaffen.“
Kaum erwähnt, trat der schon durch eine der offenen Terrassentüren. Im Arm seine Frau Yvonne.
„Die war nicht eingeplant“, murrte Rüdiger. „Kannst du dich um sie kümmern?“
Sarah wollte auch aufs Grün. Was sollte sie mit Stephans Frau? Doch sie kam nicht dazu, ihren Unmut zu äußern. „Guten Morgen, meine Liebe.“ Küsschen links und rechts. Beide Frauen taten einander gleich.
Brückners Yvonne verkündete: „Kümmert euch nicht um mich. Ich möchte nur hier sitzen.“
Na also, dachte Sarah. Kaffee und Champagner wurden gebracht. „Es macht dir wirklich nichts aus, wenn ich mitgehe?“, säuselte sie gegenüber Brückners Frau.
„Nein, geh nur. Wenn das auch für Rüdiger und Stephan passt.“
„Mein Häschen kann zum Einlochen ruhig mitkommen.“ Rüdiger wollte komisch sein, sprach laut und umarmte seine Frau wie immer etwas barsch.
Sarah hatte sich an derlei Männlichkeitsattacken gewöhnt. Diese waren doch harmlos! Gleich werde ich ihm zeigen, wer wen einlocht. In ihre Vorfreude auf das Spiel mischten sich abschweifende Gedanken. Einlochen! Ab in den Knast! Weg mit ihm! Wie sehr sie daran gearbeitet hatte.
Abschlag! Die Weite der Herren würde sie am sechsten oder siebenten Loch wieder aufgeholt haben. Vorerst ließ sie Rüdiger und Stephan ziehen. Schade, dass Isabel noch nicht so weit war. Weit vor ihr auf dem Rasen redeten die beiden Männer. Wie sie miteinander lachten und gestikulierten. Sie sind wie Brüder. Jungs, die nie groß geworden waren. Für sie ist alles ein Spiel. Kaum ein Wochenende vergeht ohne Stephan. Dabei haben sie von Montag bis Freitag miteinander zu schaffen. Ihr neuester Clou waren diese Appartementhäuser, für die sie Gelder vom Land erhalten hatten. Eingliederung sozial Schwacher und Einwanderer via Job und Wohnung. So etwas hatte sie noch nie zuvor gehört. Sarah zerrte an ihrem Trolley und suhlte sich in ihrer Einsamkeit.
Das erste Loch mit 6 Schlägen. Sie musste erst warm werden. Sich konzentrieren. Isa blitzte in ihren Gedanken auf. Seitdem sie sich wiedergetroffen hatten, fasste Sarah etwas Mut. All die Jahre waren ohne sie vergangen. Orange, hellblau und rosa hatten wir unsere Wohnung gemalert. Isa in ihren abgeschnittenen Jeans und dem weißen Hemd. Sie hatte ausgesehen wie ein Model für einen Baumarktspot. Sarah platzierte den Ball auf dem Stick und zog das 3er Eisen heraus. Viktor war immer häufiger gekommen und hatte beim Renovieren geholfen. Sie schlug zu. Der Ball flog viel zu weit. Danach war es trauriger geworden.
„Sarah, schaffst es nicht?“ Rüdiger rief über den Platz. Er erlaubte sich immer und überall alles.
Was weiß der schon, was sie nicht geschafft hatte. Sie ließ ihn rufen. Weihnachten war ein guter Anlass gewesen, um sich bei Isabel nach fast 20 Jahren einmal zu melden. Beim dritten Treffen war auch Viktor mitgekommen. Er war aufgestanden, hatte ihr geholfen, den Stuhl heranzurücken, er hatte leise mit dem Kellner gesprochen, er hatte sie angeschaut und hatte immer noch dieses jungenhafte Lachen. Er war kein bisschen älter geworden. Sie stützte sich auf ihren Golfschläger. Die Männer vor ihr johlten auf, schauten zu ihr zurück. Rüdiger sagte etwas zu Stephan, lachte dabei, zeigte auf sie.
Stephan kam zu ihr. „Sarah, ich bin mal dein Caddie.“
Beinahe hätte sie losgeheult. Er tätschelte sie unbeholfen. Wie immer hatte er ein Gespür für Menschen in Not. Erneuter Abschlag. Sie schaute dem Ball gar nicht hinterher. Erst als sie Stephans verwunderten Gesichtsausdruck bemerkte, sah sie, dass ihr Ball in 60 Meter Entfernung aufgeschlagen war. Auf dem Weg dorthin nahm Brückner das Gespräch auf. „Rüdiger hat mir erzählt, dass du sogar froh darüber bist, mit deiner alten Freundin Kontakt aufgenommen zu haben.“
„Ihr habt mir einen großen Gefallen getan.“
„Manchmal braucht man einen kleinen Schups. Ich habe inzwischen ihren Mann kennengelernt.“
„Ach ja.“
„Kennst du den auch?“
Sarah zuckte die Schultern. „Ich weiß nur, dass er ganz anders ist.“
„Das glaube ich auch. Auf jeden Fall ist er vernarrt in seine Akkus. Ein verbohrter Typ.“
„Und was hast du nun von all dem? Warum sollte ich Isabel Schlegel ausgraben?“
„Es ist immer gut, umfänglich informiert zu sein. Dieses Professorchen wird Teil unserer Zukunft sein.“
„Unserer Zukunft?“
„Früher oder später.“
Sie musste ein wenig den Kopf schütteln über Stephans Eisen im Feuer. Tatsächlich schmiedete er immer und für jeden einen Haken.
„Bist du endlich an uns herangekommen?“ Sie hatten Rüdiger eingeholt.
„Spiel dich nicht so auf“, sagte Stephan zu ihm.
Stephan Brückner war zwar nicht ihr Freund aber er wusste, wann es genug war. Schließlich kannten sie alle den schrecklichen Zwischenfall auf Mallorca, der immer noch auf ihr lastete. Gemeinsam zogen sie weiter, warteten aufeinander, schlugen zu.
„Stephan, wie ging es weiter mit diesem Typen von der EnVer?“, fragte Rüdiger.
„Ich sagte doch, der ist ein Langweiler. Macht einen auf Weltretter. Blöde Masche.“
Sprechen die Zwei über Viktor?
„Aber er spornt uns an, unser Gewissen reinzuwaschen.“ Brückner nahm seinen Schläger und kurz darauf flog der Ball hoch durch die Luft. „Das ist doch gut.“
2 Riecher
Spätestens als der Zug über die Mainbrücke fuhr, ordneten alle Reisenden ihr Gepäck. Axel war an diesem Montagmorgen einer von ihnen, nachdem er am Wochenende zu Michel nach Hause gefahren war. Am Freitagabend im Zug hatte er noch den Begriff des Männerwochenendes als lächerlich abgetan, doch heute Morgen fühlte es sich ganz und gar gut an. Sie hatten sich aufeinander gefreut, gut gegessen, viel erzählt. Intensiv! Das war das richtige Wort.
„In Frankfurt“, hatte er zu Michel gesagt, „fühle ich mich manchmal wie ein Student.“ Seltsam hatte es sich angefühlt, das zu seinem Sohn zu sagen.
„Ich bin richtig stolz auf dich, dass du nicht so ein alter Knacker bist.“ Und Michel hatte dabei gegrinst.
Der Zug blieb im Delta der Bahnhofsgleise stehen und wartete auf ein Einfahrtssignal. Nein, so richtig konnte es Michel doch nicht wissen, wie es war, seinen Sohn einfach zurückzulassen. Nicht mehr mit ihm gemeinsam Bouletten zu braten, sich mit ihm um den letzten Kakao zu streiten, sich mittwochs die Champions-League-Spiele zusammen anzusehen. Nachhausekommen war nicht nur für die Kinder da. Und jetzt ist das Kind erwachsen. Der Zug rumpelte über das Gewirr aus Gleisen und Weichen. Kurz darauf erschien vor den Fenstern der Bahnsteig.
Zur Nordseite des Bahnhofs sollte Hoppe kommen. Seine neuen Kollegen hatten ihn angerufen: Jemand wurde am Mainufer tot aufgefunden. Ertrinken wurde als Todesursache bereits festgestellt. Keine große Sache. Ich bekomme