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Ein Mann will nach oben. Ханс Фаллада
Читать онлайн.Название Ein Mann will nach oben
Год выпуска 0
isbn 9783753126357
Автор произведения Ханс Фаллада
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Karl konnte nur einen hastigen Blick in eine von einem Petroleumblaker schwach erhellte Küche tun. Gottlob, hier sah es sauber aus, und es roch auch nicht so schlimm wie draußen. Aus einer Stube drang ärgerliches Brummen. »Det war der Olle«, erklärte der Bäcker, als sie wieder die Treppe hinabstiegen. »Der is ungnädig, die Rieke hat ihm schon 'ne Predigt vapaßt, aber aus der Mulle hat se ihn ooch nich gekriegt.«
Noch dreimal mußten die Jungen mit den Körben die Treppen hoch, denn Rieke hatte angeordnet, daß auch Karls Körbe zu ihr kämen. »Du kriegst nur, wat de brauchst, det kannste dir alle Tage von mir holen. Uff dir muß man uffpassen. Nich, daß ick deine Schlummamutta mißtraue, die Brommen is janz ordentlich, aber mit dir weeß man ja nich –« Und Karl Siebrecht protestierte nicht.
Beim letzten Mal blieb der Bäcker oben, als Wachtposten. »Dat du den Ollen nich ranläßt! Die Körbe pack ick alleene aus, Ernst! Und wir sind ooch schnell wieda da, wir müssen bloß die Karre abliefern, is ja nich weit bis in de Müllerstraße. Und die Karre is leer.«
7. Der alte Busch
»Setz dich doch auf die Karre«, sagte Karl zu Rieke.
»Nee, ick zieh bei dir. Is zu kalt zu's Sitzen. Is dir ooch kalt, Karl?«
»Ein bißchen.«
»Na, laß man, det jibt sich. Uff'n Heimweg hol ick jleich eenen Eimer Kohlen, sollst mal sehen, wie warm wa det noch kriejen. Ick hatt'n janz schönen Vorrat liejen, als ick zu Tante Bertha machte, aba der Olle hat allet wegjefeuert. Der kennt keene Einteilung, Männer sind so.«
»Er wollte wohl bei den Körben nicht anfassen?«
»Laß ihn. Det is sein schlechtet Jewissen, denn is er grade pampig, grade aus' schlechtet Jewissen. Der besinnt sich. Paß uff, wenn wa jetzt heeme kommen, weeß er nich, wat er mir zuliebe tun soll. Schlecht is er nich, da jibt's janz andere! Und überhaupt –« Sie schwieg gedankenvoll.
»Was meinst du mit: und überhaupt?«
»Wat ick damit meine? Na ja, früher war er janz ordentlich, aba er hat sich det mit Mutta'n doch so zu Herzen jenommen, seitdem is er so.«
»Seit deine Mutter gestorben ist?«
»So kann man det ooch sagen. Aba de Wahrheit is, er hat Mutta'n doch rausgeschmissen, weil sie mit 'nem anderen Kerl jing. Tilda is ja nich von Vata'n, aba er läßt det Kind det nicht entjelten, allet, wat recht is. Und denn hat der Kaschube Mutta'n sitzenlassen, und Mutta is wieda jekommen bei uns, da war se schon in der Hoffnung. Na, Vata hat ihr nischt in den Weg jelegt, aba er hat nie wieda een Wort mit die Frau jeredet, ooch, als se alle machte, und det reut ihm nu. Darum säuft er, aba nur manchmal.«
Der Junge, Karl Siebrecht, schwieg überwältigt. Ihn packte die nüchterne, klagelose Selbstverständlichkeit, mit der die dreizehnjährige Rieke Busch von dem allem redete. »Und das trägst du alles so selbstverständlich, Rieke?« rief er und legte seine Hand auf der Stange des Karrens sachte über die kleine verarbeitete Kinderhand.
»Wat denn sonst? Wat soll ick denn dabei tun? Det is doch so! Da kann keener wat bei machen! Bloß det eene sare ick dir, Karl: mir soll keener nischt von der Liebe erzählen. Die richt' bloß Unfug an. Wie der Ernst vorhin anfing – na ja, det wissen se alle, ick bin kalt wie 'n Eiszappen!«
»Aber du bist doch auch noch nicht vierzehn, Rieke!« rief Karl Siebrecht.
»Na wat denn? Wat denkste, wat de Mächen hier schon früh rumknutschen? Is det denn bei euch nich so? Biste ehrlich, Karl, haste noch nie een Mächen jeküßt?«
»Doch – aber ...«
»Na siehste! Da gibt's jar keen Aba! Jünger als du wird se wohl jewesen sind! Aba det sare ick dir, hier paß uff! Und wenn de dir doch verknallst, denn komm bei mir! Ick wer' dir schon raten! Die Mächen hier kenn ick, und die anderen Mädchen seh ick mir eenmal an, dann weeß ick Bescheid. Komm man immer bei Rieke, Karl, die hilft dir!«
Karl Siebrecht mußte lachen: »Du redest, Rieke, als wärest du meine Großmutter. Und außerdem werde ich mich hier bestimmt nicht verlieben.«
»Verrede es nich! Du bist een hübscher Junge, und det werden die Mächens hier ooch sehen. Und die in deinem Kaff is weit weg.«
»Ich verliebe mich bestimmt nicht!«
»Wart's ab, Karl, wart's ab!«
Trotzdem die Uhr schon halb elf war, trafen sie den alten Dienstmann doch unruhig vor dem Hause Müllerstraße 87 wartend. »Na, Opa«, sagte Rieke triumphierend, »du hast woll Angst jehabt? Da haste deine Karre. Und siehste, wat ick hier for dir habe: eene Wurscht. Aber keene von Aschinger, denk det bloß nich, die kommt direkt von't Land, di ha' ick dir mitjebracht, Opa!«
»Jott, Mächen«, sagte der Alte ganz gerührt. »Det war ja nu nich nötig jewesen. Jott, riecht die schön! War die im Rooch?«
»Natürlich war die im Rooch, und nich so Kiefernrooch, wie die Schlachter hier machen, nee, richtijen Buchenrooch. Na, nu jute Nacht, Opa!«
»Jute Nacht, Mächen. Dank ooch schön.«
»Nischt zu danken!« rief Rieke schon im Gehen. »Weeßte übahaupt weswegen du de Wurscht jekriegt hast, Opa?«
»Na, von wejen meine Karre doch.«
»Keene Ahnung!« schrie Rieke. »Weil de wie 'n Hund heeßt, und alle Hunde fressen jerne Wurscht!« Sie pfiff durchdringend, dann lockte sie: »Komm, Kieraß, komm, mein Hundeken! Kieraß, kuschste –?« Noch zwei Straßenecken weit hörten sie den Alten lachen. Karl Siebrecht konnte ihn sich recht gut vorstellen, wie er dastand, ausgemergelt und abgearbeitet, seine Wurst in der Hand, an der Schwelle der Siebzig, dankbar für jedes gute Wort.
Es war nach elf Uhr, als sie wieder über die engen, dunklen, riechenden Höfe, diese bloßen Lichtschächte des Hauses, in der Wiesenstraße gingen. In den Fenstern brannte kaum noch Licht, auch die Gasflammen auf der Treppe waren erloschen. Rieke mußte Karl bei der Hand nehmen und ihn im Dunkeln führen; Streichhölzer, sich hinauf zu leuchten, hatte keines von beiden. Dann zog Rieke ihn in die Küche. »Wo is'n Ernst?« fragte sie sofort den großen schweren Mann, der dort bei der kleinen Lampe am Tisch saß, den Kopf in den riesigen Händen. »Ick habe Ernsten doch jesagt, er soll uff mir warten!«
Der Mann hob den Kopf. Karl war erstaunt, einen verhältnismäßig jungen Mann, vielleicht Ende der Dreißig, vor sich zu sehen. Er hatte sich Riekes Vater uralt vorgestellt und fand nun einen kräftigen, fast blühend aussehenden Mann, mit einem rötlichen, kurz gehaltenen Vollbart, einer auffallend zarten, weiß und roten Haut und einer schönen Stirn. Nur die Augen, diese sehr hellen Augen, von einem verwaschenen Blau, wollten ihm nicht gefallen: der Blick, der auf den beiden Kindern ruhte, schien sie nicht zu sehen, er schien fast nichts zu sehen. »Der Ernst?« fragte er. »Der Ernst? Den ha' ick jehen heißen, Tochter, den juckte det Fell! Den zog's weg! Wat soll er hier ooch sitzen? Brooch ick 'nen Wachtposten, Tochter?«
»Nee, Vata, broochste nich!«
»Ick bin nich bei die Schließkörbe jegangen, nee. Ick habe dir 'ne Suppe jekocht. Det Mehl hat mir Ernst noch von de Brommen jeholt, een halbet Pfund, du jibst ihr det wieda, Tochter.«
»Tu ick, Vata. Jleich morgen. Wat denkste, wat ick for feinet Mehl von Tante Bertha im Schließkorb habe, so'n Mehl hat hier nich mal Tamaschke! Vata, det is Karl, Karl Siebrecht, der sucht hier Arbeet in Berlin. Is'n Freund von mir, Vata!«
»Is recht, Tochter. Setze dir, Karl. Wie war'n Tante Bertha?«
»Die war richtig, Vata«, antwortete Rieke, die schon am Herde wirtschaftete. »Die ha' ick abserviert. Wat denkste, wat ich allens im Korbe habe, sogar 'nen janzen Schinken!« Und jetzt strahlte Rieke Busch wirklich voll stolzer Freude.
Busch schien es kaum zu sehen. »Ja, du bist tüchtig, Tochter«, sagte er, immer in der gleichen leidenschaftslosen Sprechweise, die ohne Nachhall schien. Die Worte erloschen gleichsam,