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weiter. Einverstanden?“ und zeigte zu dem Gynäkologenstuhl. Natürlich war ich einverstanden. Eine Wahl hatte ich nicht.

      Immer noch völlig aufgeregt und hibbelig platzierte ich zunächst mein Handtuch auf dem besagten Stuhl und dann mich selbst. „Frau Jakobi, ich nehme als Erstes den Abstrich.“ Die Prozedur war mir bekannt. Meine beiden Arme verschränkte ich hinter dem Kopf, so dass ich diesen entspannter ablegen konnte. Interessant wurde es für mich, als sie den Ultraschallstab in mich einführte und neugierig auf den Monitor sah, der von meinem Sichtfeld abgewandt war. Wartend und sehr angespannt ließ ich meinen Blick von der gegenüberliegenden Wand, hoch zur Decke, an der ein farbenreiches Bild angebracht war, hinüber zu der anderen Wand und dann wieder auf die Frau Doktor wandern. Dann plötzlich, eine Reaktion von ihr. Wie ich erwartet hatte, sah sie zu mir, presste die Lippen aufeinander und nickte. Mit großen Augen und versteinerter Mimik sah ich sie an. Mein Atem stockte. Mein Herz blieb für einen Augenblick stehen. Bedeutete ihr Gesichtsausdruck, was ich bereits vermutete? Ich atmete tief aus, so als ob ich die gesamte Anspannung des bisherigen Vormittags auspusten wollte. „Das kann doch gar nicht wahr sein!“, platzte es aus mir heraus und schüttelte dabei ungläubig den Kopf. Das Zweite, was mir sofort in den Sinn kam und so skurril, wie es sich anhören musste, fragte ich sie „Ist es eins oder sind es mehrere?“. Für mich eine berechtigte Frage, denn durch die mehrfachen Versuche der Insemination, der künstlichen Befruchtung, familiärer Erbanlagen und Resultat von Drillingen war der Gedanke nicht völlig abwegig.

      „Es ist eins. Wollen Sie das Ultraschallbild sehen?“, fragte die Ärztin nach. „Frau Jakobi, ich muss Sie das fragen, denn manche Frauen wollen bei einer zweifelnden Entscheidung keinen Blick auf den Monitor werfen. Dieser könnte Ihren Entschluss deutlich beeinflussen. Dem müssen Sie sich bewusst sein.“

      Erneut sah ich ihr tief in die Augen. Meine Menschenkenntnis trübte nicht. Frau Funke schätze meine Reaktion richtig ein. Meine Unsicherheit sprach Bände. Dennoch zögerte ich keine Sekunde, antwortete mit einem entschlossenem „Ja“ und fügte hinzu, ohne über meine Worte nachzudenken „Ich weiß, aber ich glaube bereits eine Entscheidung getroffen zu haben und selbst wenn ich mir doch noch unschlüssig wäre oder es noch werde, möchte ich das kleine Wesen gerne betrachten. Immerhin ist es in mir drin, in meinem Bauch und noch ist es da“. Entsetzt über mich selbst fragte ich mich, ob diese Worte tatsächlich gerade aus meinem Mund kamen und so gemeint waren. Anscheinend. Eins wusste ich aber ganz genau und zwar, egal wie ich den bevorstehenden Anblick zukünftig psychisch ertragen und aushalten müsse, wollte ich mein Baby sehen; im Hinblick, dass ich es dann erst bewusst wahrnehmen und glauben konnte. Ich spürte es noch nicht, wusste bis vor weniger als zwei Stunden nichts von dem Glück, dass das Unmögliche möglich wurde, da wollte ich mich wenigstens mit eigenen Augen davon überzeugen.

      Diesmal war es Frau Funke, die zustimmend nickte. Langsam drehte sie den Bildschirm in meine Richtung, dass ich alles gut erkennen konnte. Zu gut. Sie drehte den Ultraschallkopf und zeigte mir am Monitor meine Eierstöcke und kam dann zu der Gebärmutter, in dessen schwarzen Innenraum ein kleines weißes Etwas erschien. Ein kleines Köpfchen, ein kleiner Bauch und kleine Knubbel, die einst Arme und Beine werden können. Die Ärztin tippte mit ihrem Zeigefinger auf den Monitor. „Gut zu erkennen, der Fötus und der Dottersack“, sagte sie. Ich sah es und Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper. Ich konnte es mit meinen eigenen Augen sehen, klar und deutlich. Ein winziges Baby. Nicht zwei, nicht drei, nur eins. Und ich sah das kleine Herz schlagen. Schnell und regelmäßig. Herzschläge. Es lebte. In mir, in meinem Bauch. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Unfassbar. Einzigartig. Famos. Ich starrte mit leicht geöffneten Mund auf den Monitor, verlor mich in dem Bild und Tränen schossen mir in die Augen. Vor Fassungslosigkeit, aber auch vor Schönheit des Antlitzes. Was für ein einmaliges Gefühl. Ein unbeschreiblicher Augenblick, der nur mir und den Anblick meines Babys galt. Alles um mich herum wurde nichtig und vollkommen ausgeblendet. Die Gynäkologin gab mir den Moment, bewegte sich nicht und sagte auch nichts. Stille flutete den Raum. Nur der Herzschlag des Ungeborenen war zu hören. Wunderschön. Wie eine Melodie, die mit ihrem Zauber mein Ohr und noch viel mehr mein Herz erreichte, der ich gerührt lauschte.

      Leise misste die Frauenärztin den Fötus und die Gebärmutter aus. „Circa acht Millimeter. Es sieht alles sehr gut aus. Keine Einblutung und gemäß der Größe aus den Messungen komme ich ebenfalls auf den errechneten Geburtstermin. Der Zeitrahmen passt.“

      Ich hörte, was die Ärztin sagte, nahm es wahr und ließ es dennoch an mir abprallen. Meine Aufmerksamkeit galt dem Monitor und dem Baby. Es war ein so verrückter und gleichzeitig aufregender Moment. Ich beobachtete das kleine Lebewesen. Wie das Herz schlug, wie es sich leicht bewegte. Faszinierend. Ein Gänsehautmoment. Obwohl ich für mich selbst die Entscheidung gegen ein weiteres Kind getroffen hatte, weckte der Anblick des Ultraschalls sofort Muttergefühle. Die Nervosität ließ von mir ab und eine gewisse Wärme durchflutete mein Herz genauso wie eine innere Zufriedenheit und Glückseligkeit.

      Diese zerplatzten wie Seifenblasen, als Frau Doktor Funke ihre Untersuchung beendete und sie mich bat, mir in der Kabine etwas anzuziehen und erneut zu ihr ins Sprechzimmer zu kommen. Schon bei dem Absteigen aus dem Gynäkologenstuhl, beim Hinauslaufen in die Kabine und beim Anziehen meiner Wäsche überrollten mich sämtliche Gefühle. Von Freude, Glück, bis hin zu Trauer, Zweifel und Wut. Wut über mich selbst. In der Kabine war ein kleiner Spiegel an der Wand angebracht, in welchen ich genau hineinblickte, als ich mir den obersten Knopf meiner Jeans zumachte. Ich blickte mir selbst in die Augen. Ganz tief. Fast schon so, als würde ich mir selbst in die Seele sehen wollen, auf der Suche nach einer Lösung. Nach einer Antwort. Wie konnte ich eigentlich von vornerein sagen, dass ich das Kind nicht wollte? Wie konnte ich nur? Als Mutter. Als dreifache Mutter. In diesem Moment holte mich die Realität wieder ein. Ich war bereits Mutter. Von Drillingen. Ein jeder, der selbst Eltern von Mehrlingen ist, weiß, was es heißt, rund um die Uhr für die Kinder da und dem permanenten Stress ausgesetzt zu sein, von Anfang an. Kein Vergleich zu Eltern mit genauso vielen Kinder, die ihre Nachkömmlinge jedoch in gewissen Abständen bekommen haben. Ohne diese Elternrollen abwerten zu wollen, aber einfach nicht vergleichbar mit Mehrlingseltern. Nein, mein Entschluss stand. Ich war froh, dass meine Jungs mit drei Jahren langsam selbstständig wurden und wir nicht immer zwingend eine helfende Hand benötigten, da hatte ein kleines Baby einfach keinen Platz.

      Mit dieser Einstellung kehrte ich zurück in das Sprechzimmer und ließ mich erneut auf den Stuhl neben dem Schreibtisch nieder. Meine Frauenärztin trug die neuen Erkenntnisse in die Patientenakte ein. Gleich daneben lag ein Streifen mit insgesamt vier Ultraschallbildern. Von meinem Baby. Ich konnte diesen Anblick einfach nicht ertragen, denn trotz meiner Entschlossenheit ließ es mich nicht kalt und sofort wurden meine Augen erneut ganz gläsern. Ich versuchte mich abzulenken und wandte meine Aufmerksamkeit dem Kalender an der Wand zu. Seit Anfang März waren bereits einige Wochen vergangen. In welcher Woche musste ich sein? Erneut versuchte ich mich an intime Momente mit Florian zu erinnern und als ob die Frauenärztin meine Blicke deuten konnte, erläuterte sie „Frau Jakobi, Sie sind in der siebten Schwangerschaftswoche plus eins. Der errechnete Geburtstermin ist der zwölfte Dezember.“

      Entsetzt sah ich die Ärztin an und ein „Was, schon?!“, platzte aus mir heraus.

      Sie nickte.

      Irritiert hackte ich nach. „Wie kann das nur sein? Also, ich meine, gemäß meiner Krankengeschichte war es bislang schier unmöglich, auf natürliche Weise Kinder zu bekommen und außerdem haben mein Mann und ich stets vorsorglich mit Kondomen verhütet.“ Ich senkte den Kopf und meine Stimme. „Das dachte ich zumindest“, fuhr ich fort. „Wie ist das somit möglich?“

      Frau Doktor Funke schmunzelte und erwiderte „Es ist der Klassiker. Ich meine, von wieviel zuerst künstlich Befruchteten hört man, wenn die Familienplanung abgeschlossen und der Kopf frei ist, es doch klappt. Die Möglichkeit besteht. Außerdem kann kein Verhütungsmittel eine hundert prozentige Garantie auf Sicherheit geben. Dabei spielt es keine Rolle, ob mit einem Kondom, der Pille oder einer Spirale verhütet wird. Ein kleines Loch in einem Kondom kann niemand einfach so erkennen. Da muss man schon sehr genau hinsehen oder den Gummi am besten mit Wasser befüllen, sonst wird es schwierig. Zumal Sie überhaupt verhütet haben.“

      „Ja, das ist mir auch alles klar, aber dennoch …“ Eine kleine Pause zum Verschnaufen legte ich ein,

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