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so mit Mitte zwanzig oder jünger, die Röte vor Scham ins Gesicht geschossen. Jetzt, ein paar Jahre später, verhielt ich mich ganz normal, so als würde ein Duschbad auf dem Band liegen. Wie sich nicht nur die Zeit, sondern auch die Ansichten und Wahrnehmungen änderten. Ein Aspekt, der mich in Zukunft immer wieder begleiten würde.

      Nach getätigtem Kauf verstaute ich die längliche Packung in meiner Handtasche und zückte den Test erst wieder hervor, als ich alleine zu Hause war. Ich wollte nicht, dass mein Mann von meiner Unsicherheit Kenntnis erlangte und ihn nervös machte, bevor ich überhaupt ein Ergebnis hatte. Vielleicht käme alles ganz anders und es war ein falscher Alarm meinerseits. Die Möglichkeit bestand, dass ich momentan einfach glücklich und zufrieden war und daher eine tolle Ausstrahlung hatte und meine Periode, wie in der Vergangenheit bereits, ab und an unregelmäßig kam. All diese Varianten waren genauso in Betracht zu ziehen und denkbar. Von daher entschied ich mich vorerst für Stillschweigen und Abklärung.

      Ich verschwand mit der rechteckigen Packung im Badezimmer, nahm auf der Toilette Platz und hielt die rosafarbene Packung in beiden Händen. Zweifel überkamen mich. Wollte ich das Ergebnis tatsächlich wissen oder doch darauf hoffen, dass morgen meine Monatsblutung einsetzte und alles wie gewohnt ist? Es half nichts. Spekulationen brachten mich nicht weiter, ich brauchte Klarheit. Einmal ganz tief ein- und ausatmen, die Packung in einem Ruck aufgerissen und schon entnahm ich als erstes den Beipackzettel. Sorgfältig las ich die Bedienungsanleitung durch und folgte dessen Anweisungen. Darin wurde empfohlen, dass ich erst kurz vor der Anwendung den Folienbeutel öffnen und das Teststäbchens entnehmen solle. Im Anschluss zog ich die Schutzkappe ab und hielt die Testspitze in meinen Urin. Anfangs ein schwieriges Unterfangen, bis ich mit dem Strahl dem Stab traf, aber als es mir dann gelang, dauerte es keine drei Minuten, so die angebliche Wartezeit gemäß der Anleitung, bis sich zwei Linien in dem dafür vorgesehenen Fenster abbildeten. Gemäß dem Beipackzettel ein Zeichen einer hohen hCG-Konzentration und damit ein eindeutiges Ergebnis – schwanger. Ich starrte auf die Anzeige. Mir wurde warm und kalt zugleich und mein Herz fing an zu pochen. Schwanger! Schwanger? Das konnte doch gar nicht sein! Und anscheinend bereits in einer vorangeschrittenen Schwangerschaftswoche, bei einem so schnellen und eindeutigen Resultat. „Nein, das kann nicht sein! Das darf nicht sein!“, dachte ich. Mein Herz raste. Meine Augen kreiselten wirr im Raum umher. Normalerweise ist so ein Moment der Glücklichste überhaupt, in dem man vor Freude von der Toilette aufspringt, lachend und jubelnd durch das Zimmer hüpft, seinen Partner so schnell wie möglich die Neuigkeit erzählen will und bereits darüber nachdenkt, wie man als werdende Eltern die frohe Botschaft den zukünftigen Großeltern verkündet. Nicht so bei mir. Ich gebe zu, einerseits konnte ich mein Glück tatsächlich nicht fassen, schwanger zu sein, andererseits übermannte mich das Gefühl von Panik und der Fassungslosigkeit. Es ist noch gar nicht lange her, gerade mal sechs Monate, da haben wir all unsere Baby- und Kleinkindsachen, Spielzeug wie auch Anziehsachen verschenkt und den endgültigen Entschluss gefasst, dass die Familienplanung abgeschlossen sei. Weiter ist anzumerken, dass ich üblicherweise keine beziehungsweise nicht auf natürlichem Wege eigene Kinder bekommen kann.

      Vor einigen Jahren entschlossen sich mein Mann und ich für ein Baby, doch jegliches Probieren scheiterte und der Kinderwunsch blieb unerfüllt. Ausschließlich mittels einer künstlichen Befruchtung und damit verbundenen langen, harten Weg und zahlreichen ärztlichen Eingriffen und Untersuchungen wurde unser Traum wahr und ich gebar Drillinge. Frühchen, dennoch drei gesunde Jungs. Putzmunter, aufgeweckt, normal entwickelt und mittlerweile drei Jahre alt.

      Wie konnte es nun sein, dass ich auf ganz natürlichem Wege einfach mal so schwanger wurde? Was ich mir vor Jahren erträumt und gewünscht hatte, wurde nun Realität. Wie war das nur auf einmal möglich? Nach all dem, was ich in der Vergangenheit durchgemacht hatte, konnte ich auf einmal und von jetzt auf gleich schwanger werden? Gedanken kreiselten im Kopf und in diesem Strudel versuchte ich mich daran zu erinnern, als mein Mann und ich miteinander intim waren. Ich hätte anfangs alles darauf schwören können, dass wir mit einem Kondom verhütet hatten, aber je länger ich darüber nachdachte, umso unsicherer wurde ich. Hatten wir wirklich verhütet oder nur die Absicht gehabt? Waren wir für einen Augenblick unvorsichtig? Nicht das ich wüsste, aber anscheinend schon. Dennoch beschäftigte mich am meisten die Tatsache, dass ich überhaupt in anderen Umständen sein konnte. Verrückt.

      Immer wieder sah ich skeptisch auf die zwei Balken der Testanzeige, welche ich zwischen meinen zittrigen Händen hielt. „Das ist doch ein schlechter Scherz! Unmöglich!“ Doch die zwei deutlich roten Linien logen nicht. Aufgewühlt war ich und atmete schnell. Übel wurde mir und schwindelig. Die Gedanken hüpften zwischen unendlicher Freude und Unglaubwürdigkeit hin und her und genauso wenig wusste ich in diesem Moment, was ich machen soll. Wie sollte ich reagieren? Florian informieren? Lieber noch nicht. Abwarten und hoffen, dass das Ergebnis nicht korrekt war? Es half nichts, die hundertprozentige Sicherheit konnte mir nur ein Besuch bei meiner Frauenärztin verschaffen.

      Ich erhob mich von dem Klosett, legte den Test auf dem Waschbeckenrand ab und holte mein Handy. Mit immer noch zittrigen Fingern tippte ich aufgeregt die Nummer der Frauenarztpraxis in das Telefon ein und lauschte nervös dem Anklingeln. Bereits nach kurzer Zeit erklang die Stimme der Sprechstundenhilfe. Stotternd und nun auch mit bebender Stimme schilderte ich ihr kurz mein Anliegen und verdeutlichte dessen Dringlichkeit.

      „Kein Problem. Wir sind seit sieben Uhr da. Kommen Sie gegen acht Uhr vorbei, aber bringen Sie bitte Zeit mit. Die bereits bestellten Patientinnen haben dennoch Vorrang.“ Freundlich bedankte ich mich bei ihr und nach dem Blick auf die Uhr zu urteilen, musste ich mich sputen. Eine halbe Stunde blieb mir, um auf Arbeit Bescheid zu geben, dass ich später komme, zu frühstücken, für die Morgenwäsche und zu der Frauenarztpraxis zu fahren. Da mein Mann unsere Zwerge heute Morgen in den Kindergarten gebracht hatte und somit dieser Weg für mich entfiel, reichte mir die halbe Stunde vollkommen aus.

      Gesagt, getan. Zugegeben, aus meiner Tasse Kaffee nahm ich zwischen Zähneputzen, Haare kämmen, schminken und all den Dingen, die eine Frau morgens im Bad vor einem Spiegel so anstellt, um noch hübscher auszusehen, als sie es bereits ist, immer wieder einen kleinen Schluck und mein Toastbrot mit Käse aß ich auf dem Weg zwischen Haustür und Auto. Dafür traf ich aber pünktlich um acht Uhr in der Praxis ein. Punktlandung.

      „Guten Morgen Frau Jakobi“, begrüßte mich freundlich die Sprechstundenhilfe. „Sie hatten bereits angerufen“, fuhr sie fort und griff nach meiner Patientenakte. Währenddessen kramte ich meine Krankenkassenkarte aus meinem Portemonnaie heraus und legte ihr diese auf den Tresen. Mein Gegenüber griff nach der Karte, las das Plastik ein und griff zu Zettel und Stift.

      „Herzlichen Glückwunsch“, sagte sie freudestrahlend. In diesem Moment wusste ich immer noch nicht, ob ich mich freuen oder lieber in Tränen ausbrechen sollte. Mit leicht hochgezogenen Mundwinkeln quälte ich mir ein „Danke, aber so toll ist es auch wieder nicht“ über die Lippen. Auf meine Reaktion ging die Schwester nicht ein und spulte ähnlich einem Standardkatalog an Fragen und Abläufen runter.

      „Wann war die letzte Periode?“

      „Am siebten März“, gab ich kurz und knapp mürrisch als Antwort. Sie notierte das Datum auf einen kleinen Zettel und gleich darunter, nach einem kurzen Blick auf den Kalender, den zwölften Dezember. „Das ist ihr voraussichtlicher Geburtstermin, falls die Ärztin beim Ultraschall nichts anderes feststellt.“ Dann legte sie das kleine Stück Papier mit so einer großen Bedeutung zu meiner Patientenakte und ergänzte weiter. „Wir benötigen noch Urin. Ich stelle Ihnen einen Becher auf Toilette und danach können Sie im Wartezimmer Platz nehmen.“ Nun blickte sie zu mir auf, immer noch mit einem Lächeln im Gesicht. Ihren Blick erwidernd, wartete ich auf eine weitere Anweisung ihrerseits. Ihrem Schweigen nach zu urteilen, schien ihr Ablaufprozess vorerst abgearbeitet zu sein. Ich bedankte mich bei ihr und trottete zum WC. Gut, dass ich vorhin eine Tasse Kaffee getrunken hatte, sonst sehe es nun schlecht mit dem Wasserlassen aus.

      Als ich nun auf dem stillen Örtchen saß, fingen bei mir erneut sämtliche Gedanken an zu kreiseln. Der 12.12., ein Datum, dass ich mir gut merken konnte. Im Sternzeichen Schütze. Wenn ich den Sternen Glauben schenken durfte, sind an diesem Tag Geborene geradlinig, ein bisschen unruhig, aber durchsetzungsfähig. Das klingt ganz gut. Ein Dezemberkind. Ausgerechnet. In einem Monat, in welchem wir gezwungen waren, den Kindergeburtstag in der Wohnung zu feiern und

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