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mit Rotkraut und Klößen und Glühwein Einzug und sich der Appetit auf Sahnekuchen in Grenzen hielt und es vorrangig Dosenobst für Obstkuchen zu kaufen gibt, anstelle süßer Früchte direkt vom Baum oder Strauch. Ein Monat, in dem sich jeder auf Weihnachten und auf die Familie besinnt und sich gleichzeitig im Weihnachtsgeschenkeeinkaufswahnsinn befindet, die Weihnachtsfeiertage mit den Familien lediglich anhand eines Kalenders und vieler Diskussionen und Kompromisse in Einklang bringen kann und die freien Minuten in der Freizeit für einen Winterspaziergang oder einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt nutzt. Wer verschwendet in dieser Zeit einen Gedanken an einen Geburtstag? Eher die Wenigsten. Ein Monat, in dem das zukünftige Kind alle Geschenke innerhalb den einunddreißig Tagen bekommt und sich auf Kleinigkeiten für den Rest des Jahres lediglich zu Ostern freuen kann. Ein Monat, der dennoch zu einem der schönsten Monate im Jahr zählt, in welchem Liebe, Zufriedenheit, Geborgenheit, Wärme, besinnliche Stunden im Kreise der Familie und Gemütlichkeit an erster Stelle steht, gefolgt von den verlockendsten Düften der Räucherkerzen, Öle und den Gerüchen, die aus der Küche direkt in die Nase dringen. Wenn ich es so recht bedenke, doch nicht ganz so ein schlechter Monat, um das Licht der Welt zu erblicken.

      Ich nahm im Wartezimmer Platz. Gähnende Leere herrschte hier und die Hoffnung, dass ich nicht allzu lange warten müsse, wuchs. Ich sah mich um, blickte zum Fenster hinaus und blieb schlussendlich mit meinen Augen an dem Zeitungsständer kleben. „Schwanger“, „Rund um das Baby“, „Endlich schwanger“, „Schwangerschaftsratgeber“ und viele weitere Schlagzeilen zogen mich unweigerlich neben abgebildeten schwangeren Frauen mit großen Babybäuchen oder niedlich gekleideten Babys auf den Titelblättern in ihrem Bann. Ein Entkommen war unmöglich. Fast schon wehmütig atmete ich tief aus und gleichzeitig machte sich ein kleines Schmunzeln in meinem Gesicht breit. Wie schön die Tatsache war, so ein kleines Wesen in sich tragen zu dürfen, in ein paar Monaten im Arm halten und noch einmal ganz von vorne Mama sein zu können. Ich ertappte mich selbst, wie ein Hauch von Muttergefühl in mir aufflammte, ich mich erneut in der Rolle sah. Dennoch benötigte ich zunächst für mich selbst die Gewissheit durch die Frauenärztin und erst dann konnte ich Muttergefühle entwickeln, sofern ich das wollte. Was war gerade mit mir los? Welche Hirngespinste kamen in mir auf? Ein weiteres Baby? Unmöglich. Die Familienplanung war abgeschlossen, seitens Florian und auch meinerseits. Mit einem Baby würde alles von vorne beginnen. Die schlaflosen Nächte, Windeln wechseln, stillen, Baby Brei kochen, Geschrei von früh bis spät. Abgesehen von der Tatsache, dass unsere Wohnung zu klein wäre, das Auto auch. Nein, wir waren entschlossen. Drei Kinder waren genug und dadurch, dass unsere Drillinge uns ordentlich auf Trab hielten, war kein Platz für ein kleines Baby. Der Test musste falsch sein! Die Leere im Wartezimmer täuschte. Ich saß, wie ich saß und je länger ich saß, umso zügiger setzte sich das Gedankenkarussell in Bewegung und umso nervöser wurde ich. Bis heute früh im Bad wollte ich auf keinen Fall meinen Mann von der bevorstehenden Untersuchung und von meiner Unsicherheit etwas sagen, doch nun änderte sich meine Meinung blitzartig. Warum, kann ich nicht sagen, aber ich verspürte plötzlich das Bedürfnis. Ich musste meine Gedanken loswerden. Irgendeinem musste ich davon erzählen. Da kam mir mein Mann als erstes in den Sinn. Es mag sein, dass meine beste Freundin oder die eigene Mutter gute Alternativen gewesen wären, aber ich wollte diesen intimen Moment mit Florian teilen. Immerhin betraf es ihn mit. Wäre die Wartezeit nicht so lang gewesen, hätte ich den Drang vermutlich nicht verspürt, aber nach nunmehr einer vergangenen halben Stunde zuckte ich das Telefon aus meiner Tasche. Ich schrieb Florian folgende Nachricht: ´Ich habe ein sehr großes Problem. Eigentlich will ich dich damit vorab nicht belästigen oder beunruhigen, aber ich finde, es ist nur fair, dass du es weißt … Ich habe heute früh einen Schwangerschaftstest gemacht und dieser war positiv. Nun sitze ich im Wartezimmer beim Frauenarzt. Das kann doch eigentlich nicht sein, oder? ´ So schnell tippte ich selten eine Nachricht. Vor allem so entschlossen. Ich erschrak über mich selbst. Mein Schwangerschaftsverdacht war noch nicht einmal bestätigt und trotzdem schwankte ich zwischen Unsicherheit und Entscheidungsfreudigkeit über das Behalten eines solch kleinen Wurms hin und her, nur davon wollte ich meinen Mann nichts spüren lassen, sofern er sich nicht zu der Eventualität geäußert hatte. Was war ich für ein Mensch? Was war ich für eine Mama? Ich wandte meinen Blick von dem Telefon ab und blickte ins Leere. Zum ersten Mal am heutigen Tag dachte ich an nichts. Lediglich der Geräuschkulisse in der Praxis lauschte ich, welche nur mein Herzschlag übertönte. Es schlug so schnell, als würde es mir aus der Brust springen wollen. Ich versuchte, meine Atmung zu kontrollieren und meinen Puls auf Normalniveau zu bringen. Als mir mein Vorhaben gelang, wandte ich mich meinem Handy zu und las mehrfach meine verfasste Nachricht. Sollte ich meinen Mann in Kenntnis setzen oder lieber doch nicht? Ich überlegte hin und her und dann war es passiert. Bewusst oder aus Versehen kam ich auf die Sendetaste und verschickt war die Nachricht. Meine Hände wurden feucht und eine innere Unruhe machte sich breit. Was würde Florian darauf antworten? Wie wäre seine Reaktion? Vielleicht hatte er auf Arbeit zu tun und konnte die Mitteilung momentan nicht lesen. Doch damit lag ich falsch. Ein leises Signal ertönte und Florian antwortete kurz und knapp: ´Eigentlich kann es nicht sein. ´ Stimmt, damit hatte er recht. Wie soll eine Unfruchtbare plötzlich und trotz Verhütung schwanger werden? Der Test musste sich irren. Ja, so musste es sein. Gerade, als ich das Telefon in meine Tasche packen wollte, ertönte erneut ein Signal und ich blickte auf das schwarze Rechteck. Florian hielt für einen Moment inne und dachte darüber nach, denn nun ergänzte er ausführlich seine Gedanken. Er teilte mir mit, dass er auf jeden Fall hinter mir stehe, egal, was ich für eine Entscheidung treffen werde. ´Conny, ich bin gerade völlig verwirrt´, ergänzte er weiter. ´Das wir zwei … irgendwie … unter anderen Umständen wäre ich jetzt wahnsinnig glücklich, aber so ... Ach ich weiß auch nicht, was das jetzt gerade für ein Gefühl ist. Wir müssen auf jeden Fall spätestens am Nachmittag reden oder wenn du Gewissheit und auf dem Weg zur Arbeit ein paar Minuten Zeit hast! ´ Es war eindeutig. Florian war gerade genauso aus allen Wolken gefallen, verwirrt und überrascht, wie ich vor mehr als über einer Stunde. ´Was geht eigentlich in deinem Kopf vor? ´ ´Ich kann es nicht sagen und ich kann auch nicht sagen, ob ich mich freue. Eins weiß ich, es hat keinen Platz in unserem Leben und bis wir eine klare Entscheidung getroffen haben, sollen weder die Kinder, noch unsere Eltern und Freunde sowie meine Chefin etwas davon mitbekommen.´ Bevor wir weiter unsere Gedanken austauschen konnten, ertönte durch den Lautsprecher, der oberhalb der Tür angebracht war, mein Name. Endlich war es soweit. Die Stunde der Wahrheit.

      Tag 1 - Die Stunde der Wahrheit.

      Gespannt betrat ich die Kabine mit der Nummer eins, entledigte mich meiner Schuhe sowie meiner Hose und Unterwäsche und wartete auf den erneuten Aufruf durch den Lautsprecher.

      „Frau Jakobi bitte.“ Da ertönte mein Startsignal zum Verlassen der Kabine und Betreten des Sprechzimmers. Meine alt bekannte und mich bereits jahrelang betreuende Ärztin reichte mir mit einem freundlichen Lächeln die Hand und bot mir im selben Atemzug der Begrüßung den Platz neben ihrem Schreibtisch an. „Guten Morgen Frau Doktor Funke. Vielen Dank, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich genommen haben“, bedankte ich mich höflichst bei ihr, faltete mein Handtuch aus, legte es sorgfältig auf den Stuhl und nahm, wie angeboten, Platz. Die Frau Doktor schlug meine Patientenakte auf, fing an, erste Notizen in ihren Computer zu tätigen und meinte währenddessen „Frau Jakobi, der letzte Abstrich war in Ordnung, sonst hätten wir Sie angerufen. Jedoch ist dieser bereits eine Weile her, somit würde ich diesen heute gleich mit vornehmen.“ Ich nickte zustimmend. Dann blickte sie zu mir und meinte „Sie sind bezüglich eines anderen Anliegens hier, oder?“ Erneut bestätigte ich und schluckte den Kloß, der mir förmlich im Halse stecke, hinunter. Wie ein reumütiges Schulkind, das vor dem Direktor saß und ein Missgeschick zugeben musste, senkte ich den Kopf und sah auf meine Hände. Meine Finger zitterten und zupften nervös an meinem T-Shirt. „Ich habe heute Morgen einen Schwangerschaftstest gemacht und dieser war positiv.“ Während ich mir die Worte aus dem Mund quälte, blickte ich schuldig zu ihr auf. Frau Funke kannte mich lange genug um einschätzen zu können, dass sich meine Euphorie gerade im Zaum hielt, blieb aber weiter freundlich und fragte lediglich nach meiner letzten Blutung. Direkt vor mir an der Wand hing ein Dreimonatskalender und der oberste Abschnitt wies den Monat März aus. Ich sah das von der Ärztin geforderte Datum in Zahl schwarz auf weiß vor mir, gab ihr Auskunft und grübelte, an welchen Tagen mein Mann

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