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sein. Schon von weitem war die buschige Hofeinfahrt sichtbar, die das große, eiserne Tor umgab und den Seiteneingang zuwucherte, dass niemand ihn bemerkte. Auch Jasmin sah ihn nicht und ging weiter ohne zu merken, dass Cathy bereits stehen geblieben war. Erst nach einigen Metern fiel es ihr auf und sie drehte sich ärgerlich um.

      „Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich nicht den ganzen Tag Zeit habe. Also leg endlich einen Schritt zu. Wir können uns auch den ganzen Unsinn sparen und wir ruhen uns noch etwas aus, bevor die Arbeit heute Abend losgeht. Da hast du mit ein bisschen Geschick und bei deinem Aussehen das Geld im Handumdrehen zusammen.“

      „Wir sind schon da!“

      Catherine zeigte mit dem Kopf hinüber zur Villa, die völlig versteckt hinter den Hecken und dem Blattwerk lag, das sich um die Gartenmauer schlängelte.

      „Dahinter ist es schon“, erklärte sie Jasmin ihre Kopfbewegung.

      „Und du bist dir sicher, dass hier die Carringtons wohnen?“, fragte Jasmin skeptisch. „Sieht eher sehr verlassen aus, wenn du mich fragst.“

      „Natürlich bin ich mir sicher. Ich bin hier schließlich früher ein- und ausgegangen. Die Carringtons leben lieber zurückgezogen und wollen nicht unbedingt in der Öffentlichkeit und für allermann sichtbar sein.“

      Catherine ging auf die versteckte Seitentür zu. Sie wurde schon lange nicht mehr benutzt. Warum sollte sie auch? Das große Eisentor öffnete sich auf Knopfdruck, wenn der Besuch sich anmeldete und jeder der Familie hatte am Schlüsselbund einen Chip der das Tor automatisch öffnete. Die Seitentür wurde daher so gut, wie nie benutzt. Catherine drückte die alte, verrostete Klinke hinunter und zuckte bei dem quietschenden Lärm, den das Tor beim Öffnen verursachte, unwillkürlich zusammen. Geduckt zwängte sie sich durch das dichte Blattwerk und war kurz darauf im Vorgarten der Carringtons angekommen. Von hier aus waren es noch knapp 50 Meter bis zur Haustüre des weitläufigen Anwesens. Mit jedem Schritt, den Catherine näher kam, wurde ihr mulmiger zumute. Was war wenn Mike hier war? Er würde ihr das Geld geben, keine Frage! Aber was würde er dann von ihr denken? Dass sie der letzte Abschaum wäre? Vielleicht hatte sie auch Glück und er war unterwegs, wie so oft und er würde nichts von alldem hier mitbekommen. Jasmin dagegen kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Bislang hatte Cathy ihr und auch den anderen die Verbindung zu den Carringtons verschwiegen und hätte es auch jetzt noch getan, wenn sie nicht den letzten Strohhalm gerade greifen wollte, den es noch gab – ihre Mutter. Schon die Erklärung, dass ihre Mutter in Wellington war, hatte ihr Jasmin nicht abgenommen und erst recht nicht, dass sie die Carringtons kannte. Es war ihr auch nicht zu verdenken. Immerhin hatte Jasmin in den letzten Jahren viel Zeit mit Cathy verbracht und sie hatte ihr bisher kein einziges Wort von den Carringtons erzählt. Deshalb war es schwer gewesen, sie überhaupt zu überreden, nach Wellington zu fahren. Nicht zuletzt, da Jasmin von Matthew abends wieder zum anschaffen geschickt wurde und sie verständlicherweise jetzt lieber zu Hause im Bett bleiben wollte, als mit Catherine umsonst durch die halbe Stadt zu laufen. Wahrscheinlich hätte Jasmin auch mit dem Namen nichts anfangen können, wenn nicht hin und wieder ein Freier sie ins Nobelhotel Carrington verschleppte, vermutete Catherine. Sie kamen näher und aus dem Seitenwinkel konnte Catherine beobachten, wie Jasmin immer beeindruckter und ehrfürchtiger sich dem Eingang der Villa näherte. Wenn der Ernst der Lage nicht so dramatisch gewesen wäre, hätte sie über Jasmins Verhalten ausgiebig gelacht, doch momentan war ihr eher nicht danach und sie setzte alle Hoffnung in das bevorstehende Gespräch mit ihrer Mutter. Catherine klingelte und der melodische, an die Kindheit erinnernde Klingelton, war durch die Eingangshalle bis nach draußen zu hören. Sie warteten und es dauerte nicht lange, als eine schlanke, schwarzhaarige Frau mit durchdringenden blauen Augen ihnen die Tür öffnete. Catherine vermutete, dass es sich um Laura handeln musste. Sie war Laura bisher nur ein- oder zweimal begegnet und da war Cathy nicht gerade nüchtern oder ohne Drogen gewesen, um sich das Gesicht zu merken. Die Frau dagegen, schien sie sofort erkannt zu haben und bot sie freundlich herein. Es war komisch, aber diese Laura hatte kein bisschen den herrischen und dominierenden Gang und die Haltung, die Elizabeth Carrington immer hatte. Außerdem wäre auch Elizabeth Carrington nie selbst an die Türe gekommen. Dafür hatte sie ihr Personal! Laura dagegen war freundlich, zuvorkommend und passte eher als angestelltes Personal in dieses Haus, denn als Hausherrin. Laura führte die beiden vergnügt in die Küche und bot ihnen ohne Umschweife einen Kaffee an.

      „Du möchtest sicherlich zu deiner Mutter, Catherine. Ich darf doch Catherine sagen, oder?“

      Cathy nickte und setzte sich an die Theke in der Küche.

      „Martha ist noch im Salon und hilft mir beim Aufräumen. William hatte gestern seinen Geburtstag und ich bin froh, dass sie mir bei den Festlichkeiten geholfen hat. Ich hole sie gleich. Setzt euch schon mal.“

      Laura tänzelte leichtfüßig zum Kaffeeautomaten und machte völlig selbstverständlich zwei Kaffee. Catherine beobachtete sie und staunte ein weiteres Mal über diese Frau. Für Williams Mutter wäre es nie in Frage gekommen, dass sie den Kaffee selbst gemacht hätte, geschweige denn, hätte sie ihr überhaupt einen Kaffee angeboten. Laura servierte ihnen den Kaffee und ging zur Tür hinaus, um Martha zu holen. Jasmin kam aus der Verwunderung nicht mehr heraus. Wenn Catherine diese Kontakte hatte und auch noch von der Hausherrin bedient wurde, warum war sie dann drogenabhängig auf der Straße gelandet? Und warum hatte sie nicht sofort hier angeklopft, während sie die ganze Woche sämtliche Versager ihres Bekanntenkreises abklapperte, die ihr sowieso nichts geben konnten? Für Jasmin passte das alles nicht zusammen! Sie genoss ihren Kaffee und wartete gespannt auf die weiteren Geschehnisse.

      Marthas Hände zitterten und wurden feucht, als Laura ihr von dem überraschenden Besuch erzählte. Anfangs konnte sie den Worten nicht glauben, bis die Nachricht bei ihr etwas gesickert war und schließlich die Aufregung sich in ihr breit machte. Vielleicht würde sich doch endlich alles zum Guten wenden und sie würde sich endlich von ihr helfen lassen. Die Hoffnung wuchs und eiligen Schrittes ging sie in die Küche, in der sie geschockt über den Anblick ihrer Tochter im Türrahmen stehen blieb. Tiefe Augenringe und eingefallene Wangen ließen ihr schönes Gesicht um Jahre älter aussehen. Ihr Körper war extrem abgemagert, seit sie Catherine das letzte Mal gesehen hatte. Aber am meisten irritierte Martha die leicht bekleidete und stark geschminkte Begleitung ihrer Tochter. Wenn ihre Tochter so einen Umgang pflegte, bedeutete das sicherlich nichts Gutes. Die eben noch gehegten Hoffnungen schwanden dahin und sie setzte sich leicht enttäuscht an die Theke zu ihrer Tochter.

      „Hello Mum“, begrüßte ihre Tochter sie. „Wie geht es dir?“

      „Mir würde es bedeutend besser gehen, wenn ich dich nicht so sehen würde!“, machte Martha ihrem Kummer Luft.

      „Fang bitte nicht wieder davon an. Ich will nicht mit dir streiten“, ging Catherine in die Offensive. Sie hatte keine Lust auf Streit und außerdem war genau das, das Letzte was sie erreichen wollte. Doch auch Martha war so schnell nicht zu täuschen.

      „Warum bist du überhaupt gekommen? Willst du Geld? Ich werde dir kein Geld geben, damit du es wieder für Drogen ausgeben kannst!“

      „Aber Mama, es ist wirklich wichtig! Kannst du mir bitte etwas geben? Ich bin da in so eine Sache geraten, bei der nicht zu spaßen ist.“

      „Du kannst Essen und Kleidung von mir haben und jederzeit wieder zu Hause einziehen, wenn du ein Dach über dem Kopf brauchst, aber ich werde dir kein Geld geben.“

      „Mama, ich verstehe dich auch, aber ich habe Schulden und muss diese dringend bis heute begleichen. Kannst du mir bitte dabei helfen?“, flehte sie ihre Mutter an und die Tränen rannen ihr übers Gesicht.

      Martha war gewillt nachzugeben und ihr zu helfen, aber sie hatte schon lange genug den Versprechen von Catherine geglaubt und wurde immer wieder enttäuscht, da diese sie doch nicht gehalten hatte. Genau vor diesem Flehen und dem entstehenden Mitleid warnten sämtliche Ratgeber, die Martha in Bezug auf die Drogenabhängigkeit bereits schon in Unmengen gelesen hatte. Sie durfte jetzt nicht nachgeben, sonst würde der Kreislauf nur wieder von vorne beginnen, wie ihr die vielen Ratgeber mit anschaulichen Beispielen erläuterten. Auch wenn ihr Catherine unheimlich leid tat in diesem Moment und Martha sich gar nicht ausmalen wollte, in welchen Problemen sie wirklich steckte, so musste

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