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spürte er die Hitze, die das glühende Kupfer ausstrahlte. Verzweifelt bäumte er sich auf.

      Freundlich lächelnd kam der Henker zu Llauk und tippte kurz auf die weiche Bauchdecke knapp oberhalb des Nabels. "Hier!", tat er seinen Helfern kund und trat einen Schritt zurück.

      Aus dem Publikum kamen Anfeuerungsrufe. Aber nicht die Henker sollten angestachelt werden. "Schreit, Herr! - Schreit, Herr!", forderte die Menge.

      Llauk wollte nicht ungefällig sein. Als die freundlich lächelnden Henkersknechte die glühenden Haken auf seine Haut hinab senkten, holte er noch einmal tief Luft und schrie, wie er noch nie in seinem Leben geschrien hatte.

      "Nun, Herr, was sagt Ihr zu unserer Justiz? - Gibt es eine Gerechtigkeit am Gericht von Sordos?", verlangte der fremde Edelmann zu wissen, der im letzten Moment aus der Menge getreten war und Llauk vor der Vollstreckung bewahrt hatte. Jetzt saßen beide Männer in einem hellen, großen Raum bei einem Krug guten Weines zusammen.

      "Ja! Natürlich!", bestätigte Llauk eilig. Er hatte eine etwas ungewöhnliche Sitzhaltung eingenommen. Die Brandblasen an seinem Bauch schmerzten entsetzlich. Noch immer konnte er den Grund für seine wunderbare Errettung nicht verstehen.

      "Hört, Stoffmacher aus der Provinz Idur, warum Ihr hier mit mir an einem Tisch sitzen und Wein trinken dürft. Hört, warum die Möwen nicht schon Eure Eingeweide und Eure Augen gefressen haben - und die feurigen Haken nicht Euer Fleisch zerrissen."

      Llauk schauderte. Eine Ausdrucksweise hatte dieser Kerl ...

      Vernehmt, Stoffmacher, dass Kapitän Sed eb Rea, den Ihr aus Undank heimtückisch ermorden wolltet, sich für Euch eingesetzt hat."

      Llauks Unterkiefer klappte herunter. Das war doch wohl nicht möglich. Sed eb Rea, der Kapitän der `Großen Geliebten', dieser brutale, heimtückische Leuteschinder hatte ihn, Llauk, vor dem sicheren Tod gerettet? Undenkbar!

      "Sed eb Rea“, fuhr der Fremde fort, "Geheimer Kurier des Hofes von Sordos, Großkapitän der Flotte Dramils, Fürst der Provinz Tonar, meint, dass Euer unwürdiges Leben den Interessen des Hofes von Sordos nützlich sein könnte."

      Llauks Gesichtsausdruck wurde, wenn möglich, noch geistloser. Kurier? Großkapitän? Fürst? - Er verstand überhaupt nichts mehr.

      "Ferner meint der Kapitän, dass Ihr, mein lieber Stoffmacher, eine der kriecherischsten Krämerseelen seid, die er je sah und dass Euer Stolz dem eines kopulierenden Hundes gleicht, Herr. - Hat er damit recht?"

      Llauk wollte protestieren. "Das ist eine ..."

      "Überlegt Euch Eure Antwort gut, Herr", unterbrach ihn der Fremde. "Oder wollt Ihr zurück auf den Richtplatz?"

      "Nein!" Llauk wollte mit einer abwehrenden Handbewegung aufspringen, aber die Brandwunden ließen ihn vor Schmerzen aufstöhnen und sofort wieder zusammensacken.

      "Seid Ihr nun ein widerlicher Kriecher oder nicht?"

      "Doch", keuchte Llauk eilig. "Gewiß!"

      "Eure Moral ist also die des vollen Bauches?"

      Llauk nickte stumm.

      "Und Ihr leckt willig die Hand, die Euch füttert?"

      Wieder bestätigte Llauk, Tränen des Schmerzes und der Demütigung in den Augen.

      "Dann will ich Eure Ehrlichkeit mit zwölftausend Bronzestücken belohnen."

      Zwölftausend Bronzestücke! Llauks Kopf ruckte hoch. Forschend sah er sein Gegenüber an. Was für eine gewaltige Summe! Doch sofort ließ er die Schultern wieder mutlos herabsinken. Das war doch bestimmt nur eine neue Teufelei dieser Dramilen.

      Seit Llauk seine Heimatprovinz in Richtung der estadorianischen Hauptstadt verlassen hatte, war alles, aber auch alles schiefgegangen. Bestimmt wollte dieser Dramile, der in seinen feinen Kleidern vor ihm saß, nur eine weitere närrische Hoffnung in ihm wecken, nur um sie dann wieder umso grausamer zu zerschlagen. Innerlich bebend wartete Llauk schon auf den Moment, in dem der Mann des Spiels überdrüssig wurde und sein Opfer doch wieder zum Richtplatz schleifen ließ.

      "Nun, lieber Stoffmacher aus Idur, was Eure Strafe betrifft, habt Ihr Recht." Der Fremde hatte Llauks zweifelnde Miene richtig gedeutet. "Wir werden nicht umhinkommen, Kapitän Sed eb Rea seine Genugtuung zu verschaffen. - Doch das hat Zeit. Wir haben große Pläne mit Euch; und solange Ihr unseren Ansprüchen genügt, braucht Ihr um Euer Leben nicht zu fürchten."

      Jetzt klärte sich für Llauk manches auf. - So war das also! Man schenkte ihm sein Leben nicht umsonst, sondern erwartete eine Gegenleistung von ihm. Dieses Wissen übte eine beruhigende Wirkung auf sein Gemüt aus; die Dramilen würden ihn nicht hinrichten, solange sie ihn brauchten. `Man tötet keinen guten Sklaven!' lautete ein Sprichwort der Stoffmacher. Nun, Llauk würde diesem Dramilen ein guter Sklave sein. - Ein sehr guter. - Der Beste! "Was kann ich tun, Herr?", fragte er mit aller Demut, derer er fähig war.

      "Ich will das Herz Eures Heimatlandes", erwiderte der Dramile. "Die Hauptstadt von Estador. - Ich will Thedra!"

      Der Hader zwischen den Hauptstädten Estadors und Dramils war beinahe so alt wie die Stadt Thedra.

      Bevor der damalige Kaiser auf die unselige Idee verfallen war, auf den öden Felsklippen des Nordgestades eine Verbanntenkolonie einzurichten, war Sordos unangefochten die Stadt gewesen, die die Meere beherrschte. Jahrhundertelang hatten die Dramilen ihre Vorherrschaft weiter und weiter ausbauen können. Dramilische Frachter bereisten die Küsten des ganzen Kontinents und dramilische Kriegsschiffe hatten ein Großteil der Kaiserlichen Flotte gestellt. `Kein Faß Wein und kein Sack Getreide, kein Karren Erz und kein Ballen Seide geht auf das Wasser, ohne dass die Dramilen daran verdienen' hatte man sich in allen Ländern der Welt erzählt; und so war es auch gewesen. Wohl waren noch andere Schiffe auf dem Meer unterwegs gewesen, doch alle hatten den Dramilen Tribut zahlen müssen.

      Kapitäne, die sich weigerten, waren von den starken dramilischen Schiffen aufgebracht und ihrer Waren beraubt worden. Damals hatte man zum ersten Mal von `Findern' sprechen hören.

      Finder waren ursprünglich schnelle dramilische Dreimaster gewesen, die das Meer nach unbotmäßigen Kapitänen und ihrer Fracht absuchten. Hatten sie ein Schiff gefunden, das kein gültiges dramilisches Zolldokument an Bord hatte, konnten die Finder nach Belieben mit Fracht, Schiff und Besatzung verfahren.

      Leider neigten schon damals einige der Finder dazu, die Bestimmungen des kaiserlichen Rechts allzu frei auszulegen. Mehr als einmal waren Frachten, für die ohne jeden Zweifel alle Abgaben bezahlt worden waren, als `Finderware' wieder aufgetaucht. Die Finderkapitäne hatten jedes Mal augenzwinkernd behauptet, das betreffende Schiff sei unbemannt auf hoher See treibend vorgefunden worden und man habe die Ware nur gerettet. Da regelmäßig auch die ganze Findermannschaft diese Geschichte bestätigte und die Besatzungen der `gefundenen' Schiffe auf ewig verschwunden blieben, konnte nie ein Gericht anders entscheiden, als den Findern den Fund zuzusprechen. Außerdem - welcher Richter hätte das Risiko eingehen wollen, seine eigene Heimatstadt einem Angriff der gesamten dramilischen Flotte auszusetzen?

      Das waren also die goldenen Jahre von Sordos gewesen. Die Jahre, in denen kein Anker sich vom Grunde der Häfen hob und kein Segel auch nur einen Windhauch einfing, ohne dass die Dramilen davon profitiert hätten.

      Auch den Thedranern war es zu Anfang nicht besser ergangen:

      Einst war Thedra ein namenloser Fleck hoch im Norden des Kaiserreiches gewesen. Vom übrigen Kontinent durch zwei unüberwindlich hohe Bergketten und ausgedehnte tückische Hochmoore, abgeschnitten, felsig und unfruchtbar, bot es sich nur für einen einzigen Zweck an: Thedra war damals kein Ort gewesen, an dem jemand freiwillig gelebt hätte. Es war ein Ort, an den man gebracht wurde - es war die Kolonie der Verbannten des Kaiserreichs. Hier wurden sie an Land gesetzt, all die, deren Dasein die Mächtigen des Kontinents in ihrer Ruhe störte, die aber nicht einfach dem Henker überantwortet werden konnten: Kaufleute, bei denen Fürsten und Grafen sich verschuldet hatten und die es gewagt hatten, ihr Geld zu fordern; illegitime Kinder der Reichen und Mächtigen, die auf Vermögen und Titel Anspruch hätten erheben können; hohe

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