ТОП просматриваемых книг сайта:
Eine irische Ballade. David Pawn
Читать онлайн.Название Eine irische Ballade
Год выпуска 0
isbn 9783847661757
Автор произведения David Pawn
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Und um alles noch schlimmer zu machen, schüttelte Daniel theatralisch den Kopf, guckte in sein Blatt, guckte auf den Tisch und sagte: „Check.“
Protzke war offenbar ziemlich zufrieden mit der Situation, setzte auch nichts und auch ich hielt mich zurück. Ich wusste schließlich, dass meine Asse nichts mehr wert waren. Ich hatte nicht mal ein Herzass, um mich verbessern zu können. Der Dealer legte eine vierte Karte auf den Tisch. Es war irgendein König, den alle ignorierten. Jetzt sah sich Daniel bemüßigt zu setzen. Aber klein, ganz klein. Er wollte schließlich niemanden vertreiben. Mich vertrieb er allerdings. Protzke blieb dabei und ich wusste, was passieren würde. Ich wusste es ganz genau, denn ich sah vor meinem inneren Auge, wie er den riesigen Berg Chips an sich raffte, der sich nach der fünften Gemeinschaftskarte auf dem Tisch aufhäufen würde. Ich sah, wie Daniel Augen wie Suppenteller bekommen und in stummem Entsetzen den Kopf schütteln würde. Aber dann würde es zu spät sein, er würde seinen gesamten Chipstapel abgegeben haben. Und ich konnte ihn nicht warnen. Das sind die Regeln, die Regeln am Pokertisch und in meinem Leben.
Die fünfte Karte war eine Kreuz-Zwei, die sich zu einer Zwei in Herz auf dem Tisch gesellte.
Daniel setzte. Protzke erhöhte, Daniel erhöhte seinerseits immer noch vorsichtig, weil er seinen Gegner nicht verschrecken wollte. Er wollte Protzke in die Falle locken und stand selbst mit beiden Beinen drin. Protzke schob einfach seine ganzen Chips in die Mitte und verkündete: „All in!“
„Call!“ Das kam wie aus der Pistole geschossen.
„Showdown“, verkündete der Dealer, „zwei Spieler All-In.“
Natürlich hatte Daniel einen Flush. Das stand ja die ganze Zeit auf seiner Stirn geschrieben. Und Protzke zeigte sein Full House. Der Alte neben mir kicherte in sich hinein. Er hatte es auch gewusst.
„Very unlucky“, ließ sich der Amerikaner vernehmen und zu Protzke sagte er: „Nice hand.“ Das Standardlob der Pokerspieler.
Christian schlug seinem Kumpel auf die Schulter und sagte: „Tja, das war wohl nichts. Die spielen hier besser als bei uns in der Runde.“
Protzke zog die Chips zu sich herüber und begann zu sortieren. Es ging immerhin um 4000 Euro. Für ihn und mich ist das nicht viel, aber Daniel sah aus, als hätte er einen Tritt in den Magen bekommen. Er hätte wohl bei den heimatlichen Spielen am Wohnzimmertisch bleiben sollen.
Er erhob sich langsam von seinem Platz, legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter, wie um sich zu stützen und sagte: „Ich gehe zur Bar rüber. Von dem Schreck muss ich mich erst mal erholen.“
Christian sah von seinen Karten auf und nickte. „Ich warte hier. Sag Bescheid, wenn du verschwinden willst.“
„Mach ich.“ Daniel bewegte bereits sich in Richtung Bar.
Ich hatte an diesem Abend auch nicht wirklich Glück gehabt. Gerade wurden meine Asse plattgemacht, bloß dass ich vorher Bescheid wusste, hatte mir den Arsch gerettet. Ich schob meine zwei Karten dem Dealer rüber, als ich an der Reihe war, und verkündete: „Heute läuft gar nichts. Ich brauche mal ‘ne Pause.“ Protzke lächelte süffisant und blickte bedeutungsvoll dem jungen Daniel hinterher. Ich runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
Daniel hatte es sich neben der Bar in einem Sessel gemütlich gemacht und guckte überrascht, als er mich auf die Sitzgruppe zusteuern sah.
„Läuft heute nicht“, sagte ich, als ich mich zu ihm setzte. „Ich darf doch?“, fragte ich unnötigerweise, obwohl ich schon saß.
„Aber gern, darf ich Ihnen einen Drink spedieren?“ Daniel lächelte, doch es wirkte ein bisschen gequält.
„Eher umgekehrt, denke ich. Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber das war sicher nicht das, was Sie sich für diesen Abend vorgenommen hatten, oder?“
„Bestimmt nicht. Wir, Christian und ich, sind in unserer Runde immer am Gewinnen. Ich weiß gar nicht, wie das da gerade passieren konnte.“ Er sah frustriert und auch ein wenig hilflos aus.
„Hier spielen Profis, Berufsspieler, die lesen Sie wie ein offenes Buch. Und so wie Sie den Flush gespielt haben, war es einfach offensichtlich. Wenn Protzke sein House nicht trifft, gibt er einfach auf. Er musste doch nicht viel investieren. Also, wie ist es, nehmen Sie meine Einladung zum Drink an?“
„Weit ist es gekommen“, Daniel grinste, aber es sah noch immer gequält aus. „Da muss ich mich von einer Frau aushalten lassen.“
„Wer spricht von aushalten lassen. Ein Drink. Mehr gibt es sowieso nicht. Sie müssen schließlich nach Freudenstadt zurück.“ Ich wollte meinen neuen Herrn (und ich war mir inzwischen sicher, dass ich mir Daniel erwählen würde) nicht schon in dieser Nacht beweinen müssen. „Was soll es denn sein?“
„Ein Glas Wein wäre okay.“ Der junge Mann wirkte noch immer verlegen.
Ich winkte einen Kellner herbei und bestellte für uns beide einen Schoppen.
„Es wäre alles nicht so schlimm“, sagte Daniel, als der Kellner wieder verschwunden war, „aber es wird Luisa das Herz brechen.“
„Ihre Freundin?“ Oh, was für eine bescheuerte Frage.
„Nein, meine Schwester. Wir fahren jedes Jahr gemeinsam in den Urlaub. Ich hatte ihr für dieses Jahr eine Seereise versprochen. So eine richtige Kreuzfahrt. Damit ist es nun Essig. Sie wird todunglücklich sein. Sie ist ja noch wie ein Kind.“
Ich sagte nichts und sah ihm nur interessiert ins Gesicht. Das ist ein guter Trick, um jemanden dazu zu bringen, weiterzusprechen.
„Down-Syndrom“, erklärte Daniel. „Sie ist zwei Jahre jünger als ich. Meine Eltern kümmern sich um sie, aber hin und wieder brauchen sie auch mal eine Auszeit, und dann fahre ich mit ihr in den Urlaub. Ein paar Wochen an der Nordsee machen sie natürlich genau so glücklich wie eine Reise in die Karibik. Aber ich hatte ihr von dem großen Schiff erzählt, auf dem wir dieses Jahr fahren wollen, und das hat sie sich gemerkt. Immer wenn ich zu Besuch komme, fragt sie nach.“
Das war natürlich traurig. Ich schaute Daniel tief in die Augen. Er hatte Williams Augen. William …
Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen oder zumindest vor zehn Jahren. Aber inzwischen ist es beinahe sechshundert Jahre her. Ja, so alt bin ich und ich bin eine bean sí, wie die alten Iren sagten oder, wie es heute heißt, eine Banshee, eine Todesfee. Aber das haben Sie sicher erraten.
Ich kann mich genau an den Tag erinnern, als plötzlich Williams Mutter in unserem Garten vor mir stand, während ich gerade Zwiebeln steckte. Ihre Augen waren rot von den Tränen, die sie in den letzten Tagen um ihren liebsten Sohn vergossen hatte. William hatte sich auf dem Hügel erhängt, weil ich ihn nicht erhört hatte, wie man so sagt.
William und ich hatten uns auf einem Dorffest kennengelernt. Wir hatten an diesem Tag viel miteinander getanzt und gelacht. In den Wochen danach waren wir immer wieder gemeinsam durch die Felder spaziert. Und, ja, William hatte mich auch küssen dürfen, und einmal hatte er wie zufällig meine Brust gestreichelt. Natürlich war dabei der Stoff des Kleides zwischen meiner Haut und seiner Hand, aber all dies zusammen hatte den Jungen wohl ermutigt.
Aber ich war damals ein junges, dummes Ding gewesen. Ich hatte ihn ausgelacht, als er mit seinem Strauß Feldblumen und seinem Antrag vor unserer Tür gestanden hatte. Und jetzt stand seine Mutter vor mir wie eine Rachegöttin.
„Keine Träne“, fauchte sie, „keine einzige Träne hast du vergossen für meinen Sohn.“ Feuer loderte ihn ihren Augen. Sie war wie ein Drache, der jeden Augenblick Flammen und Schwefel auf mich regnen lassen konnte. „Aber du wirst weinen. Du wirst um den Tod jeden Carrs bittere Tränen vergießen bis zum Ende unserer Tage. Und du wirst nie einen besseren finden als meinen William.“ Dann spuckte sie mir ins Gesicht und ging.
Als sie starb, wusste ich es drei Tage im Voraus und konnte bis zur Nacht ihres Todes die Tränen nicht aufhalten. Wie Bäche flossen sie aus mir heraus. Aber ein so schweres Los, wie Sie vielleicht denken, war dieser Fluch