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Dann findest du vielleicht eher, was du so dringend suchst. Wirst es aber trotzdem nicht finden“, murmelte Claas leise vor sich hin, ohne sich bewusst zu werden, wie unlogisch sein Monolog auf Fremde klingen musste. Mit einem tiefen Seufzer lehnte er sich an den Rahmen der Kellertür. Müde fuhr er über sein Gesicht, konnte jedoch die Spuren der maßlosen Enttäuschung nicht verwischen. Seine Körperhaltung signalisierte Unsicherheit, gepaart mit Wachsamkeit, die die erforderliche Stärke in ihm wachhielt.

      „Okay, du hast gesiegt. Ich werde es für mich behalten.“ Sein Selbstgespräch klang wie das Ergebnis eines langen inneren Kampfes, der mit Resignation beendet wurde. Schneller als erwartet stürmte Tanja wieder die Kellertreppe hoch.

      „Warum hast du dir denn kein Licht gemacht? Du konntest doch gar nichts sehen, und wieso bist du schon wieder oben? Hast du was gesucht? Dafür hast du dir doch gar keine Zeit genommen“, empfing Claas seine Frau lauernd.

      „Brauche auch keine Zeit. Hab gesehen, dass du da unten nicht so ein heilloses Durcheinander wie hier oben angestellt hast“, schubste sie ihn ungehalten zur Seite.

      „Das hätte ich dir auch sagen können, hättest dir den Weg ersparen können. Ich habe eine Akte gesucht, die ich aus der Bank mit nach Hause genommen habe. Die habe ich ja schließlich nicht in den Keller geschleppt. Ich war also gar nicht im Keller.“ Tanja war bereits einige Schritte an ihm vorbeigeeilt und konnte die verräterischen roten Flecken in seinem Gesicht, die ihn stets der Lüge überführten, nicht mehr sehen.

      „Ne Akte? So, so. Unter unserem Wohnzimmerteppich? Eine Akte“, äffte Tanja ihren Mann nach und schien das Interesse an einer Aufklärung endgültig verloren zu haben. Sie glaubte, sich davon überzeugt zu haben, dass von ihrem Mann keine Gefahr ausging.

      „Natürlich nicht. Da, da habe ich Wasser ausgeschüttet, als ich das Regal putzen wollte, wo, wo es doch schon einmal ausgeräumt war“, stotterte Claas und mied den Blickkontakt mit seiner Frau.

      „Lass gut sein. Streng deinen Kopf nicht unnötig an. Ich glaube dir sowieso nicht. Ich gehe jetzt ins Bett. Sieh zu, dass du hier Ordnung schaffst. Nein, ich will auch heute nicht wissen, wer damals deine Auserwählte war. Bringt doch nichts. Versuchen wir es also weiter. Du bist schon ein komischer Vogel“. Mit leicht nach oben gezogenen Mundwinkeln, was ein Lächeln erahnen ließ, schaute sie sich kopfschüttelnd ein letztes Mal im Wohnzimmer um, näherte sich der Schlafzimmertür, blieb unschlüssig stehen und verschwand im Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen.

      >Sie hat wirklich keine Ahnung. Nur dieses kurze Aufflackern mit dem Keller. Reduziert alles auf meine verdammte, stinklangweilige, längst verjährte Affäre<, sinnierte Claas, und begann mit den Aufräumarbeiten, bevor Zweifel über seine Entscheidung Besitz von ihm ergreifen konnten.

      Tanja ließ sich auf das Ehebett fallen, schleuderte ihre Schuhe von den Füßen und fischte das Handy aus ihrer Jackentasche. Ihre Hände zitterten, als sie Petras Nummer wählte. Gebannt starrte sie auf die Zimmertür. Den Gedanken, die Tür abzuschließen, hatte sie verworfen. Es schien ihr gefährlich, noch weiteres Misstrauen bei ihrem Mann zu schüren. Ihre Anspannung wuchs ins Unerträgliche, als das Rufzeichen ertönte. Sie zuckte zusammen, als sich Petra bereits mit dem zweiten Rufton meldete.

      „Du bist aber schnell. Läufst du mit deinem Handy in der Hand durch deine Wohnung? Heute Nacht konntest du dich doch kaum bewegen. Warum bist du in der Nacht nicht dran gegangen?“, atmete Tanja erleichtert auf.

      „Weil ich geschlafen habe, meine Liebe. Das machen anständige Leute mitunter, aber zu denen zählst du ja nicht“, kicherte Petra drauf los.

      „Sag mal, geht’s noch? Da machst du mich verrückt, willst mich unbedingt persönlich sprechen, ohne Wenn und Aber. Bringst mir nur unangenehme Fragen auf der Arbeit ein, und jetzt hupfst du vor Übermut aus der Kiepe. Ist wieder alles okay mit dir? Jetzt sag endlich, bevor mein Mann hier ins Zimmer kommt.“ Tanja war versucht, den Anruf wutentbrannt wegzudrücken, wusste jedoch, dass sie sich das nicht erlauben durfte.

      „Ja, es geht mir viel besser. Hab noch mal ’ne extra Dosis von diesen glücksbringenden, schmerzauflösenden Pilleken genommen. Solltest du auch mal probieren, aber dir gelingen Verwandlungen ja auch ohne Hilfsmittel. Also pass auf. Er kommt morgen wieder. Vielleicht ja auch schon heute, am Sonntag. Ich glaube nämlich, der kann mich ab. Nur deshalb taucht er immer wieder bei mir auf. Ist doch wirklich Blödsinn, dass ich mich so verrückt mache. Ich rede mir jetzt einfach ein, dass der mit mir nur, na, du weißt schon.“ Petra unterbrach ihre Rede mit einem aufreizenden, ordinären Lachen. „Du musst dir überhaupt keine Gedanken machen. Ich habe mir vorhin, du weißt schon, mit meinen Glückspillchen, überlegt, dass er mir gar nichts anhaben kann. Außerdem hast du mir die Nacht gut getan, also der Blick in deine Augen“, untermauerte sie ihre Aussage mit einem aufreizenden Lachen. „Sei dir aber nicht zu sicher, ich weiß, wozu du fähig bist. Du wirst mich nicht los“, fuhr sie ernst mit leicht drohendem Unterton fort. „So, das war’s. Muss mich wieder ein bisschen hinlegen, fahre nämlich nachher zum Kegeln.“ Wieder wurde das Gespräch, dieses Mal von einem kehligen, kurzen Lachen, unterbrochen. „Nein, nein, ich spiele natürlich nicht selber. Wie denn? Kriechend auf allen Vieren? Muss nur die Männertruppe bei Laune halten. Sozusagen als Maskottchen. Die lieben das genauso wie ich. Also, mach dir auch einen schönen Tag. Wenn ich so einen gut aussehenden Mann hätte wie du, würde mir schon was einfallen.“

      „Halt, hör mir zu“, rief Tanja entsetzt, lauter als beabsichtigt. Du kannst jetzt nicht auflegen. Du bist ja total angetörnt. Da passieren Fehler. Du reißt mich da mit rein. Das ist für keine gut.“

      „Freu dich doch, dass ich wieder die Alte bin, das wolltest du doch und mach dir keine Sorgen, den wickele ich um den Finger, spüre ich im Urin.“

      Sekundenlang starrte Tanja auf das Handy in ihrer Hand, bis sie endgültig registrierte, dass die Verbindung tot war. Langsam zog sie ihre Jacke aus, faltete sie in Zeitlupentempo zusammen und legte sie auf einem Stuhl ab. Sie verzichtete darauf, mit ihrem Rock genauso zu verfahren und kroch mit den Kleidungsstücken unter die Bettdecke. Am ganzen Körper vor Aufregung zitternd tastete sie mit den Augen die Zimmerdecke ab, fand das Spinnennetz, das sie gesucht hatte und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Zählen der dort gefangenen Kleintiere. Von den Tränen, die ihr haltlos über die Wangen liefen und ihr Kopfkissen benässten, nahm sie keine Notiz.

      Claas öffnete lautlos die Schlafzimmertür und näherte sich vorsichtig dem Bett. Tanja lag auf dem Rücken, die Bettdecke zurückgeschlagen, der Rock auf den Oberschenkeln verrutscht und gab leise Schnarchgeräusche von sich.

      Lächelnd beugte sich Claas über seine Frau und küsste sie zart auf die Wange. Tanja schreckte sofort auf und schoss in die Höhe. Claas konnte seinen Kopf noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, was beide zu einem spontanen, seit längerem mal wieder ungezwungenen Lächeln veranlasste.

      „Habe ich lange geschlafen?“

      „Das kann man wohl sagen. Es ist fünfzehn Uhr. Ich dachte, ich wecke dich jetzt mal. Bernd hat vorhin angerufen. Corinna und er möchten gegen siebzehn Uhr gerne vorbei kommen. Sie wollen sich doch beruflich verändern und so. Ich habe gesagt, dass ich erst mit dir reden muss, ob dir das heute passt.“

      „Ja, ist schon gut. Ich glaube, ein bisschen Ablenkung tut uns beiden heute auch gut. Ich stehe auf, muss mich ja auch mal duschen.“

      „Dann habe ich ja alles richtig gemacht. Im Wohnzimmer steht Kuchen. Habe ich selbst gebacken, Versöhnungsgeschenk“, lächelte er seine Frau zusehends selbstsicherer an und registrierte wohlwollend, dass sie sein Lächeln erwiderte.

      Claas öffnete schwungvoll die Eingangstür. Sein glattes, dunkles Haar war mit Gel zu einer modischen Frisur gestylt. Das enganliegende Shirt und die figurbetonte, ausgewaschene, löchrige Jeans unterstrichen seine schlanke Figur. Sein Outfit stand im krassen Widerspruch zur Anzugspflicht seines Berufsalltags und unterstrich sein Bestreben, die Arbeitswelt auszuklammern. Es blieben ihm nur noch wenige Stunden des Wochenendes, Tanja aufzuzeigen, was sie ihm bedeutete, gegen Misstrauen und Enttäuschung erneut anzukämpfen. Er wusste um

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