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zu einem waghalsigen Unterfangen. Glücklicherweise kompensierten die Negatoren auch die raschen Drehbewegungen.

      »Noch sechzig Sekunden bis Waffenreichweite.«

      Nazifa starrte hoch konzentriert auf das Holo, mit einem halben Auge auf ihr kleines Datenfenster und schaffte es nebenbei auch noch, Istvan kurz anzulächeln.

      »Alle Waffensysteme klar zum Gefecht«, meldete er kurz und versenkte sich in seine Anzeigen.

      Roscoe Tanner tippte auf ein Feld neben dem rechten Display, mit dem er die interne Kommunikation steuerte: »Füsiliere: bereitmachen. In zwei bis vier Minuten erfolgt Ausschleusung.«

      Die knarzende Stimme Anheusers quittierte knapp. Er klang gerade so, als ob er bereits an seiner Leine zerrte und die verbleibende Wartezeit als ungeheuer nervend empfand. Die Füsiliere befanden sich bereits an Bord der Sturmboote, winzige, stark gepanzerte Nussschalen, die unbedarften Normalbürgern klaustrophobische Panikattacken verschafften. »Die Jacht stellt den Ionenhammer ab«, meldete Nagama, horchte in den Ohrstecker hinein, um anzuschließen: »Sie rufen uns.«

      Tanner schüttelte den Kopf und stützte ihn sodann in den linken Arm, die für ihn typische Geste, wenn er fassungslos und erstaunt, aber nicht besorgt war.

      »Aufschalten.«

      Das jeweils linke Display vor dem Kommandantensessel und den Sitzen des Ersten und Zweiten Offiziers wechselte von reiner Datenanzeige zur durchsichtigen Variante. Durch die sich langsam bewegenden Kurven und Textzeilen war nun das Bild eines Mannes zu sehen, dem man die skrupellose Brutalität förmlich ansehen konnte. In einem runden, mit Schweiß bedeckten Gesicht glitzerten tückische Augen, die sich unruhig bewegten. Eigentlich wirkte er wie der Prototyp des professionellen Gewalt-Verbrechers, inklusive der wie arrangiert wirkenden Narbe auf der linken Wange. Eine frische Platzwunde an der rechten Augenbraue, gerade ausgeblutet und noch ohne Kruste, störte das Bild jedoch erheblich. Offenbar hatte der Kerl seinen letzten Kampf nicht mit der zu erwartenden Souveränität gewonnen. Irgendwo tief verborgen hinter der unbewegten Miene schien die gehetzte Ruhelosigkeit des in die Enge getriebenen Tigers hindurchzuscheinen. Nach außen gab der Mann den arroganten Großkotz. Mit leicht näselnder Stimme, die ein ganz klein wenig quengelig wirkte, spuckte er große Töne: »Das ist nahe genug, Horave. Wir haben die Prinzessin. Also macht nichts falsch, ja? Ein Schuss von euch und ich schneide das Früchtchen in Stücke. Ihr werdet die Nase wegdrehen und hübsch kräftig abbremsen. Bestätigen Sie.«

      Tanner biss die Zähne aufeinander, um nicht zu grinsen. Er mochte falsch liegen, aber die abfällige Bezeichnung für eine Kaiserliche Tochter und die Platzwunde mussten einfach in Bezug zueinanderstehen. Im Grunde verabscheute er die Adligen wegen zahlreicher Dinge, unter anderem, weil sie allesamt Feiglinge waren. Die Prinzessin schien da etwas anders gestrickt zu sein. Und zu seiner nicht geringen Freude durfte er heute seine Abscheu über die Kaiserin im Rahmen seines taktischen Konzeptes frei ausleben. Bei aller Gefahr für seine Zukunft und die seiner Besatzung erlaubte er sich dennoch, seine Freude für den Kerl hörbar werden zu lassen. Mit triefendem Sarkasmus gab er ihm den Blues: »Junger Freund, ich fürchte, Sie müssen sich etwas anderes überlegen. Dies ist zwar ohne jeden Zweifel ein Schiff der Kaiserlichen Flotte. Ich bin aber nicht im Mindesten adlig. Ich bin Captain Roscoe Tanner. Dies ist die Grizzly. Ergeben Sie sich, oder Sie werden zerstört. Mit allem, was sich an Bord befindet. Entscheiden Sie sich jetzt. Wie ist mir furzegal.«

      Das war natürlich glatt gelogen, aber das konnte der Kerl auf dem Display nicht wissen. Was er wusste, ließ ihn auf der Stelle erbleichen. Kaum jemand kannte die Wahrheit, alle kannten die Legenden, die sich um die Grizzly rankten. Das gefürchtete Außenwelter-Schiff! Schlachtschiff der Hölle! Nie hatte es gegenüber hochgestellten Gegnern auch nur den Hauch von Gnade gegeben. Der Captain drohte niemals, um damit etwas kampflos zu erreichen, er setzte es immer in die Tat um. Immer!

      Dem namenlosen Verbrecher wurde schlagartig bewusst, dass er eine Geisel hatte, die er gegenüber jedem Schiffskommandanten Horaves beliebig einsetzen konnte. Nur gegen einen überhaupt nicht, und genau dem war er begegnet. Tanner betrachtete den nun sehr blassen und stark schwitzenden Mann und sah ihm beim krampfhaften Nachdenken zu. Er beschloss, die Dinge zu forcieren, bevor der Kerl auf dumme Gedanken kam.

      »Ich nehme jederzeit Ihre Kapitulation entgegen«, meinte er freundlich und kappte die Verbindung. Mit frischer Schärfe gab er knappe Befehle: »Füsiliere ausbooten. Angriff nach Plan. Waffen, Einsatz frei.«

      Vier Sturmboote wurden zwei Sekunden später nach unten aus dem Schiff geworfen, zündeten ihre Reaktionsdüsen und sprangen in Richtung Jacht. Istvan Horvath reagierte wie ein Pianist. Mit fliegenden Bewegungen prüfte er kurz die Beweglichkeit seiner Finger, dann haute er in die Tasten.

      *

      Datenbankauszug 1302

      Nach der Wiederentdeckung der interstellaren Raumfahrt hatte man einige Zeit benötigt, die ursprünglich vorhandene Technologie nach und nach industriell verfügbar zu machen. Im Bereich von Bewaffnung und Panzerung dauerte es eine Weile, um den Stand der Technik zu erreichen, der dem Niveau von vor dem Exodus entsprach. Darüber hinaus vermochte sich kein Planet weiter zu entwickeln, die Kämpfe brachen in den Augenblick los, als die ersten beiden Planeten je ein Schiff besaßen, die sich im Weltall finden konnten. In dem Gemetzel, was folgte und bis zum heutigen Tage andauerte, spielte ab diesem Zeitpunkt nur noch Masse eine Rolle. Möglichst viele Schiffe mit möglichst starker Bewaffnung bauen zu können, sie in der Schlacht möglichst rücksichtslos einzusetzen, etwas anderes zählte nicht.

      Diese Einstellung der Entscheidungsträger erwies sich in zweifacher Hinsicht als unfassbar dumm. Zum einen führte der Verzicht auf jede Technologie-Forschung auf der einen Seite, und das blinde Anrennen in Materialschlachten auf der anderen Seite zu sinnlosem Blutvergießen. Jahrhunderte vergingen, in denen beständig die qualifiziertesten und stärksten Köpfe eines jeden Planeten und jedes Reiches in den Kämpfen umkamen. Manch ein mäßig kluger Kopf rettete sich in gespielte Unfähigkeit, die Elite starb, meistens, bevor sie für adäquaten Nachwuchs sorgen konnten. Da die Schiffe zudem ganz überwiegend mit Edelleuten bemannt wurden, führte der langjährige Prozess zu geistiger und zahlenmäßiger Verarmung der Führungsschichten. Hier bot sich eine plausible Erklärung an für die unaufhörlich fortschreitende Verrohung der Sitten und Verhaltensweisen. Aus dieser Entwicklung schien es keinen Ausweg zu geben, denn an dem relativen Patt im All änderte sich nichts.

      Dort oben lag der zweite Grund, warum das Handeln der Mächtigen als die perfekte Dummheit gelten konnte.

      Zwischen Panzerung und Bewaffnung herrschte nämlich eine Art zerbrechliches Gleichgewicht, und das im wörtlichen Sinne. Die Panzerung der Schiffe war der Schlüssel. In all den Jahren war es den Menschen nicht gelungen, eine wie auch immer geartete Möglichkeit zu finden, ein Raumschiff mit einem Schutzschirm zu versehen. Sicher, im Labor funktionierten manche Methoden, theoretisch waren selbst Hyperschirme denkbar. Praktisch scheiterten alle Versuche an der ungelösten Frage der Energieversorgung. Die transportablen Fusionskraftwerke vermochten zwar eine ganze Menge Energie zu erzeugen, hatten aber doch ihre Grenzen. Antrieb und Schwerkraftkontrolle verschlangen Unmengen von Energie, die für sich allein die Erzeuger vollständig auslasteten. Ein Schutzschirm würde noch zusätzlich ein Mehrfaches verbrauchen und das war nicht mehr darstellbar. Im Prinzip standen die Schiffkonstrukteure vor dem gleichen Problem wie vor Urzeiten die Entwickler erdgebundener Panzer. Ein schlagkräftiges Kriegsgerät erhielt man aus der geschickten Gewichtung der Komponenten Antrieb, Panzerung und Bewaffnung. Würde man eine Komponente über Gebühr stärken, so ginge dies nur durch Schwächung der anderen Komponenten, man erhielt also ein einseitig starkes und gleichzeitig auf einem anderen Gebiet empfindlich schwaches Gerät. Für Raumschiffe komplizierten sich die Dinge noch zusätzlich. So ein Schutzschirm war schließlich nicht nur im Kampf eine feine Sache. Er bot auch Schutz vor Meteoriten, kosmischer Strahlung und anderen Überraschungen, die Mensch und Material in Gefahr zu bringen trachteten. Zwar erreichten die Schiffe nicht einmal annähernd die Lichtgeschwindigkeit, dennoch waren in der Anfangsphase der Raumfahrt die Unfälle nicht selten, und immer verliefen sie in der lebensfeindlichen Umgebung des Weltalls katastrophal. Ein neuartiges Material hatte schließlich die Lösung gebracht: Cardonium.

      Der

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