ТОП просматриваемых книг сайта:
Kampf um Katinka. Thomas Pfanner
Читать онлайн.Название Kampf um Katinka
Год выпуска 0
isbn 9783752932799
Автор произведения Thomas Pfanner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Worauf gründest du diese Annahme?«, hakte Tanner ein. Im Ton sachlich versteckte sich keinerlei Argwohn oder Bevormundung hinter seinem Einwand. Er war der wohl einzige Raumschiff-Captain, der sich mit seiner Mannschaft in kollegialer und absolut sachlicher Form unterhalten konnte. Er tat dies aus der Gewissheit heraus, dass das Überleben eines Schlachtkreuzers von der Kompetenz aller Besatzungsmitglieder abhing. Aus diesem Grund führte er das Schiff wie ein Lehrer, der seine Schüler zu selbstständigem Denken und kreativen Lösungen ermunterte, und nicht wie ein ungnädiger Zuchtmeister, was die anerkannte Führungsmethode auf allen anderen Schiffen der Kaiserlichen Flotte darstellte. Er konnte sich das erlauben, auf diesem Schiff bestand die Besatzung aus Vertretern eines einzigen Standes, dem er selbst ebenfalls entsprang. Nagama Tai beantwortete denn auch die Frage ruhig und konzentriert und völlig angstfrei.
»Erstens wurden wir nicht erwartet, weil wir unseren Kurs in eigenem Ermessen gewählt haben, und man ein Kriegsschiff in diesem Sektor nicht erwarten würde. Zweitens brach der Notruf nach dreiundneunzig Komma sechs Sekunden ab und dauerte nicht an, bis wir die womöglich erwartete Reaktion zeigten. Drittens kommt von der Quelle des Notrufes keine Reaktion. Es treibt dicht am zweiten Planeten und damit weitab jedweder Fluchtmöglichkeit.«
Tanner nickte zustimmend. Ihm würde zwar der eine oder andere schmutzige Trick einfallen, um auf geeignete Weise ein Schiff mittels Notruf anzulocken, jedoch nicht hier am Ende der erforschten Weiten, weitab von strategisch bedeutsamen Objekten. Darüber hinaus wollte er den fanatisierten Kommandanten der Gegenseite nicht unbedingt unterstellen, sorgfältig geplante Fallen aufstellen zu können oder zu wollen.
»Das Teleskop hat eben den Ausgangspunkt des Notrufs ins Bild genommen. Es handelt sich der Form nach um eine Jacht kleineren Typs, was zum Katalogeintrag über die Saskia passt. Das Bild ist kalt.«
Tanner zog die Augenbrauen hoch. Offensichtlich lag tatsächlich ein Notfall vor. Ein kaltes Bild bedeutete nichts anderes, als dass der Antrieb ausgeschaltet war oder grundsätzlich nicht funktionierte, ansonsten wäre das Bild heiß, wenn nämlich eine glühende Ionenspur für Vortrieb sorgte.
»Zusammenfassend sehen wir eine Jacht Horaveischen Ursprungs, deren Notruf abgerissen ist und die jetzt kraftlos durch das Planetensystem treibt.«
Der Captain wollte etwas sagen, doch Nagama zeigte sich als erstklassiges Besatzungsmitglied und erriet die Frage: »Relativ zu uns bewegt sie sich querab nach unten mit kaum einem Kilometer je Sekunde.«
Tanner lächelte und schüttelte ansatzweise den Kopf. Hätte er sich denken können, schließlich erwartete er von seinen Leuten, Gedanken und Vorhaben vorausahnen zu können. Im Gefecht stellte dies einen wichtigen Siegfaktor dar.
»Irgendwelche Vorschläge?«
»Nachsehen! Wozu sonst quatschen wir hier endlos über diesen komischen Kahn?«
Alle Augen wandten sich zum Schott, obwohl mehr als klar war, wer dort gerade auftauchte. Der Erste Offizier war ein derart unverwechselbarer Kauz, dass man ihn im Dunkel der Nacht erkannt hätte, im Raumanzug und schlafend. Sir Ulrich Betzel bekleidete offiziell die Planstelle des >Aufsicht führenden Adligen<, was bedeutete, dass er der einzige Mann von Rang und Bedeutung an Bord war. Die Admiralität hatte diese Planstelle geschaffen, um zum einen den Schein zu wahren. Ein Kriegsschiff ohne einen einzigen Adligen konnte es per Definition nicht geben, also musste wenigstens dieser eine mitfliegen. Und wenn er schon mal da war, fungierte er, zum anderen, als Notfall-Kommandant, kraft seines Standes und der Befehle der Admiralität befugt, in der Krise das Kommando zu übernehmen. Dem Adel stand nun mal, in den Augen des Kaiserreichs, naturgemäß das Kommando zu über alles, was da an niederem Volk kreuchte und fleuchte. Das Kommando auf Kolonistenschiffen blieb demzufolge, technisch gesehen, nur ausgeliehen, ohne jede Kündigungsfrist allzeit widerruflich. Auf diese Weise wollte das Kaiserreich einerseits die Form wahren, andererseits eine Revolte unmöglich machen.
Praktisch scheiterte das kaiserliche Vorhaben an verschiedenen Faktoren. Bereits die Vorstellung, ein einziger Adliger könne in der Lage sein, eine proletarische Besatzung von fast einhundert Männern und Frauen plus eine komplette Kompanie Raumlande-Füsiliere in Schach zu halten, entsprach dem größenwahnsinnigen Selbstverständnis der Admiralität, nicht jedoch der täglich erlebten Realität. Und dann war da noch der nicht zu vernachlässigende Umstand, dass Sir Ulrich weder größenwahnsinnig war, noch seinen Realitätssinn verloren hatte. Entscheidend war auch nicht so sehr, dass er dem sogenannten Landadel Katinkas entstammte, also von der gleichen Welt wie alle anderen Besatzungsmitglieder und allein deswegen im Zweifel dem eigenen Schiff mehr Patriotismus entgegenbrachte als dem fernen Horave. Nein, das Wichtigste war: Er wollte zu dieser Besatzung gehören.
Während der Jahre an Bord hatte er sich als absolut loyal, engagiert und verlässlich erwiesen. Im Gegenteil empfand er seine Herkunft eher als Makel und versuchte, ihn auszugleichen. Zum Leidwesen der Besatzung versuchte er dies, in dem er proletarischer wirken wollte als der hinterletzte Schweinehirt. Im Ergebnis gebärdete sich der Erste Offizier in einer Weise burschikos und hemdsärmelig, die gar nicht selten ins Peinliche abglitt. Nur: Er war wirklich so. Im Grunde äußerte er seine stets fundierte Meinung auf eine unübliche direkte Weise, was in den meisten Fällen durchaus hilfreich sein konnte.
»Ah, Sir Ulrich, Eure Anwesenheit vermag hoffentlich das Rätsel zu lösen, das diesen Kahn umgibt.«
Der Erste Offizier hob beide Augenbrauen gen Himmel und grinste unverschämt. Wenn ihn der Kommandant mit solch lässigen Worten auf den Arm nahm, drohte keine unmittelbare Gefahr, wohl aber ein schönes Abenteuer. Nagama Tai erläuterte kurz, um was es ging, was Sir Ulrich in kurzes Grübeln versetze. Leise brummte er:
»Mhm, so etwas hat es seit achtzig Jahren nicht mehr gegeben. Schon komisch, ausgerechnet jetzt und hier. Mhm.«
»Bedeutet dein Ausspruch, dass es das schon mal gab? Ich würde gerne mehr wissen.«
Sir Ulrichs Blick zuckte hoch, als ob er erst jetzt wach würde. Er nickte so beiläufig wie fahrig und begab sich an seinen Platz, halb rechts vor dem Sessel des Kommandanten. Von dort konnten ihn alle Anwesenden gut sehen und hören. Mit nachdenklichem Kopfkratzen begann er:
»Ich bin mir nicht wirklich sicher, aber es ist damals fast genauso abgelaufen. Also, normalerweise halten sich Angehörige der Kaiserlichen Familie ausschließlich in der Heiligen Stadt auf, oder auf der Imperator, dem Flaggschiff, auf dem entsprechende Gemächer installiert sind. Die vier Kaiserlichen Jachten sind nichts anderes als Kurierschiffe, die Botschaften zwischen den Planeten, Flotten und der Kaiserin austauschen, Gesandte befördern oder persönliche Gefangene. Es ist bisher zwei Mal vorgekommen, dass ein Angehöriger der Kaiserlichen Familie auf ein Schiff zurückgegriffen hat, das für den Transport hochherrschaftlicher Personen nicht gebaut und vorgesehen wurde. Wie gesagt, das letzte Mal vor achtzig Jahren.«
Tadeusz Duda kaute schon eine ganze Weise auf der Unterlippe herum und nutze die Atempause des Ersten zu der Frage, die ihn vor allen anderen bewegte:
»Ist das gut oder schlecht für uns?«
Sir Ulrich nickte ihm traurig zu.
»Wir sitzen in der Tinte, und zwar bis zum Scheitel.«
»Aha?« An dieser Stelle merkte der Kommandant auf. Sein weiterhin entspannter und freundlicher Gesichtsausdruck täuschte über seine wahren Gefühle hinweg. Wenn der Vertreter des Adels angesichts der Lage und seiner Kenntnisse bezüglich der Kaiserlichen Familie überaus große Schwierigkeiten sah, dann musste Tanner einfach alarmiert sein. Bislang hatte er es verstanden, seine Leute und sein Schiff weitgehend unsichtbar durch den Krieg zu steuern, war keinem Vertreter des Hochadels über die Füße gefahren, gab sich bei offiziellen Anlässen blass und schüchtern, hielt die Augen gesenkt. Er hatte seine Befehle befolgt und sich ansonsten bedeckt gehalten. Und jetzt sollte die Camouflage nicht mehr möglich sein?
»So ist es, Captain«, fuhr der Erste Offizier fort. »Wir müssen eine Entscheidung treffen, sie wird aber immer falsch sein. Am einfachsten wäre es, einfach abzuhauen. Anhand der automatischen Aufzeichnungen wird man uns im Hauptquartier unverzüglich auf die Strümpfe kommen. In diesem Fall