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Kampf um Katinka. Thomas Pfanner
Читать онлайн.Название Kampf um Katinka
Год выпуска 0
isbn 9783752932799
Автор произведения Thomas Pfanner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mit Cardonium hatte sich der Kampf mit Raketen schlagartig erledigt. Auf diese Weise war die Hülle eines Raumschiffes nicht mehr zu durchdringen. Allgemein erwies sich nun jegliche Art von Fernwaffe als untauglich. Man musste wieder nahe heran, um überhaupt eine Chance zu haben. Die supermodernen Schlachtkreuzer kehrten zu den Taktiken der technischen Steinzeit zurück. Man nannte es wie damals Dogfight.
Der dicke Haken an der neuartigen Panzerung war, dass er in beide Richtungen als Hindernis funktionierte. Explosionen im Inneren eines Schiffes führten regelmäßig zum Totalverlust, da die Panzerung auch in diesem Fall nicht nachgab und die Druck- und Feuerwellen solange im Schiff herumtobten, bis nur noch eine leere Hülle blieb, wie bei einem dicken Käfer, der schon lange tot ist und dessen Körper verlassen am Wegesrand liegt.
Die ideale Form für einen Schlachtkreuzer war auch bald gefunden. Bedingt durch die Art des Kampfes kamen alle Konstrukteure, auch unabhängig voneinander, zu dem Ergebnis, ein gewölbter Faustkeil stelle die ideale Form dar. Hinten brauchte man eine große Öffnung in der Hülle, um dem Ionenhammer genügend Fläche zu lassen, mit deren Hilfe der an sich eher leistungsarme Antrieb doch noch auf akzeptable Beschleunigungswerte kommen konnte. Nach vorne hatte sich die Form von allen Seiten zu verjüngen, um in Planetennähe zumindest ansatzweise aerodynamischen Erfordernissen zu entsprechen. Außerdem hatte sich die Form bei Treffern von vorne bewährt, egal ob kosmischen oder menschlichen Ursprungs. Die leichte Wölbung, mit der sich ein Miniaturmodell in die fast offene Handfläche schmiegen konnte, brachte taktische Vorteile. An der Unterseite, durch die Wölbung von überlappender Panzerung geschützt, befanden sich die Schleusen. Dort konnte man die Panzerung öffnen, um Beiboote, Minen oder Raketen auszustoßen, ohne ein höheres Risiko einzugehen, sich einen Treffer in den ungeschützten Bauch einzufangen.
So war ein Schlachtkreuzer also so gut geschützt wie eine Schildkröte, doch ebenso wie bei diesem Tier gab es Schwachstellen. Die große Schwachstelle war, wie konnte es anders sein, der Antrieb. Groß wie ein Fabriktor lud er zum hinein schießen geradezu ein. Die Besatzungen hatten somit zwei vorrangige Ziele: Dem Gegner einen Treffer in den Ionenhammer verpassen, gleichzeitig dasselbe für das eigene Schiff verhindern. Daneben existierten allerdings noch weitere Schwachstellen, bedingt durch die unerlässliche Notwendigkeit nach draußen sehen zu können. Die Sensoren, das Teleskop und die zahlreichen elektronischen Horchapparaturen benötigten einen kleinen Durchbruch durch die Hülle, ebenso die Korrekturtriebwerke. Hierdurch zeigte sich die an sich undurchdringliche Hülle mit potenziellen Schwachpunkten übersät wie ein Streuselkuchen. Die Kunst der Entwickler konzentrierte sich auf die Anordnung der Schwachstellen. Diese wurden mit Masse rundum am Heck, an den Seiten und am „Bauch“ positioniert, der Bug, der idealerweise zum Gegner zeigte, wies eine andere Art von Schwachstelle auf: die Bewaffnung.
Durch einen Blendenmechanismus im Normalzustand verborgen, fuhren die Waffen im Kampf aus ihrer eigenen Panzerung heraus. Das Gefecht wurde üblicherweise auf nahe Distanz geführt, alles über tausend Meter galt als aussichtslos, dafür waren die Manövriergeschwindigkeiten zu hoch. Mit Fernraketen traf man immer einen vorbereiteten Gegner, der Zeit genug fand, den bestens geschützten Bug auf das ankommende Geschoss zu richten. Andererseits entwickelten die so genannten modernen Raumschiffe keine wirklich hohen Beschleunigungen und Endgeschwindigkeiten, um im Laufe des Gefechtes ein Übergewicht in Gestalt mehrerer Schiffe schaffen zu können, mit denen ein einzelner Gegner in die Zange genommen werden könnte. In der Konsequenz entwickelte sich fast immer ein Kampf eins gegen eins, in dem es auf Beweglichkeit, Intuition und taktisches Geschick ankam. Und auf die Stärke der Waffen. Im Prinzip führte ein Schiff drei Sorten von Waffen mit sich: Vernichtungswaffen gegen planetare Ziele; dies Art Waffe war der Grizzly untersagt. Waffen, um die Sensoren zu blenden, meist in Gestalt diverser Raketen und angetriebener Minen, die mit Hitze und Strahlung eine Zerstörung oder doch wenigstens die zeitweise Blendung bewirkten. Und letztlich die Hauptwaffe, mit der ein gegnerisches Schiff zerstört werden konnte: die Kanonen.
Da auf normalem Weg eine Panzerung aus Cardonium praktisch nicht zu durchdringen war, blieb nur ein Trick übrig, den die Physiker Schwingungskatastrophe nennen. Eine Vielzahl kleiner Explosionen veranlassen die Kristallgitter zu zahlreichen Abwehrreaktionen, die vielen Veränderungen des Gitters führt zu Überlappungen und sich aufschaukelnden Verstärkungen und Ausweichbewegungen, die in der Summe schließlich an einer Stelle zum spontanen Bruch der Hülle führen. Gänzlich unverstanden war dabei die Erfahrung, dass eine ganz bestimmte Menge Sprengstoff pro Explosion den besten Effekt erzielte, die notwendige Zahl und Dichte der Explosionen jedoch schwankte und abhängig schien von winzigen Details, die bei der Produktion der Hülle zu unterschiedlichen Bedingungen geführt haben mochten. Der Entwicklung und dem Gebrauch von Kanonen zugrunde lag die Vernichtung der Gnomatou, ein Schiff von Ordune, die im Vertrauen auf ihre Unverwundbarkeit in das Trümmerfeld eines gerade von ihr zerstörten Frachters geflogen war. Der Frachter hatte Munition geladen, die sich in feurigen Kaskaden in Nichts auflöste, auch im Augenblick des Durchfluges. Die graue Oberfläche des Ordunesen hellte sich in Sekundenschnelle in flackernden Lichtbogen auf und … zerbrach in drei Teile. Die Wissenschaftler benötigten beinahe drei Jahre, bis es gelang, den Effekt unter Laborbedingungen zu reproduzieren. Es vergingen weitere fünf Jahre, bis dieselben Wissenschaftler dahinter kamen, dass die Bedingungen für das Bersten der Hülle sowohl von der Dicke als auch von der schieren Größe abhingen. Nach Abschluss der Forschungen endete das kurze Zeitalter der unverwundbaren Planetenvernichter.
Mangels Gegenwehr und probater Bekämpfungsmöglichkeiten hatten sich bis dahin Schlachtkreuzer nicht bekämpfen können und der eigentliche Zweck eines bewaffneten und mit Cardonium gepanzerten Schiffes erschöpfte sich darin, die Welten der Feinde unbewohnbar zu machen. Da dies prinzipiell auch den Schiffen des gerade ausgelöschten Gegners möglich war, blieben Siege unmöglich. Leider schreckte das kaum jemanden ab und so verlor die Menschheit eine ganze Reihe Planeten und auch Reiche, bis die Wissenschaft die Menschheit als Ganzes quasi in letzter Minute rettete, in dem ein Weg gefunden werden konnte, Cardonium doch zu durchdringen. Nicht wenige hellsichtige Geister mutmaßten allerdings schon damals, dass hierdurch kein echter Durchbruch zur Rettung des Menschen vor sich selbst erzielt worden war, sondern lediglich die Leiden des Einzelnen und das Siechtum der ganzen Rasse verlängert wurde, wobei das Endergebnis weiterhin klar und hell am Horizont erkennbar blieb, die unverrückbare und völlige Vernichtung der Spezies Mensch. Die Regierenden verfügten weder über die geistigen Ressourcen noch über die Laune, langfristige Konsequenzen ihres Handelns zu reflektieren. Die Kriege gingen weiter, zeitlich begrenzte Friedensabkommen wurden allein wegen vollständiger Erschöpfung geschlossen, niemals aus einer wie auch immer gearteten Einsicht heraus. Als wäre die Situation nicht schon so fragil und elend genug, befleißigten sich die jeweiligen Machthaber zudem noch eines Herrschaftsdenkens, mit dem zuverlässig ausgeschlossen werden konnte, das Potenzial an qualifizierten und motivierten Offizieren auszuschöpfen. Nur einmal in der Geschichte Horaves hatte man eine Ausnahme machen müssen. Aber nun war der Krieg gewonnen und der „Fehler“ konnte behoben werden. Eines aber hatten die Adligen Horaves noch nie wirklich verstanden, ein eisernes Gesetz der Natur, das so auch eins zu eins auf menschliche Handlungsweise übertragbar war: Jede Aktion führt zu einer Reaktion. Oder, übersetzt auf menschliches Handeln: Jede Handlung fordert eine Gegenhandlung heraus. Der Handelnde glaubt hierbei stets in gleichsam pathologischer Selbstüberschätzung zu wissen, wie die Reaktion aussehen wird und diese selbstverständlich beherrschen zu können.