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Murder2share – Mord zum Teilen. Kris Wordsmith
Читать онлайн.Название Murder2share – Mord zum Teilen
Год выпуска 0
isbn 9783752932287
Автор произведения Kris Wordsmith
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Das ist überhaupt nicht wahr. Meine Arbeit erfordert viel Zeit. Das ist kein Achtstundenjob wie deiner. Wenn du Feierabend machst, kannst du abschalten. Ich habe nie Feierabend.“
„Was soll das jetzt heißen? Dass meine Arbeit nichts wert ist?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
„Das hört sich aber so an. Es ist doch deine Entscheidung, dass du unbedingt Influencerin sein musst. Ich habe dich nie darum gebeten.“
„Ach ja? Wer bezahlt denn alles? Von wem kommen die vielen Produkte, die unser Leben erleichtern? Wer zahlt die Miete für diese riesige Wohnung? Von deinem Fitness-Gehalt könnten wir uns diesen Lebensstil nicht leisten.“
„Meinst du das ernst? Ich habe dich nie darum gebeten. Ich brauche diese vielen Gimmicks nicht. Ich brauche kein Bett mit Sensoren, auch wenn es zehntausend Euro gekostet hat.“
„Ich dusche jetzt.“
„Whatever.“
Isa lief aus dem Bad und knallte die Tür hinter sich zu.
Die unerklärliche E-Mail
Sie vermisste Isa. Warum hatten sie sich wieder gestritten? Tom kam aus der Küche. Sie dachte wieder an die Nachricht: „Ich weiß, dass du Isa betrogen hast.“
Die Sprachassistenten in ihrer Wohnung kamen ihr unheimlich vor. Sollte sie sie vom Netz nehmen?
„Hey Tom, ist dir schon mal passiert, dass Alexia mit dir spricht.“
„Wie? Die ganze Zeit.“
„Ich meine, sie spricht komische Sachen, außerdem habe ich eigenartige Nachrichten bekommen.“
„Was meinst du?“
„Alexia hat in der Nacht komisches Zeug gesagt.“
„Ehrlich? Was denn für Zeug?“
„Ich weiß nicht mehr, aber komisch, dass ich eine Bitch sei.“
„Hast du dich da nicht verhört?“
„Warum spricht sie überhaupt von alleine in der Nacht?“
„Vielleicht hast du im Schlaf ‚Alexia‘ gesagt.“
„Nein, aber ich glaube, dass jemand meine Mobilnummer geleakt hat. Stell dir mal vor, was dann los wäre? Ich habe über eine Million Follower.“
„Reg dich ab. So schlimm ist das auch nicht. Dann kaufst du dir eben eine neue Nummer.“
Sie nahmen auf dem Sofa Platz.
„Lass uns über die Beiträge reden. Wir brauchen eine neue Strategie. Wir müssen unser Privatleben noch mehr miteinbeziehen. Die anderen Channels gehen voll auf Privatsphäre und haben Erfolg.“
„Welches Privatleben? Wir haben ja gar keines.“
„Dann müssen wir es eben erfinden. Ich dachte an gemeinsame Videos beim Autofahren, Einkaufen, bei Freizeittrips.“
„Freizeittrips? Ich habe ja kaum mehr Zeit für meinen Freund. Außerdem habe ich auch noch einen Job.“
„Ich weiß, aber was sollen wir nur tun? Meine Follower werden schon wieder weniger. Heute habe ich tausend verloren. Ich möchte nicht mehr unter die Million fallen.“
„Ach Tina, alles wird gut. Warum machst du dir Sorgen? Dein Kanal ist voll angesagt.“
„Ehrlich?“
„Dein Channel hat schon so eine Reichweite, dass ich manchmal in Schwulenbars erkannt werde. Dann werde ich gefragt, was ich denn hier tue und wo Tina ist.“
„Echt? Abgefahren. Aber das ist ein gutes Zeichen. Ich muss mal wieder eine Zielgruppenanalyse durchführen. Ich wusste gar nicht, dass mein Kanal auch bei Homosexuellen ankommt.“
„Welche Video schlägst du jetzt vor?“
„Mal überlegen.“
„Ich habe doch noch freien Urlaub, etwa eine Woche. In der Zeit könnten wir einige Videos abdrehen. Die müssten dann für ein halbes Jahr reichen.“
„Ein halbes Jahr nicht. Ich schreibe mal ein Script. Ich dachte an einen Besuch der Therme und Sauna. Das würde gut ankommen. Aber da müssen wir aufpassen, dass uns niemand beim Filmen erwischt. Dann ein Trip in die Berge oder eine Fahrradtour, auf der etwas passieren muss. Zum Beispiel habe ich einen Unfall und du rettest mich.“
„Muss das denn sein? So etwas beschwört man nicht.“
„Aber das erzeugt Spannung. Du bist mein Held. Oder wir machen etwas Abgefahrenes wie Bungeespringen oder wir springen aus einem Flugzeug.“
„Ich weiß nicht, traust du dich das?“
„Für die Klickzahlen mache ich alles.“
Tom stand vom Sofa auf: „Ich muss dann gehen. Mein Freund wartet.“
„Bitte bleib doch noch.“
„Es geht leider wirklich nicht. Er ist schon misstrauisch wegen dir. Er findet es seltsam, dass ich deinen Freund spielen muss.“
„Echt? Ich hatte mit Isa auch wieder einen Streit. Sie fühlt sich vernachlässigt.“
„Das Beste wäre doch, sich zu outen. Was ist dabei? Heute ist das doch keine Affäre mehr.“
„Aber dann erfahren meine Follower, dass ich sie jahrelang angelogen habe.“
„Sag ihnen doch, dass du mich verlassen hast, weil du dich in eine Frau verliebt hast.“
„Dann wollen die Follower aber Isa sehen. Dann muss sie in den Videos mitspielen. Das hasst sie doch wie die Pest. Nie würde sie das tun. Sie will sich ja nicht einmal auf Fotos sehen.“
„Ihr seid so schwierig. Ich gehe jetzt. Bis bald.“
Sie verabschiedeten sich. Tom verließ die Wohnung. Sofort öffnete sie wieder ihr Smartphone und überprüfte ihre Beiträge. Ihr wurde warm ums Herz: Das letzte Video hatte fast zwei Millionen Aufrufe. Sie wurde wie alkoholisiert. Sie trank die unzähligen Likes wie Alkohol. Es war eine gigantische Zahl. Es war wie ein Aphrodisiakum. Sie legte sich auf die Couch und streichelte sich. Dieses Gefühl war besser als Sex. Es war wie eine Droge. Sie war süchtig nach Bestätigung, nach Likes. Plötzlich war alles leicht um sie herum. Sie vergaß den Streit mit Isa, sie vergaß den Stress, sie vergaß sogar die eigenartigen Nachrichten und den Vorfall mit Alexia. Sie war ein Superstar. Sie hatte mehr Follower als so mancher Hollywood-Star.
Endlich zogen wieder ihre Abonnenten an. Es waren eine Million plus Einhunderttausend. Das hatte sie nur dem Video zu verdanken. Sie wusste doch, dass Sexthemen gut ankamen. Sie musste sich neue Geschichten ausdenken. Warum war Tom so schnell gegangen? Er hatte oft gute Ideen. Sie vermisste ihn. Sie vermisste Isa. Sie war einsam.
Obwohl sie Millionen Menschen erreichte, hatte sie niemanden. Obwohl unzählige Follower sie verehrten und treffen wollten, war sie alleine. Immer wieder spielte sie ihr Video ab. Sie betrachtete sich selbst. Sie liebte sich. Sie hielt das Smartphone immer näher an ihr Gesicht. Bald würde sie im Display versinken.
Doch das Aufpoppen einer neuen E-Mail weckte sie auf. Es war die Nachricht von einem ihrer wichtigsten Werbepartner. Sie erschrak. Der Tonfall der Nachricht war negativ. Was war passiert? Aufmerksam las sie den Text. Sie stockte: „Es tut uns leid, unter den Umständen und Ihren abstrusen Forderungen müssen wir uns leider von Ihnen trennen. Ihr unverschämter Ton verstimmt uns sehr, denn Sie hatten immer einen freundlichen Eindruck gemacht.“
Was sollte das? Sie hatte ihnen nicht geschrieben. Sie hatte keine neuen Forderungen gestellt. Auf keinen Fall wäre sie unverschämt gewesen. Schnell scrollte sie weiter nach unten.