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Mord im ersten Leben. Dirk Lützelberger
Читать онлайн.Название Mord im ersten Leben
Год выпуска 0
isbn 9783752993837
Автор произведения Dirk Lützelberger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ich mache schon mal etwas Leckeres zum Abendessen. Komm bitte runter, wenn Du bereit bist.«
Warum musste alles nur so schwierig sein, ging es ihr durch den Kopf. Hoffentlich würde er sich in den nächsten Tagen wieder fangen. Lange könnte sie das gewiss nicht durchhalten. Gwen stieß sich mit den Händen vom Bett ab und stand auf. Sie blickte zu ihrem Sohn, der, im Buch vertieft, regungslos auf seinem Bett lag und überlegte, was sie sagen sollte. Es fielen ihr nicht die richtigen Worte ein, also schwieg sie. Sie verließ das Zimmer und lehnte die Tür wieder an.
Beth war mittlerweile schon gegangen. Sie wollte nicht jeden Abend zum Essen bleiben. Auch wollte sie ihrer Tochter nicht zur Last fallen. Gwen hatte dies niemals so empfunden, aber sie wollte keinen Streit mit ihrer Mutter, also schwieg sie. Während die Milch für den Kakao in der Mikrowelle heiß wurde und Gwen die Eier in die Pfanne schlug, um Rührei zu machen, hörte sie von oben wieder diese seltsamen Geräusche aus Phils Zimmer dringen, die sie in den letzten Tagen schon oft gehört hatte. Phil war wieder bei seiner Lieblingsbeschäftigung, wenn er sich abreagieren musste. Er spielte am Computer. Gwen wusste, dass dies für Phil seine Art der Entspannung war. Sie selber konnte dem Computer überhaupt nichts abgewinnen. Im LKA machte sie nur das Nötigste und zu Hause hatte sie eigentlich gar keine Lust, sich auch noch vor einen Computer zu setzen. Viel lieber las sie Bücher zur Entspannung oder schaute etwas fern. Überhaupt war ihr die ganze Computerwelt nicht so ganz geheuer. Vielleicht lag es genau an dieser Angst und ihrem Unverständnis dieser Technik gegenüber, dass sie es ablehnte, sich auch nur etwas mehr als notwendig mit ihr auseinanderzusetzen. Wie oft hatte ihr Sohn schon davon gesprochen, dass sie an einem Computerkurs an der Volkshochschule teilnehmen sollte, aber dazu war es niemals gekommen. Sie hatte ja Paul. Er kümmerte sich um alle Belange im Bereich der Unterhaltungselektronik und der Computerwelt. Für Gwen war es nur wichtig, dass die Dinge funktionierten. Wie und warum war ihr gleich. Nun stand sie da mit einem Computer, den sie gerade einmal einschalten konnte, der ihr aber sonst nicht weiterhalf. Paul war nicht mehr da. Gwen merkte, wie ihr auf einmal wieder die Luft zum Atmen wegblieb, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten und wie ihre Hände zu zittern anfingen. Sie musste sich setzen und ihre Tränen der Trauer flossen nun ungebremst. Ein leises Schluchzen war alles, was ihrer Kehle entsprang. Sie wollte unter gar keinen Umständen Phil auf den Plan rufen. Sie musste nun stark sein. Aber das konnte sie nicht. Nicht in diesem Moment. Sie schloss ihre Augen und träumte, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.
Das Klingeln der Mikrowelle rief Gwen in die Gegenwart zurück. Sie trocknete ihre Tränen, atmete tief durch und rief mit belegter Stimme: »Phil, das Essen ist fertig! Kommst Du?«
Freitag, 23. November 2012, 19:05
Freitagabend – endlich, dachte Mark und setzte sich voller Erwartung an den Rechner. Die letzten Tage waren sehr anstrengend gewesen und er hatte keine Zeit gefunden online zu sein. Er empfand dies aber nicht als schlimm, da er bei seiner Arbeit jeden Tag eine fast unendliche Anzahl von Möglichkeiten hatte, gute Taten zu vollbringen. Dies brachte die notwendige Befriedigung in seinem Leben. Nun aber lag wieder einmal das lange und sehr einsame Wochenende vor ihm. Die Chance, jemandem an diesem Wochenende in der realen Welt einen guten Dienst zu erweisen, war sehr gering, da war das Internet die einzige Hoffnung.
Mark wohnte alleine in seiner kleinen Wohnung. Eine feste Freundin hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Er grübelte oft, woran dies vielleicht liegen konnte, während er im Badezimmer vor den Spiegel stand und sich wusch. Er war schon Anfang dreißig, groß, schlank und gut trainiert. Dies war für seinen Job sehr vorteilhaft. Es war nicht einmal nötig dafür ins Fitnessstudio zu gehen. Seine Muskeln entwickelten sich ganz von selbst, während er nur seiner Arbeit nachging. Er hatte gepflegte, kurze braune Haare und blaue Augen, die ihn im Spiegel musterten. Vielleicht waren es seine Augen, dachte Mark. Es waren eisblaue, kalte Augen, die ihn erbarmungslos anstarrten. Wer ihn nicht kannte und wusste, dass er im Grunde ein herzensguter und hilfsbereiter Mensch war, sah in seinem durchdringenden Blick vielleicht eine Bedrohung. Seine Augen konnten wie zwei Schwerter sein, die sich den Weg mühelos durch ihr Gegenüber bahnten. Es konnte gut sein, dass die Frauen in seinem Umfeld gerade dadurch abgeschreckt wurden. Jedes Mal, wenn er Kontakt zu einer jungen Frau aufgenommen hatte, war sie seinen Blicken ausgewichen, als wenn sie sich fürchtete, er könne sie mit seinen Augen durchbohren. Er war eigentlich nie mit einer festen Freundin zusammen gewesen. Zu mehr als einem Abendessen oder einem Kinobesuch ist es niemals gekommen.
Mark war zu Beginn seiner Ausbildung bei seinen Eltern ausgezogen und lebte seitdem zurückgezogen in seiner Wohnung. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, einen Arbeitsplatz im Pflegebereich zu bekommen. Nach vielen endlosen Bewerbungsrunden hatte er endlich Glück und der Personalleiter beglückwünschte ihn zu seiner Anstellung. Leider wurde seine Anfangseuphorie schnell getrübt, denn die Arbeitsatmosphäre ließ sehr zu wünschen übrig. Seinem Vorgesetzten konnte er es nie recht machen. Immer hatte er etwas an Marks Arbeit auszusetzen. Mark hatte in der Zeit schwer mit seinen Erniedrigungen zu kämpfen und suchte sich schließlich einen Ausgleich, eine Art Ventil, um seine Spannungen abzubauen.
Sein System war mittlerweile startklar und begrüßte ihn nach der Anmeldung mit den Worten:
Willkommen zurück Miss Gore. Ihr letzter Besuch war vor 2 Tagen und 23 Stunden.
[Miss Gore]: Guten Abend Darkwing.
[Darkwing]: Guten Abend Miss Gore. Ich hoffe Sie hatten einen angenehmen Tag.
[Miss Gore]: Danke der Nachfrage, werter Freund. Wo ist unsere gemeinsame Freundin Priscilla?
[Darkwing]: Ich muss Sie enttäuschen, das weiß ich leider nicht. Ich habe sie schon einige Zeit nicht mehr gesehen. Aber es ist ja nun Wochenende. Vielleicht kann sie es einrichten wieder zu kommen.
[Miss Gore]: Dem wird vielleicht so sein.
[Darkwing]: Lassen Sie es uns hoffen.
Belangloses Geplänkel war nicht Marks Ding, wenn es nicht der Sache diente, also entschied er einen direkten Vorstoß zu wagen.
[Miss Gore]: Warst Du mittlerweile wieder bei einer Deiner Prostituierten oder hast Du Dich für mich aufgespart?
Offensichtlich war Jens-Gerwin verblüfft über diesen schnellen und direkten Themenwechsel. Nachdem er sich gesammelt hatte, tippte er wieder.
[Darkwing]: Ich habe mich für Sie aufgespart, Miss und hoffte, Sie heute hier wieder zu sehen.
Mark lächelte zufrieden, stand auf und holte sich ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank. Als er zurückkam war die Antwort noch einmal ergänzt worden.
[Darkwing]: Ich bin so scharf und brauche mal wieder eine Abreibung, Miss.
Mark erinnerte sich, dass Jens in der vergangenen Sitzung von seiner Vorliebe für Prostituierte erzählte, von denen er sich gerne dominieren ließ. Ausgepeitscht zu werden war einer seiner bevorzugten Spielarten.
[Miss Gore]: Ich bin doch nicht eine Deiner Prostituierten, denen Du befehlen kannst, was sie zu tun haben.
[Darkwing]: Nein Miss, entschuldigen Sie bitte. So war das nicht gemeint.
[Miss Gore]: Ich verstehe Dich schon sehr gut, aber bevor ich mich mit Dir weiter beschäftige, verlange ich einen Beweis für Deine Ergebenheit Darkwing!
[Darkwing]: Alles, was Sie wollen Miss.
[Miss Gore]: Sehr gut. Ich werde Dir bald einen Auftrag erteilen, ein Foto zu machen und es mir zu schicken. Bis das Foto hier ist, wirst Du weder zu einer dieser Nutten gehen noch Dich selber anfassen und befriedigen. Ich will, dass Du RICHTIG scharf wirst!!!
[Darkwing]: Ja Miss, verstanden.
Miss Gores energisches Auftreten ließ Jens-Gerwin keine andere Wahl als erst einmal klein beizugeben. Jens hatte so etwas noch nie in dieser virtuellen Welt erlebt und er wünschte sich von ganzem Herzen, dass diese Rollenspiele endlos weitergehen würden. Sehr rational verfolgte Jens diesen Gedankengang. Er würde viel Geld sparen, wenn er nicht mehr zu Prostituierten gehen müsste, um seiner Leidenschaft nachzugehen. Dieses Rollenspiel gefiel ihm immer mehr und es hatte viele weitere Vorteile. Es war hygienisch, kostenlos,