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Es dauerte nur einen Augenblick, bis die Treffer angezeigt wurden. Der erste Treffer stellte sich als kostenpflichtiges Angebot heraus und Phil klickte den zweiten an. ›SecondLife‹, nie gehört, dachte Phil und schaute sich fasziniert die realitätsnahen Avatare an, die man als Spielfiguren auswählen konnte. Die virtuelle Welt auf der Einstiegsseite machte ihm sofort Lust auf mehr. Er klickte sich durch die Seite und inspizierte fasziniert alle verfügbaren Bilder und Videos. Die Darstellungen der Figuren auf den Bildern und in den Videos hatten eines gemeinsam. Sie alle waren glücklich, gesund, schön und auch irgendwie cool und sexy. ›Meine Welt – Meine Vorstellungskraft‹ – das war der Werbeslogan, der sich durch alle Beispiele zog und Phil in seinen Bann nahm. Mit offenem Mund starrte er die fantasievoll gestalteten Avatare an, die sich in den Beispielvideos sehr natürlich bewegten und versuchten, ihm einen Eindruck zu vermitteln, was ihn nach einer Registrierung erwarten würde. Alles war hier so persönlich, aber auch so anonym zugleich. Beim Betrachten der Seite vergaß Phil die Zeit und sehnte sich schon in diese Welt hinein, um seinem Alltag zu entfliehen. Dort im anderen Leben würde er bestimmt jemanden treffen, der seine Situation und seine Probleme verstehen würde. Das alles, ohne seine wirkliche Identität preiszugeben.

      Das war genau das Richtige, entschied Phil schließlich und klickte auf ›Anmelden‹. Nun brauchte er noch einen Namen für seinen Avatar in der virtuellen Welt. Phil zögerte nicht lange und tippte ›Phil Fisher‹ ein. Dann wählte er eine der männlichen Standardfiguren, die einen tollen Eindruck machte. Groß und schlank, mit Jeans und T-Shirt bekleidet – fast so, wie im richtigen Leben – beurteilte Phil seine Auswahl. Er hatte zwar noch nicht ganz so viele Muskeln, noch keinen Bart und auch war er in Wirklichkeit wesentlich jünger, aber er sollte ja seiner Vorstellungskraft freien Lauf lassen. Und so wird er bestimmt einmal aussehen, wenn er groß ist, hoffte er.

      Nach Eingabe seines Geburtsdatums und einer E-Mail-Adresse war er registriert und befand sich Sekunden später in der schönen neuen Welt. Wie wunderbar das hier alles war. Es hatte ein wenig was von ›Alice im Wunderland‹. Vorsichtig bewegte er seine Figur in dem funkelnden und blinkenden Bereich, welcher den Neuankömmlingen vorbehalten war, um nicht mit anderen gerade erst entstandenen Wesen zusammenzustoßen.

      Schon nach einigen Schritten war es dann passiert. Er rempelte eine junge Frau an. »Autsch!«, sagte Phil. Nichts passierte. Aber dann nach einer Weile, öffnete sich ein kleines Fenster. Darin stand zu lesen:

      [Alina B]: Hi, bist Du auch neu hier? Ganz schön schwierig sich hier zu bewegen, ohne jemanden über den Haufen zu rennen.

      Phil war verdutzt. Das ging ja richtig schnell, um mit jemandem in Kontakt zu kommen, stellte er fest. Zaghaft legte er seine Finger auf die Tastatur und antwortete hinter der blinkenden Eingabemarkierung.

      [Phil Fisher]: Ja, stimmt.

      »Phil, es ist Zeit für die Heia. Putz bitte Deine Zähne. Ich komme gleich hoch und möchte Dich dann im Bett sehen!«

      Mist, einen besseren Zeitpunkt hätte sie sich nicht aussuchen können, ärgerte er sich innerlich, der die Zeit ganz vergessen hatte und tippte schnell noch die Worte:

      [Phil Fisher]: Ich muss ins Bett. Gute Nacht.

      [Alina B]: Du bist ja höflich. Gute Nacht.

      Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Die kennt mich doch gar nicht und ist so freundlich zu mir. Vielleicht sehe ich sie ja nächstes Mal wieder, machte sich Phil Hoffnungen, denn Alina war richtig süß gewesen. Dann huschte er ins Badezimmer und putzte sich die Zähne.

      Dienstag, 27. November 2012, 22:45

      Es war spät, als sich Marks Bekanntschaften endlich einloggten. Zwei Stunden hatte er gewartet und sich mit Smalltalk abgegeben. Diesmal war es nichts weiter gewesen als zielloses Gerede, das niemandem etwas nutzte, grollte Mark. Sie verschwendeten nur seine Zeit. Auf einmal loggten sich alle drei zum gleichen Zeitpunkt ein. Mark schaute auf die Uhr. Es war bereits 22:47 Uhr. Die ›Tagesthemen‹ waren wohl gerade zu Ende. Mark grinste in sich hinein.

      Früher hatte er auch viel Zeit vor dem Fernseher verbracht und sich von dem immer gleichen Einheitsbrei stundenlang berieseln lassen. Heute war das Internet sein liebster Zeitvertreib. Wenn Mark eines vom Internet gelernt hatte, so war es zwar in vielen Fällen hilfreich und nützlich, aber auch gleichzeitig der größte Zeitverschwender, den er sich vorstellen konnte.

      Andererseits war es sehr abwechslungsreich und man hatte es selber in der Hand, wohin es einen führte. SecondLife war in den späten Abendstunden zu Marks liebsten Begleiter geworden. Hier traf er immer wieder interessante Personen und es forderte ihn geradezu heraus, hinter ihre intimsten Geheimnisse zu gelangen. Erst recht, wenn sie diese nicht preisgeben wollten.

      Nachdem sich die Figuren seiner Bekannten in der virtuellen Welt endlich aufgebaut hatten, konnten sie miteinander chatten.

      [Priscilla]: Hallo meine Herrin, guten Abend.

      [Hangim Hi]: Tach auch.

      [Darkwing]: Hallo.

      [Miss Gore]: Das wird ja auch Zeit, dass Ihr hier mal auftaucht.

      [Priscilla]: Entschuldigen Sie bitte Herrin, aber im RL war heute viel los.

      ›RL‹, das stand für ›Real Life‹ oder auch ›echtes Leben‹. Priscilla war kein Neuling in diesen Kreisen, das erkannte Mark immer wieder und er überlegte sich, wie er die noch fehlenden Informationen aus ihm herausbekommen konnte. Zuerst einmal brauchte er weniger Zuhörer, so dass er mit Priscilla in den privaten Modus wechselte.

      [(p) Miss Gore]: Schön Dich zu sehen, war wieder viel los in Deiner Filiale?

      [(p) Priscilla]: Und wie. Ich musste heute Abend nach der Arbeit sogar noch ein Päckchen abholen.

      Das könnte ein interessanter Anknüpfungspunkt sein, ging es Mark durch den Kopf.

      [(p) Miss Gore]: Hat denn die Post noch so spät geöffnet?

      [(p) Priscilla]: Nein, Herrin, ich habe es mir an meine Packstation schicken lassen.

      [(p) Miss Gore]: Ja, das ist in der Tat eine gute Einrichtung. Hat Tag und Nacht geöffnet.

      Wie günstig für mich, machte sich Mark eine mentale Notiz, und wie gut für Dich, meine liebe Priscilla. Nun hatte Mark schon fast alles, was er brauchte. Sein Plan entstand wie ein Puzzle in seinem Kopf. Er ging die Einzelteile noch einmal durch. Sven war männlich, verheiratet und wohnte in einem Einfamilienhaus, dessen Adresse er aus den Geokoordinaten des Fotos rekonstruiert hatte. Er hatte heute ein Päckchen aus einer nahegelegenen Packstation abgeholt. Mit etwas Glück würde Sven seinen Adressaufkleber auf dem Päckchen nicht entfernen, wenn er den Karton ins Altpapier warf. Hier lag noch ein winziges Puzzlesteinchen vor Mark, bevor er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte. Er war aufgeregt, wie ein kleiner Junge. Es gab aber leider zu viele Packstationen um Svens Wohnort herum und auch die notwendige Postnummer benötigte er noch, um selber ein fingiertes Päckchen an Sven zu senden. Hierzu würde er Svens Wohnort in den nächsten Tagen wohl einmal persönlich einen Besuch abstatten müssen. Während er so da saß und auf den Bildschirm starrte, bemerkte er gar nicht, dass die Unterhaltung weitergegangen war. Hastig blätterte er zurück, um nichts Wichtiges zu verpassen. Er musste nun vorsichtig sein, da er sowohl im privaten Modus mit Priscilla chattete als auch mit den beiden anderen öffentlich sprach. Er durfte nicht durcheinander kommen mit den verschiedenen Fenstern, in denen die Gespräche abliefen.

      [(p) Priscilla]: … und man kann jederzeit rankommen.

      [(p) Priscilla]: Hallo, Herrin, sind Sie noch da?

      [(p) Priscilla]: Hallo?

      [Priscilla]: Hallo ihr beiden. Miss Gore scheint gerade von der Tastatur verschwunden zu sein. Wie geht es euch?

      [Hangim Hi]: Alles Mist!

      [Darkwing]: So lala.

      [Priscilla]: Warum ist alles Mist?

      [Hangim Hi]: Ach, die Arbeit, die Frau, alle sind gegen mich!

      [Darkwing]: Können wir Dich aufmuntern?

      [Priscilla]:

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