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neuen Job. Man kannte mich in allen Hotels als Raffaels Sängerin und Keyboarderin. Nun spielte ich jede Nacht in der Hotelbar des kleinen Red Rock Hotels Klavier. Die Bezahlung stimmte.

      Nach zwei Monaten sagten sie mir ab, zu wenig Gäste im Hotel.

      Zur selben Zeit traf ich wie zufällig Raffi auf Straße.

      „Hi, Marlisa, wie geht’s, willst du wieder bei mir spielen?“, kam er ohne Umschweife zur Sache.

      „Ja.“

      „Gut, dann sei morgen Abend um acht im Queen of Sheba, wir haben eine Show mit einem Schwarzen aus Trinidad. Wir werden ihn begleiten. Seine Songs gehen wir kurz vorher durch. Bye, bis morgen.“

      Nirgendwo bekommt und verliert man Jobs so schnell wie hier. Israel ist eine gute Schule für Flexibilität.

      Im Queen of Sheba standen neue Musiker auf der Bühne. Orit ist nach Tel Aviv gegangen, ein neuer Gitarrist aus Tel Aviv gekommen. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen, aber er beherrschte das gesamte Programm. Radshif war auch nicht mehr da, dafür spielte Raffi selbst das Schlagzeug.

      Beim nächsten Auftritt spielte Radshif den Bass und der Russe Udi die Drums. Manchmal spielten wir auch mit zwei Gitarristen. Die Besetzung änderte sich ständig, für eine deutsche Band undenkbar. Hier ist eben alles anders.

      Jemand aus dem Publikum lud mich auf ein Getränk ein. Zvika. Edle Erscheinung, sprach langsam und bedächtig, schien mir weise zu sein, das zog mich an.

      Ich liebte es, ihn reden zu hören, verbrachte viele Abende mit ihm. Er liebte es, mir traditionelle israelische Musik vorzuspielen und von seinem Leben in Mexiko und Los Angeles zu berichten. Jeden Schabbat fuhren wir mit seinem Buggy die Küste entlang, um bei einem Strandcafé zu halten, Freunde zu treffen und das Leben zu feiern.

      Eines Abends klingelte ich spontan an seiner Tür.

      Erfreut begrüßte er mich. „Ich grille gerade ein Hähnchen im Patio. Willst du mitessen? Komm und bring das Brot mit.“

      Sofort half ich den Tisch decken.

      „Im Kühlschrank sind noch eingelegte Paprikas, bring sie bitte“, forderte er mich auf.

      Während ich die Paprikas aus dem Kühlschrank holte, entdeckte ich Schafskäse. Mmh, das passt prima zu Hähnchen, ich nahm ihn gleich mit. Zvika war draußen mit dem Fleisch beschäftigt. Ich setzte mich zu ihm und schaute hoch in den dunklen Abendhimmel. Der Widerschein der Stadtlichter lag wie eine orangefarbene Wolke über den Häusern. Gedämpft drangen die Geräusche bis zur hinteren Häuserreihe zu uns vor. Die Luft war wunderbar mild und lau, ich genoss es, im privaten Patio geschützt zu sitzen und gleichzeitig draußen im Freien zu sein.

      Zvika begab sich zu Tisch, wir begannen zu essen. Auf einmal schreckte er hoch und fuhr mich an.

      „Was fällt dir ein? Das gibt's doch wohl nicht. An meinem Tisch!“

      Erschrocken fragte ich, was los sei.

      „Der Schafskäse! Du kannst doch nicht Schafskäse auf den Tisch stellen, wenn wir Fleisch essen!“

      „Du brauchst ihn doch nicht essen!“

      „Ich mag überhaupt nicht mehr essen. Das gehört nicht auf denselben Tisch“, sagte er scharf sich abkehrend.

      Von Rebecca vorgewarnt, was das koschere Essen angeht, habe ich von Zvika so eine Reaktion nicht erwartet, er war doch sonst so leger. Außerdem wusste ich nicht, dass ich den Schafskäse nicht auf den Tisch hätte stellen dürfen. Ich entschuldigte mich und brachte den Käse zurück in den Kühlschrank.

      Er beruhigte sich wieder.

      Wir blieben weiterhin Freunde.

      Mohammed, ein junger Araber, wollte mit mir ein Bier trinken gehen. Trotz des Verbots meines Bandleaders, mich mit Arabern einzulassen, nahm ich die Einladung an. Ich war neugierig, ich wollte Araber kennenlernen, einfach um sie kennenzulernen, damit ich weiß, wie sie sind. Außerdem wollte ich wissen, ob es da einen Unterschied gibt zu Juden oder ob der Unterschied nur erfunden ist. Vielleicht um ein Feindbild aufrecht zu erhalten. Ich wollte Menschenkenntnis erhalten, also musste ich so viele wie möglich kennenlernen, oder wie erhält man Menschenkenntnis?

      Mohammed gab sich große Mühe als Mann von Welt zu erscheinen und sprach mit ausgewählten, englischen Worten. Als wir aus dem Pub traten, legte er seinen Arm um mich, ich ließ es geschehen. Wir gingen an der Straße entlang. Auf einmal hupte Jossi mir vom Auto aus zu. Ich winkte zurück. Sofort wurde Mohammed wütend. Wie kann ich einen anderen Mann grüßen, wenn ich in seiner Begleitung bin. Was für Besitzansprüche! Ich gehöre doch niemandem, auch nicht, wenn ich mit ihm ein Bier trinken gehe. Mohammed wollte mich nicht verstehen. Er war grimmig. Ich sah ihn nie wieder.

      Sinneswandel

      Ich hatte das Herumstreunen satt, fühlte mich einsam, sehnte mich nach Vertrautheit, nach Familienleben mit festem Freundeskreis, nach dem Gefühl von Sicherheit. Mittlerweile kannte ich eine Menge Leute hier, hatte auch zu einigen engere Verbindung, aber eben keinen Partner. Ich wünschte mir einen israelischen Mann, durch den ich reinwachsen würde in diese Gesellschaft, anwachsen an die israelische Denke und Mentalität, einer von dieser großen Sippe werden und daraus Stabilität beziehen. Die Juden sind nicht nur so stark wegen ihres Glaubens, sondern vor allem wegen ihres Gefühls von Zusammengehörigkeit. Einheit macht stark. Ich möchte zu einer Einheit gehören.

      Gefrustet ging ich in eine Diskothek, vielmehr in einen Privatclub von renommierten Stammgästen. Ich kam da nur rein, weil ich ich war, die deutsche Sängerin der Lichtband.

      Dieser Abend nun sollte mein Leben verändern. Vergeblich suchte ich ein mir bekanntes Gesicht.

      Auf dem Weg zum Ausgang wurde ich von einem Amerikaner aufgehalten. „Ich komme gerade aus Los Angeles. Nach fünf Jahren bin ich die erste Nacht wieder hier, komm, trink einen Tequila mit mir.“

      Ich trank einen Tequila mit ihm, auch einen zweiten und einen dritten. Seine vier Freunde kamen hinzu. Einer von ihnen war Mexikaner. Sie hatten die Reise gemeinsam angetreten. Gentlemanlike ließen wir uns volllaufen. Gegen Morgen verlor ich das Bewusstsein, erinnerte mich noch, dass ich mit den Fünfen in einen Mercedes gestiegen bin, dann wurde es dunkel um mich.

      Ich erwachte in einem Raum, nicht wissend, wo ich bin, lag auf einem Bett, die fünf Männer um mich herum. Allesamt hatten sie ihre Hosen heruntergelassen, spielten mit ihren Gliedern und geilten mich an. Träumte oder wachte ich? Dann begriff ich. Schlagartig klar richtete ich mich auf und sagte entschieden, ich möchte bitte sofort nach Hause und sie sollten sich unterstehen, mich anzurühren. Sie lachten und machten sich daran, mir die Hose auszuziehen. Nur der Mexikaner blieb cool. „Lasst sie in Ruhe!“ sagte er und packte den einen am Arm. Aber schon hatten die anderen meine Unterhose zerrissen. Wild wehrte ich mich, strampelte mit den Beinen.

      Der Mexikaner zog sie von mir ab. Gemeinsam schafften wir es, die Kerle zu beruhigen. Am Ende entschuldigte sich der eine sogar bei mir und bat sich aus, mich mit seinem Mercedes nach Hause fahren zu dürfen. Es wäre nur ein Witz gewesen. Sehr witzig.

      Wie konnte ich nur in eine derartige Situation geraten? Endlos erschrocken über meine Leichtfertigkeit beschloss ich in derselben Nacht, nach Deutschland zu fliegen und mir ein Auto hier herzuholen. Nie wieder werde ich mit irgendjemandem mitgehen oder mitfahren, nie wieder wird irgendwer mich nach Hause bringen, nur noch ich mich selbst.

      Ich war bereit mich abzunabeln.

      Am folgenden Tag ging ich zu Zvika, um mit ihm darüber zu sprechen, was in der vergangenen Nacht geschehen ist und zu welchem Schluss ich gekommen bin.

      Bevor ich ihm von meinem Erlebnis berichten konnte, erzählte er: „Gestern sind fünf Freunde von mir aus Amerika hier angekommen. Ich habe sie ein paar Jahre nicht gesehen. Ich kenne sie aus meiner Zeit in Los Angeles und den einen aus Mexiko. Das sind verrückte Kerls. Sie haben mich vorhin gerade aus ihrem Hotel angerufen. Nach dem langen Flug haben sie sich die Hucke voll gesoffen und sich mit einem

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