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geschrieben hatte.

      Ha.

      Gestern morgen, zehn Uhr.

      Ich besuchte das deutsch- französische Gymnasium in Saarbrücken.

      Mir fiel ein, das Martina immerhin wert darauf gelegt hatte, das ich gut französisch lernte. Aber so nahe an der Grenze, mit einer so guten Schule in der Nachbarschaft, war das doch nicht so auffällig. Melanie ging ja auch hin.

      Große Pause.

      Ich hüpfte von hinten an Melie heran, weil ich blaue Schlümpfe hatte. Die hatte ich für sie aufgehoben. Berührte sie zufällig am nackten Arm.

      Und dann wusste ich es!

      Sah Meli knutschend mit Daniel auf Steffis Party. Die Party, auf die ich nicht durfte, weil Steffis Eltern meiner Mama nicht passten.

      Sah aus ihren Augen den Kuhblick aus Daniels Augen. Spürte, wie er die Hand unter mein, nein, Melanies Top schob.

      Weil, ich war ja gar nicht da. Ich las nur Melanies Erinnerung. Las sie von ihrer Haut, aus ihrem Körper, wie aus einem aufgeschlagenem Buch.

      Das war mein Talent.

      Jeder Mensch besaß doch ein besonderes Talent, oder?

      Schnell laufen, am weitesten Pinkeln, die meisten Regenwürmer schlucken können.

      Gut lügen, super in Mathe sein, manche wussten sogar, wann es Regen gab!

      Mein Talent?

      Berührte ich die Haut eines Menschen, sah ich in meinen Kopf einen kleinen Film ablaufen. Aus der Vergangenheit dieses Menschen, eine Erinnerung aus seinem Kopf.

      Ich wollte das nicht und es passierte auch nicht bei allen Menschen.

      Ich las nicht die Gedanken der Leute, oh nein.

      Es war lediglich eine Szene, eine Erinnerung.

      Meli erinnerte sich gerade an etwas, ich berührte sie, ich bekam es mit.

      Hätte sie dran denken müssen, sie war schließlich die einzige, die das wusste.

      Mir wurde so schlecht, ich lief aufs Klo.

      Dort spuckte ich die Schüssel voll und warf die blauen Schlümpfe hinterher.

      Dazu fiel mir ein, Meli sagte immer: „Treue Kerle sind so selten wie rosa Schlümpfe.“

      Treue Freundinnen wohl auch.

      Das war mies. So mies war das.

      Auf dem Klo stellte ich Melanie zur Rede.

      Doller Ort, um etwas persönliches zu besprechen. Kann ich jedem nur davon abraten.

      Ich schreie: „Wie kannst du mir so was antun?“

      Und hinter einer der Türen ein lauter Furz.

      Melanie wurde ganz bleich, fragte gar nicht, woher ich es wusste.

      Sie kannte mein Geheimnis. Sie als einzige. Sie als meine Vertraute.

      Meine Freundin, die alles von mir wusste.

      Wie hatte sie mir so was nur antun können?

      Sie stritt nichts ab, begann zu heulen und entschuldigte sich. Gab alles zu, auch den Montag, unseren Montag, an dem sie plötzlich keine Zeit für mich hatte! War mit Daniel zusammen im Kino gewesen!!!!!!!

      Wie fies war das denn?

      Steffi kam aus einer Kabine, entschuldigte sich nervös und haute ab, ohne sich die Hände zu waschen. Na toll. Sie war ein Ferkel, konnte furzen wie ein Köter nach zehn Würsten, und gleich würde die ganze Klasse vom Drama Melanie- Daniel- Leonie wissen. TOOOOLLL.

      News pubsfrisch vom Scheisshaus.

      Ich hatte was gelernt. Nie wieder eine Aussprache auf dem Schulklo.

      Ich sagte meinem Lehrer, mir wäre schlecht, müsse nach Hause.

      Er sah mir nur ins Gesicht und ließ mich gehen.

      Das hatte ich noch nie zuvor gemacht.

      Ich kam nach Hause und heulte mir die Augen aus dem Kopf wegen Melanie .... mehr wegen Melanie, als wegen Daniel.

      Bei dem waren mir sowieso schon Zweifel gekommen. Weil er sich seine ganzen Sachen immer nur zusammenkopierte und nie was eigenes schrieb. Und so cool dazu meinte, alle Geschichten bestünden schließlich aus 26 Buchstaben, also sei alles schon mal geschrieben und veröffentlicht worden. Er sei halt ein Künstler, der etwas Neues daraus machte, es passend für die Situation schnitt.

      Das hatte schon damals ein schales Gefühl in mir hinterlassen.

      Das und weil er immer so eifrig Kondome rausziehen konnte.

      Echt jetzt, der Kerl hatte überall Kondome gebunkert. Bestimmt hatte seine Mama schon welche in der Jeans oder Jacke mit gewaschen. Seine Mama hielt ihn bestimmt für verantwortungsbewusst, seine Kumpels für einen potenten Hengst.

      Nur mich störte dieser Übereifer.

      Ich meine, ich wurde in sechs Wochen achtzehn und alle Mädchen in meiner Klasse hatten schon mal. ( Elise, die Krötige, vielleicht nicht. Oder doch? Was wusste ich schon! )

      Er hatte ja recht, meine Mama bewachte mich strenger als England die Kronjuwelen, da waren Gelegenheiten rar und mussten wohl genutzt werden.

      Aber ich war eben doch nicht so ganz sicher gewesen, hätte lieber noch ein bisschen gewartet ..... und wieso konnte er eigentlich so geschickt ein Gummi überstreifen?

      Hatte wohl mit Möhren geübt.

      Ich wusste es nicht, denn wenn ich seine Haut berührte, las ich keine einzige Erinnerung.

      Solche Leute gab es, meine Mutter gehörte auch dazu.

      Und gerade weil ich nichts von Daniels Haut lesen konnte, außer den Duft, wenn er Sport gehabt hatte, oder geduscht hatte, letzteres roch wesentlich besser, war ich mit ihm weiter gegangen als mit jedem anderen. Weil ich mich endlich nur auf die Gefühle konzentrieren konnte. Die Wärme und Nähe seiner Berührung. Wie es sich anfühlte, wenn er mich küsste, streichelte ..... dabei musste ich mich aber beeilen. Denn wenn ich gerade anfing, es zu geniessen, war er schon fertig.

      Danach wollte er mich nicht mehr lange küssen und streicheln. Das wäre halt so, meinte Melanie, die schon mehr Erfahrung hatte und ihre Erlebnisse ausführlich mit mir besprach. Sie sah das locker und irgendwann war ich mir zurückgeblieben vorgekommen.

      Jungs waren halt so.

      Ehrlich, den Kerl konnte man doch getrost verschrotten, oder?

      Trotzdem tat es weh. Verdammt weh.

      Gestern, elf Uhr dreissig.

      Der Postbote klingelte und freute sich richtig, mich zu sehen. Ein eingeschriebener Brief für mich. Schon der vierte. Die anderen würden alle in der Hauptpost auf mich warten, ich habe ja wohl die Benachrichtigungen im Briefkasten gefunden.

      HÄ? WIE? WAS?

      Ich unterschrieb und er händigte mir einen persönlich an mich gerichteten Brief aus.

      Absender: Notar Dr. Wiener.

      Ein Notar?

      Was sollte das denn?

      Der Postbote erinnerte mich noch einmal an die vorherigen Briefe. Also, der Mann liebte seinen Job wirklich!

      Ich machte diesen oberwichtigen, an mich persönlich adressierten Brief auf.

      Das veränderte mein Leben.

      Aber echt jetzt.

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