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bring‘ uns was Schönes mit wenn du heimkommst.“

      Maria

      Elvira, Renate, Brigitte, Maria und Stefanie trafen sich im chinesischen Restaurant. Elvira war mit Renate befreundet. Sie wohnten in der selben Straße und hatten sich "vor Jahren" im kleinen Cafe beim Bäcker um die Ecke kennengelernt. Brigitte war Elviras Arbeitskollegin und mit Renates Genehmigung in die Runde aufgenommen worden. Maria war durch Renate hinzugekommen. Sie waren beide ehrenamtlich in ihrer Kirchengemeinde tätig und kümmerten sich dort um alleinstehende ältere Frauen, die Hilfe brauchten: Einkaufen, Arztbesuche, Behördengänge oder einfach nur mal ein bisschen reden, denn sie hatten festgestellt, dass das Alleinsein für ältere Menschen manchmal ein größeres Problem ist, als eine Erkrankung. Stefanie war mit 49 Jahren das "Küken" in der Runde. Sie kannte Elvira und Renate aus dem "Oma-Club" im Kindergarten. Dort waren sie bei allen Festen und Feiern für Kaffee und Kuchen zuständig. Aber sie brachten auch schon mal Kinder in den Kindergarten, quasi als "Leih-Oma", wenn die Eltern verhindert waren. Elvira und Renate, Brigitte und Maria hatten irgendwann beschlossen sich "Kleeblatt" zu nennen. "Stammtisch" fanden sie blöd, so nannte sich jede Männerrunde. Als Stefanie dazu stieß hatte sie gleich eingewandt, dass sie nicht das "fünfte Rad am Wagen" sein wolle. Aber Maria hatte gemeint, dass es auch Kleeblätter mit fünf Blättern gäbe. Und die wären noch seltener als vierblättrige und darum noch wertvoller.

      Es gab immer etwas, über das man reden konnte. Zuforderst die Ehemänner oder die "Ex", die Familie, die Arbeit und die Arbeitskolleginnen oder Kollegen, die Nachbarn, die neueste Mode und die neue Geliebte des Bankdirektors. Natürlich wurden auch Witze erzählt. Und die waren nicht unbedingt "stubenrein".

      Elvira legte vor: "Kommt 'ne Frau zum Arzt..." und schon lachten alle.

      "Kenne ich schon", fiel Brigitte ihr ins Wort.

      "Hör doch erst mal zu", beharrte Alvira. "Also: Kommt 'ne Frau zum Arzt und sagt: Herr Doktor, ich habe aus Versehen einen Zehn-Euro-Schein verschluckt. Was soll ich machen? Sagt der Arzt: Ach, das ist nicht so schlimm, der kommt in den nächsten Tagen auf natürlichem Wege wieder heraus. Die Frau kommt nach zwei TAgen wieder. Fragt der Arzt: Na, hat es geklappt? Die Frau sagt: Ja, schon irgendwie, aber das komische ist, immer, wenn ich aufs Klo gehe kommt 1 Eurostück heraus. Sagt der Arzt: Klarer Fall, Sie sind in der Wechseljahren." Und das Gelächter wollte kein Ende nehmen.

      Es gab sowieso immer viel zu lachen. Natürlich wurde zwischendurch auch gegessen und getrunken und meist löste sich die Runde erst auf, wenn sie merkten, dass sie die letzten Gäste im Restaurant waren. Aber in letzter Zeit war die Stimmung allerdings manchmal ein bisschen gedrückt. Es ging um Maria, die in einer Krise steckte.

      Maria war in Augsburg geboren und aufgewachsen. Ihr Vater war Beamter gewesen, immer korrekt gekleidet, pünktlich und ordentlich, so wie es sich für einen Beamten gehört. Sein Ordnungsbedürfnis war Marias Meinung nach schon manchmal an der Grenze zur Pedanterie gewesen, was ihr als Kind ziemlich auf die Nerven gegangen war. Ihre Mutter war Lehrerin gewesen.Trotzdem hatte Maria sich für ein pädagogisches Studium entschieden. Sie hatte Geschichte und Deutsch auf Lehramt studiert. Aber sie war zum Studium bewusst in den Norden gegangen, nach Hannover. Dort sollte - wie es hieß - das beste und reinste Hochdeutsch gesprochen werden. Maria fiel es zunächst schwer. Einerseits wegen der Entfernung zu ihrer Heimat, andererseits weil sie echte Probleme mit der hochdeutschen Sprache hatte. Das begann schon im Alltag. Man sagt dort z.B "Guten Tag" und nicht "Grüß Gott" und man verabschiedete sich mit "tschüß" und nicht mit "pfuid di". Aber das hatte sie schnell gelernt. Schwerer war es mit der Aussprache. Sie war gewohnt "Augschburg" zu sagen, mit "sch", und nicht Augsburg. Und auch alle andern Vokale und Konsonanten wurden dort oben im Norden korrekt ausgesproch. Aber sie hatte es ja so gewollt. Eine große Hilfe war ihr dabei Maik, ein Kommilitone, gewesen. Er wiederum hatte ihren bayrischen Dialekt geliebt. Letztendlich waren sie dann 15 Jahre miteinander glücklich verheiratet gewesen, bis ein tödliche Verkehrsunfall sein Leben frühzeitig beendete. Der zweite Mann in ihrem Leben war Tom, mit dem sie fünf Jahre zusammenlebte, bevor er sie wegen einer Jüngeren verlassen hatte. Damit endete dann auch Marias Interesse an Männern. Sie widmete sich voll und ganz ihrem Beruf und genoß in ihrer freien Zeit ihre Freiheit. Sie traf sich mit Freundinnen im Restaurant am Kuhsee oder nutzte mit ihnen bei schönem Wetter den inoffiziell geduldeten FKK-Strand auf einer Sandbank im Lech.

      Sie hatte ihren Beruf von Anfang an als "Berufung" verstanden und war inzwischen mehr und mehr darüber enttäuscht, dass die meisten ihrer Schüler in den oberen Klassen wenig Interesse an ihrem Unterricht hatten, weder an der Schönheit der deutschen Sprache noch an geschichtlichen Zusammenhängen. Dabei lebten sie in einer Stadt, die wie kaum eine andere schon vor Jahrhunderten in der europäischen Geschichte eine wesentliche Rolle gespielt hatte: Die legendäre Schlacht unter Bischof Ulrich gegen die Hunnen auf dem Lechfeld, die Belagerung durch die Schweden, die Zeit der napoleonischen Kriege und letztendlich der wirtschaftlich Aufstieg durch die Fugger.

      Hinzu kam die Disziplinlosigkeit im Unterrischt, die in der letzten Zeit so zugenommen hatte, dass Maria eines Tages mitten im Unterricht die Stimme versagte. Eine "funktionale Dysphonie" hatte der HNO-Arzt festgestellt, "ein stressbedingtes Versagen der Stimme wegen psychischer Überbelastung. Ihr Körper streikt einfach." Das Maß der Belastung war überschritten.

      Als sich die Anfälle wiederholten hatte sie eine Entscheidung getroffen. Sie war eines morgens einfach nicht aufgestanden, um, wie gewohnt, in die Schule zu gehen. Ihr Hausarzt hatte bei ihr stark erhöhten Blutdruck und Herzrhytmusstörungen festgestellt. "Das müssen wir langfristig beobachten" hatte er gesagt und sie bis auf weiters krankgeschrieben.

      Sie hatte sich in ihre Wohnung zurückgezogen, ihr Handy ausgeschaltet, die Haustürklingel abgestellt, die Gardinen zugezogen und war im Bett geblieben. Sie versuchte zu schlafen, aber sie wälzte sich nur unruhig hin und her. Sie versuchte ein Buch zu lesen, aber selbst das gelang ihr nicht. Oft musste sie mehrere Seiten zurückblättern um den Zusammmenhang wiederzufinden. Erst ausgiebige Spaziergänge am Lech ließen sie ruhiger werden. Eine Freundin hatte ihr geraten einen Arzt aufzusuchen, der ein Spezialist auf dem Gebiet psychosomatischer Erkrankungen war. "Sie müssen unbedingt aufhören zu arbeiten", hatte er gesagt, "Sie sind jetzt 59 Jahre alt und seit fast 35 Jahren im Dienst. Ihr Körper macht einfach nicht mehr mit. Wir sollten eine Kur in einer psychosomatischen Klinik für sie beantragen und gleichzeitig einen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand stellen."

      Das war vor drei Monaten gewesen. Inzwischen hatte sie mehrere medizinische und psychologische Tests über sich ergehen lassen, war regelmäßig einmal wöchentlich bei einer Psychologin - übrigens eine sehr nette Frau - gewesen und hatte einen regen Schriftverkehr sowohl mit der Berufsgenossenschaft als auch mit der Rentenversicherung geführt. Gerade heute war ein Brief der Berufsgenossenschaft gekommen, den sie stolz dem "Kleeblatt" präsentierte. "Ich glaub, ich hab's geschafft", sagte sie, "Dr Keiner hat gemeint, dass es ein gutes Zeichen sei, wenn man mir eine Kur genehmigte."

      "Aber das ist doch eine Psychokur, Mary", sagte Renate ganz erbost, "du hast doch keine Klatsche."

      "Das ist mir doch egal wie das genannt wird. Hauptsache es klappe mit meiner Frühverrentung."

      "So eine Psychokur ist doch kein Knast", wollte Elvira richtiggestellt wissen, "da soll sie sich erholen, damit sie möglichst bald wieder in das Berufsleben integriert werden kann."

      "Das glaubst du auch nur", protestierte Maria sofort, "gegen Erholung hab' ich ja nichts. Und ich werde artig alles tun, was man von mir verlangt. Aber eines werde ich mit Sicherheit nicht, mich nämlich noch einmal vor eine Klasse stellen. Da gibt es genug jüngere Kollegen, die nur darauf warten, dass meine Stelle frei wird."

      "Gut", sagte Brigitte, "dann machen wir jetzt mal einen Plan."

      "Nein, bitte keinen Plan", bremste Maria ihre Freundin, "das hört sich gleich wieder wie Stundenplan an. Ich fahr' da einfach hin und lasse alles über mich ergehen und dann scha'n wir mal."

      Der Brief ging von Hand zu Hand und war inzwischen bei Stefanie gelandet. "Mensch, hast du ein Glück", sagte sie, "sechs Wochen Urlaub auf Borkum. Ich würde sofort mit dir tauschen, auch wenn ich mich dann von irgendwelchen Psychoheinis volllabern lassen müsste. Borkum ist eine tolle Insel", schwärmte

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