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die Armbanduhr um und zog den Gürtel in die Schlaufen seiner Hose. Als er fertig war und sich umwandte, stellte er fest, dass er allein auf dem Flur stand. Larence hatte es vorgezogen, sich grußlos zu entfernen.

      Diego hob kurz die Schultern, wünschte dem Wachhabenden noch einen schönen Tag und ging auf schnellstem Weg zum Ausgang der Polizeistation.

      Es tat gut, die warmen Strahlen der Abendsonne zu spüren. Die ganze Sache hatte ihn doch mehr mitgenommen, als er gedacht hatte. Mit jeder Stunde seiner Gefangenschaft war es ihm schwerer gefallen, den Coolen zu spielen, aber jetzt war er frei, und das war das Einzige, was zählte.

      Plötzlich stieg eine innere Unruhe in Diego auf. Ein kalter Schauer durchlief ihn, und er spürte, wie seine Hände anfingen, zu zittern. Schräg gegenüber gab es eine Grünanlage. Ein kleiner Park, in dem auch einige Bänke standen. Mit unsicheren Schritten ging Diego über die Straße und setzte sich genau auf die Bank, auf der gestern Lana und Lou gesessen hatten.

      Jetzt erst kam die Reaktion, die er seit seiner Verhaftung die ganze Zeit lang unterdrückt hatte: Heiß pulste das Blut durch seine Adern und das Herz wummerte in seinem Brustkorb wie ein Vorschlaghammer. Noch nie in seinem Leben war er gefangen gewesen. Noch nie hatte man ihn dermaßen beschuldigt und gedemütigt, und jetzt, wo es endlich überstanden war, brach das alles über ihn herein.

      Ein paar Minuten später ging es wieder einigermaßen. Diego griff in die Tasche seines Jacketts, holte das Handy heraus und aktivierte es. Insgesamt neunundzwanzig Missed Calls wurden angezeigt. Ganz oft von Lana, ein paar Mal von Lou und Hercule, und dann noch ein paar Neugierigkeitsanrufe von Studis, die gestern Morgen mitgekriegt hatten, dass er verhaftet worden war.

      Die Versuchung sofort Lana anzurufen war groß, aber Diego hatte seine Cousine auf dem Flur vor den Vernehmungsräumen gesehen, also war Lous Nummer die erste, die er wählte.

      „Alvarez“, meldete sich Lou.

      „Hallo Lou! Diego hier.“

      „Diego“, kam es erleichtert aus dem Hörer. „Haben sie dich jetzt erst freigelassen?“

      „Nicht ganz freiwillig. Sagen wir lieber, dass ich mich freigekämpft habe. Ich bin nach wie vor der Hauptverdächtige. Du weißt ja worum es geht. Dich haben sie ja bestimmt auch wegen Alicia vernommen.“

      „Lana und mich. Ja. Aber sie mussten uns gehen lassen.“

      „Letzte Nacht konnte ich sie nicht erreichen, aber sie war heute Morgen bei dir, habe ich gehört.“

      „Das kann ich mir schon vorstellen, dass man dir das brühwarm aufgetischt hat“, lachte Lou bitter auf. „Wer war es? Diese Auburn?“

      „Nein, Larence!“

      „Hör zu, Diego: Egal, was er dir erzählt hat: Ich habe sie nicht verführt.“

      „Darum geht es doch gar nicht.“

      „Mir geht es darum! Also nochmals: Ich-habe-sie-nicht-verführt! Zwischen uns war nichts, ist nichts und wird nichts sein!“

      „Lou, wir müssen reden.“

      „Über Lana?“

      „Über alles.“ Diego versuchte seiner Stimme einen beruhigenden Klang zu geben. „Aber nicht am Telefon. Kann ich zu dir kommen?“

      „Hast du Lana schon angerufen?“

      „Mache ich jetzt sofort. Kann sie mitkommen?“

      „Natürlich! Wann könnt ihr hier sein?“

      „In einer guten Stunde etwa. Nein, besser anderthalb. Okay?“

      „Okay!“, bestätigte Lou. „Bis dann.“

      „Bis dann!“ Diego drückte das Gespräch weg und wählte Lanas Nummer. Sie meldete sich sofort.

      09 INTERNATIONAL HOUSE

      Gnadenlos werde ich aus tiefstem Schlaf gerissen. Biggy ist über mir und hat meinen Oberkörper hoch genommen, als sei ich ein Baby. Atemlos umarmt und drückt sie mich.

      „Lana! Da bist du ja wieder! Mein Gott was siehst du blass aus! Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Was war denn nur mit dir? Was ist denn passiert? Wo warst du?“ sprudelt es aus ihr heraus, während sie mich wieder und wieder an ihren Busen zieht.

      Einen Moment lang werde ich weich und mir steigen wieder Tränen in die Augen. Sich in mütterlicher Umarmung auszuheulen scheint mir plötzlich sehr verlockend. Aber ich wüsste nicht, wie ich Biggy mein Gefühlschaos wirklich erklären könnte. Also versuche ich sie zu vertrösten: „Morgen Biggy, ja? Lass mich einfach erst Mal schlafen. Morgen erzähle ich es dir, aber jetzt nicht.“

      Ich befreie mich sachte aus ihrer Umarmung und lasse mich wieder zurücksinken. Die Decke ziehe ich mir über die Schultern, um mich vor ihren fürsorglichen Blicken zu schützen. „Ich muss einfach mal schlafen ja?“ murmele ich.

      Enttäuscht zieht Biggy sich von mir zurück und sieht mich etwas maulig an. Ein verzagtes Lächeln legt sich über ihr Gesicht. „Na ja“, grinst sie, „ich gebe zu, das war jetzt wohl ein Überfall. Aber morgen erzählst du mir wirklich alles, ja?“

      „Ja“, murmele ich und drehe mich zur Seite. Gleichzeitig überlege ich halb verschlafen, was ich ihr überhaupt erzählen könnte von all dem. Ich will da gar nicht drüber nachdenken und auch nicht darüber, dass ich immer noch in voller Montur im Bett liege. Das ist mir alles zu viel. Ich will im Moment keine Entscheidungen mehr treffen. Ich will nur noch schlafen.

      Biggy wirtschaftet leise im Zimmer herum. Im Moment will sie nichts von mir. – Gut!

      Schließlich rastet die Tür ins Schloss und ich atme erleichtert auf. Nun brauche ich mich nicht mehr zu verstellen und gebe meine Tiefschlafpose auf. Etwas entspannter ruckele ich mich bequem zurecht, da fällt mir ein, dass Biggy wohl zum Abendessen runter gegangen ist.

      Rasch stehe ich auf, ziehe meine Klamotten aus und schlüpfe in mein Schlafshirt. Schlechtes Timing: Ich spüre einen leichten Druck in meinem Unterbauch, also schnell noch über den Flur gehuscht, Pipi gemacht und dann wieder ins Bett.

      Ein leichtes Ziehen in der Magengegend erinnert mich daran, dass ich heute außer ein paar kalten Pancakes noch nichts gegessen habe. - Vielleicht doch wieder anziehen und runtergehen?

      Nein! Allein die Vorstellung, Biggy gegenüber zu sitzen und endlose Fragen zu beantworten, lässt mich derartig schlapp werden, dass ich mir die Decke noch höher über den Kopf ziehe. Sofort spüre ich einen leichten Luftzug an meinen nackten Füßen. – Das alte Spiel, das ich kenne, seit ich vierzehn war. Lana zu lang, Decke zu kurz! Ich versuche es zu ignorieren. Einfach nur schlafen. – Aber das geht nicht mit kalten Füßen, also zappele ich ein bisschen herum, bis alles so ist, wie ich es brauche um mich zu entspannen. Nun könnte ich weiterschlafen – statt dessen fange ich an im Kopf mit Biggy Gespräche zu führen. „Hör mal Biggy, das ist so ...“

      ‚Hallo Lana! Du willst schlafen! Du kannst hier niemandem etwas erklären!’

      Oh mein Unterbewusstsein, es meldet sich mal wieder. – Toll! – Was hast du mir denn zu sagen?

      ‚Lass es Lana! Du redest mit dir selbst!’

      Stimmt, aber ich muss doch noch dieses eine Argument ...

      ‚Nein musst du nicht, Lana! Du liegst allein in deinem Bett und niemand – ich wiederhole – niemand hört dir zu!’

      Ich gebe auf, drehe mich auf die andere Seite und schlafe schließlich wirklich wieder ein.

      Biggy ist am nächsten Morgen schon früh auf. Ich stelle mich schlafend, um allen Fragen aus dem Weg zu gehen. Sie ist wirklich eine Gute. Aus leicht geöffneten Augenlidern sehe ich sie mit ägyptisch anmutenden Bewegungen auf Zehenspitzen durchs Zimmer schleichen. Ganz offensichtlich will sie mich nicht wecken. Prima! – Ich weiß nämlich immer noch nicht, was ich ihr erzählen könnte. Andererseits kann ich mich

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