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DAS OPFER. Michael Stuhr
Читать онлайн.Название DAS OPFER
Год выпуска 0
isbn 9783847627241
Автор произведения Michael Stuhr
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Lou, mach das nicht!“, rufe ich bestürzt aus.
„Entschuldige!“ Sie sackt ein wenig in sich zusammen. „Ist schon wieder besser.“ Sie versucht ein scheues Lächeln. „Ich wollte dich nicht erschrecken.“
„Ich kenne das“, sagt Diego in das Schweigen hinein. Seine Hand liegt immer noch auf meinem Arm. „Wir sind nun mal mit diesem Fluch geboren, anders zu sein. Egal wie wir sein wollen: wir sind und bleiben Darksider! Du weißt ja, dass ich als Kind dieses kleine Mädchen getötet habe, ohne es zu wollen.“
Ich nicke stumm. Wie könnte ich das je vergessen?
„Die Sache hat mich verfolgt, bis ich dich kennenlernte. Mein Leben war mir egal. Ich habe damit herumgespielt. Enge Bergstraßen waren eine Verlockung für mich. Weil ich nicht wusste, ob ich leben wollte, sollte das Schicksal für mich entscheiden. Ich nannte es das Wenn-Dann-Spiel. Das funktionierte mit Höchstgeschwindigkeit, und ich brauchte in den Kurven die ganze Straße für mich. Wenn mir einer entgegengekommen wäre, dann hätte ich den Wagen von der Straße gerissen, um ihn nicht zu töten.“
Ich schüttle nur stumm den Kopf. – Wie verzweifelt muss man sein, um so etwas zu tun?
„Das Schicksal hat nicht zugeschlagen.“ Der Druck seiner Hand verstärkt sich leicht. „Und das war alles, bevor ich dich kennengelernt habe.“ Er lächelt mich an. „Es ist vorbei. Für immer!“
„He Lana!“, lächelt Lou mich an. Sie scheint sich wieder gefangen zu haben. „Sieht so aus, als hättest du nicht nur mir das Leben gerettet!“
Ich nicke stumm, weil ich nichts sagen kann. – Jetzt haben schon zwei Menschen ihr Leben an mir festgemacht. Kann ich das tragen? Ich lache verzweifelt auf. Wer fragt denn danach? Wer wird denn überhaupt jemals gefragt, was er aushalten kann? Da kriegst du vom Schicksal irgendwelche Sachen reingereicht, und dann sieh zu, wie du damit klarkommst.
„Alles okay?“, fragt Diego besorgt und beugt sich ein wenig vor.
Ich muss mich räuspern, bevor ich antworte. „Alles okay!“, sage ich und denke zuerst, dass das eine Lüge ist, aber dann sehe ich Diego und Lou an, und ich spüre, wie sehr sie mich mögen. Es sind die besten Freunde die man sich wünschen kann, und wenn ihre Probleme durch mich kleiner geworden sind, dann ist das gut so. „Alles okay!“, wiederhole ich und nicke dazu. Zu meinem Erstaunen zieht sich sogar ein Lächeln über mein Gesicht.
Plötzlich ruckt Diegos Kopf herum. Er legt in einer stillen Geste den Zeigefinger auf die Lippen. Wir schweigen und lauschen.
Diego erhebt sich mit einer lässigen Bewegung und sagt laut: „Ich hole mir noch was zu trinken. Wollt ihr auch noch was?“
Erstaunt schütteln wir die Köpfe.
Diego geht mit schnellen Schritten zur Terrassentür, dreht sich aber kurz bevor er darin verschwindet zur Seite und gleitet mit unglaublicher Geschwindigkeit in den Schatten der Überdachung. Im Schutz der Hauswand schleicht er zum Zaun. Ein kurzer Schrei ertönt. Man hört das Geräusch von schnellen Schritten und etwas später das Aufheulen eines Motors.
„Der wird sich wohl nicht mehr hierher trauen. Aber es werden andere kommen. Seid euch sicher, wir sind nicht mehr allein“, murmelt Diego finster, als er sich wieder auf seinen Stuhl fallen lässt.
Lou verzieht das Gesicht zu einer seltsamen Grimasse. Sie sieht beinahe ein wenig schuldbewusst aus, aber gleichzeitig auch etwas belustigt. – Seltsam!
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