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Kopfsprung ins Leben. Marc Lindner
Читать онлайн.Название Kopfsprung ins Leben
Год выпуска 0
isbn 9783742749178
Автор произведения Marc Lindner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Als der Schmerz nachließ war Jane wieder zugegen, und räumte unbeirrbar das Schlachtfeld auf. Wo nahm sie nur die Kraft her? Mir war es gar zu viel mich zu erheben und sie war gegen jede Erschöpfung immun.
„Wo kommst du her?“, fragte ich, als sie erneut an mir vorbeischritt.
Sie setzte an stehen zu bleiben, entschied sich dann doch anders. Es sah aus als würde das Bild kurz rucken. Aus der Ferne wäre ihre Reaktion unsichtbar geblieben.
Ich war überfordert. Auflodernde Wut lähmte meine Gedanken. Was bildete sie sich nur ein? Doch noch bevor die Wut mich vollends ergreifen konnte, schämte ich mich dafür. Ich hatte ungewollt einen wunden Punkt getroffen. Meine Frage sollte meine Bewunderung vermitteln, doch gesendet hatte sie nur Hass. Ich wollte dieses Missverständnis aus der Welt schaffen, doch ich war zu erschöpft. Jane blieb im Haus und ließ ihre Arbeit draußen unvollendet.
Lange stierte ich auf die Tür und hoffte sie würde rauskommen. Doch um ehrlich zu sein, ich wusste, dass sie nicht kommen würde. Und ich wusste warum.
Es war mein Vater. Es kam nicht oft vor, dass er wütend war, aber manchmal fanden die gleichen Worte den Weg aus seinem Mund. Die gleichen Worte, aber nicht die gleiche Frage. Bei weitem nicht. Es war nicht einmal eine Frage.
Ich stierte die offene Tür an und hörte meines Vaters Stimme heraus hallen. Wo kommst du her? Was hast du hier zu suchen? Geh doch zurück in dein Land, wenn es dir nicht gefällt. Du hast hier nichts zu suchen.
Ich kämpfte gegen die Übelkeit an, die mich zum Würgen brachte. Ich wollte nicht. Es ging gegen meine Würde. Ich wollte nicht auch noch die letzte Kontrolle verlieren.
Ich rang um Atem. Mein Hals war ganz trocken und kratzte.
„Jane?“ Jane kam nicht. Sie wäre auch nicht gekommen, wenn sie das Flüstern gehört hätte.
Erschöpft legte ich meinen Kopf auf die Fliesen. Es wurde dunkel vor meinen Augen und ich schlief ein.
Ein Schatten huschte an mir vorbei. Vollkommene Stille umgab mich und verwirrte meine Gedanken. Es wirkte so irreal in der roten Welt in der ich gefangen war. Dabei war ich mir absolut sicher, dass die Welt einen Augenblick zuvor noch schwarz gewesen war. Meine Gedanken vermochten das Rätsel nicht zu lösen.
Bedächtig öffnete ich die Augen und musste blinzeln. Gleißendes Licht blendete mich, bevor ich erkannte, dass ich immer noch am Pool lag. Von einem Schatten war nichts zu sehen. Vorsichtig ließ ich meinen Blick wandern, ohne dabei aber meinen Kopf zu bewegen. Dort wo ich es erkennen konnte, waren die Spuren der vergangenen Nacht beseitigt. Nur noch unliebsame Erinnerungen kündeten von dem Partygetöse.
Unvermittelt trat Jane an mir vorbei. Ich hatte ihre Schritte nicht gehört und so sanft, wie sie ihre Schritte setzte, war das auch so von ihr gewollt.
„Wo ...“, flüsterte ich und musste husten.
Jane beschleunigte ihre Schritte und war sogleich verschwunden.
Ich erinnerte mich an meinen Fehler und wollte ihr hinterher eilen. Aber das ging nicht. In meinem Kopf begann es von Neuem zu hämmern, noch bevor ich ganz aufgestanden war. Ich blieb stehen und dehnte meinen Rücken in der Hoffnung ich könnte den Schmerz vertreiben. Wenigstens meine Haltung wollte ich wahren und blickte mich ausgiebig um. Überall war es blendend hell und die Erinnerungen an die letzte Nacht wollten nicht hierhin passen.
„Wo komme ich denn her?“ Ich drehte mich im Kreis und fand keinen Platz zum Halten. Mir wurde schwindlig und ich stolperte ein paar Schritte in Richtung Tür und klammerte mich an die Wand um nicht zu kippen. Ich brauchte einen Moment um zu verschnaufen. Drinnen kam mir, nach der blendenden Sonne, alles dunkel vor. Ich hörte Glas klirren und wusste dass Jane im Keller zu Gange war. Ich überlegte ob ich warten sollte bis sie wieder hoch kam. Doch so energisch das klang, wie sie bei der Arbeit war, glaubte ich, dass das noch eine ganze Weile dauern würde.
Deshalb stieß ich mich leicht von der Wand ab und hangelte mich am Esstisch vorbei in Richtung Treppe. Die Geräusche wurden lauter. Nach einem etwas längeren Blick auf die Bar folgte ich den Stufen nach unten.
Ich fühlte mich wie in einem schlechten Traum. Meine Beine bewegten sich unsicher und ich vermochte sie nicht zu kontrollieren. Meine Hände strichen über die Wand, als wäre ich ein Einbrecher. Und es war mir, als hätte ich nicht das Recht dort hinunter zu gehen.
Ich stand bereits eine Weile unten an der Treppe bevor Jane meine Gegenwart bemerkte. Sie hielt mitten in der Bewegung inne, ohne sich aufzurichten oder auch nur umzudrehen.
Ein Zittern ergriff meinen Körper und ich drückte beide Hände hinter mich gegen die Wand, damit sie mit dem Zittern aufhören sollten.
Ich wollte etwas sagen, doch ich wagte es nicht. Da waren so viele Worte, so viele die nur falsch zu verstehen waren. Ich selbst verstand sie nicht. Ich wünschte ich könnte schreien, damit ich all das Schweigen nicht hören musste. Jane wollte sich in Luft auflösen, doch es gelang ihr nicht.
Der Moment schien festgefroren. Keiner bewegte sich. Ich konnte spüren wie sie in Gedanken den Raum hinter sich ausmaß. Doch es führte kein Weg an mir vorbei. Die Seitentür nach außen war mit Getränkeboxen zugestellt. Sie musste still mit sich fluchen, dass sie die dort abgestellt hatte. Zu allem Überfluss stand ich so dicht an der Treppe, dass sie nicht berührungslos an mir vorbei kommen konnte.
Zu der Einschätzung musste sie auch eben gekommen sein. Ich beschäftigte mich seit einer Weile mit dem Gedanken einen Schritt zur Seite zu gehen, konnte mich aber nicht entscheiden.
Jane drehte sich um und ihr Mund lächelte. Sie gab nicht vor überrascht zu sein. Sie nickte mir grüßend zu, bückte sich und schnappte sich eine Kiste mit Gefrierelementen. Ihre Schritte wirkten sicher als sie auf mich zukam.
Endlich tat ich den Schritt zur Seite.
„Es tut mir leid.“
Sie betrat eben die Treppe.
„Ich wollte nicht.“
Sie ging weiter nach oben.
„Wir räumen lieber noch ein bisschen auf, bevor dein Vater kommt.“
Ich blickte mich um und sah auf den Turm voll Müll den der gestrige Abend hinterlassen hatte.
Als ich erneut zur Treppe sah, war Jane bereits verschwunden. Schwerfällig arbeitete ich mich die Treppe hoch.
Jane stand hinter der Bar und wischte nass auf. Wo sie den Eimer so schnell her hatte, blieb mir ein Rätsel. Sie wandte mir den Rücken zu und war eifrig dabei zu schrubben. Dennoch war von Hektik bei ihr nichts zu erahnen.
Sie bewegte sich wesentlich schneller und flinker als es ihrem Körperbau entsprach. Ich hörte Vaters Stimme.
„Die Putze putzt“, pflegte er zu sagen, wenn er sie so sah.
Dabei lachte er stets leise, als würde er sich für seine Wortkombination bewundern.
Ich hielt mich an der Wand fest. Es war so ungerecht.
„Du kannst die Kisten hinunter tragen.“ Jane blickte mich kurz an und zauberte ein neues Tuch aus ihrer Schurze hervor und nebelte den Spiegel mit ihrer Sprühflasche ein.
Ich ließ meinen Oberkörper nach vorne kippen und stützte mich am Tresen ab. Am anderen Ende der Bar standen drei Kisten mit leeren Flaschen. Ich nahm eine Kiste und ging zur Treppe. Es kam mir vor, als wären alle Flaschen gefüllt, so schwer wog es in meinen Armen. Das Gehen fiel mir noch schwerer. Als ich die ersten Stufen hinter mir hatte, erkannte ich den Fehler. Es war keine Hand frei, um mich an der Wand abzustützen. Stehen bleiben konnte ich auch nicht mehr. Mein Oberkörper zog mich nach unten. Doch auch so kam ich nicht weit. Meine Beine verloren den Rest Kontrolle, den sie noch hatten. In dem verzweifelten Versuch das Gleichgewicht zu wahren, setzte ich die Füße schneller ab. Doch diese entwickelten eine Eigendynamik, derer ich nicht gewachsen war. In der Hälfte der Treppe kippte mein Körper endgültig nach vorne. Meine Füße verloren den festen Boden unter sich. Die Kiste entglitt meinen