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war ein ungewohntes Gefühl am Rande der Gartenanlage zu stehen. Vor mir erblickte ich eine lichtertränkte Kulisse. Trunkene jaulten, riefen sich zu und lachten. Gruppen bildeten und lösten sich auf. Von mir schien derweil niemand Notiz zu nehmen. Weder mein Erscheinen noch meine Abwesenheit fand auf irgendeine Weise Beachtung. So blieb ich unentschlossen stehen und verbarg mich im Halbdunkeln. Im Garten dienten die Spots lediglich den Pflanzen und huldigten ihnen mit punktuellen Lichtoasen.

      Ich konnte mich nicht entscheiden, welche Gruppe ich mit meiner Aufmerksamkeit als Gastgeber beehren sollte. Etwas abseits vom Geschehen erspähte ich einen unbeleuchteten Fleck. Ein mir fremder Gedanke führte mich dorthin. Verwundert, dass ich ungestört dort angekommen war, drehte ich mich um. Das Geschehen berührte mich nicht. Ich wandte mich ab und erkannte, dass ein verborgener Pfad den Abhang hinab führte. Ein Schrei ließ mich aufschrecken. Obwohl mein Blut in Wallung geriet, musste ich feststellen, dass nicht ich gemeint war. Meine Füße zogen mich ins Dunkel hinein. Bevor der Abhang steil wurde, erhob sich mit einem kleinen Absatz eine Wand aus der Erde. Dies war unverkennbar Steves Reich. Eine üppige Hecke verbarg die Sicht auf Vaters Anwesen.

      Ich saß eine Weile auf der niedrigen Mauer und versuchte das gedämpfte Partygetöse zu verdrängen. Es dauerte lange, bis ich die Aussicht über die Insel wahrnahm. Nach einer Weile gar fragte ich mich, warum ich die Stelle nicht schon viel früher entdeckt hatte. Ich musste lachen. Es fühlte sich an, als würde ich etwas Verbotenes tun. Einfach nur hier zu sitzen und meine Gäste allein zu lassen.

      „Schön hast du es hier.“ Eine leise Stimme schreckte mich auf.

      Ich drehte mich um und suchte nach jemandem, der dort stand. Ich hörte ein amüsiertes aber unaufdringliches Lachen. Dort stand niemand. Ich folgte dem Lachen. Erkennen konnte ich sie nicht, aber nun wusste ich, dass dort im Dunkeln ein Mädchen ebenfalls auf der Mauer saß. Obwohl sie nicht weit entfernt saß, hatte ich sie bisher nicht bemerkt. Mir wurde unwohl. Sie muss die ganze Zeit über hier gesessen haben. Hatte sie mich beobachtet?

      Ich ärgerte mich über den Eindruck, den ich erwecken musste. Ich brachte in meinem Kopf keinen sinnvollen Gedanken zusammen und starrte deshalb hinunter zur Küste und suchte dort nach einem Ausweg. Als es längst zu spät war, um etwas zu antworten, wandte ich mich ihr zu. Sie hatte wohl nicht darauf gewartet, etwas von mir zu hören und schaute ebenfalls Richtung Meer. Vielmehr als Konturen konnte ich nicht von ihr erkennen. Doch so wie sie dort saß, sah es viel entspannter aus, als ich mich fühlte. Sie genoss den Ausblick. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie mich angestarrt hatte. Augenblicklich kam ich mir lächerlich vor, als ich mir meiner Gedanken bewusst wurde.

      Nachdem ich ihr Relief eine Weile ansah, merkte ich, dass sie mir durchaus bekannt war. Nur wer sie war, konnte ich für den Augenblick nicht sagen.

      Sie spürte wohl, dass meine Blicke auf ihr ruhten, und drehte ihren Kopf in meine Richtung. Sie lächelte mir zu als würde meine Neugier sie nicht stören. Kurze Zeit später wandte sie sich dem Meer zu. Erneut hatte ich den passenden Moment verpasst etwas zu sagen und folgte schweigend ihrem Blick.

      Ich spürte, dass meine Hände Beschäftigung suchten.

      „Verzeih, wenn ich dir dein Versteck gestohlen habe.“ Ihre Stimme war ungewohnt sanft. Ein kleiner Stein hatte sich gelöst und ich hielt ihn in der Hand. Ich wollte nicht, dass sie das sah und ließ ihn bedächtig im Dunkeln verschwinden. Mein Versteck? Wovon redete sie eigentlich?

      Vorsichtshalber ließ ich ein kurzes Lachen ertönen, für den Fall, dass es ein Scherz gewesen war. Aber auch dadurch ließ sie sich nicht davon abhalten, den Ausblick zu genießen.

      Sie verwirrte mich mit dem, was sie tat. Und mehr noch mit dem, was sie nicht tat. Was machte ich eigentlich hier, sollte ich nicht bei meinen Gästen sein? Ich drehte mich um und konnte den Lärm hören. Ich konnte nicht verstehen, wie ich den überhaupt hatte vergessen können.

      „Du redest nicht gerne.“ Ihre Stimme brachte mich dazu, den Berg hinab zu schauen. „Das kann ich gut verstehen.“

      Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich eigentlich sie anschauen sollte. Als ich diesmal ihre Konturen im Schatten ausmachte, hallte ihre Stimme in mir wider.

      „Ich mag diesen Lärm auch nicht.“ Diesmal lachte sie leise und wandte sich ab.

      Mein Blick blieb an ihr kleben. Ich erkannte die Stimme. „Amanda?“ Ich erschrak, als sie sich zu mir umdrehte. Ich hatte es nicht aussprechen wollen. Erneut ärgerte ich mich und spürte, wie sich mein Körper verkrampfte, weil ich nicht wollte, dass sie dies merkte.

      Sie lachte nur. Es war ein angenehm weiches Lachen. Ich konnte nicht anders und musste kichern. Meine Gedanken ordneten sich. Natürlich war sie es. Wer sonst von meinen Bekannten würde sich abseits des Partygeschehens verstecken. Ihre Mutter war eine der angesehensten Anwälte auf der Insel und mein Vater war einer ihrer wichtigsten Mandanten. Deshalb war sie hier. Freiwillig hätte sie sich nicht hier blicken lassen. Ich kannte sie seit der Grundschule als wir im gleichen schweizer Internat waren. Schon damals war sie sonderbar gewesen.

      „Ich denke du solltest dich wieder blicken lassen“, meinte sie und nickte der Hecke zu, die den Lärm nur wenig zu dämpfen vermochte.

      Ich nickte und stand auf, dankbar zu wissen, was ich tun sollte.

      „Und du?“

      Sie blickte die Insel hinab. „Später. Ich bleibe noch ein wenig hier.“ Sie lächelte mir entgegen. Zumindest glaubte ich, das zu erkennen. „Wenn ich darf?“ Ihr Kopf neigte sich zur Seite.

      Abermals nickte ich. „Ja, klar!“ Ich kam mir albern vor und kicherte, um das Gefühl loszuwerden. Wieder spürte ich, wie ich verkrampfte und verschwand hinter der Hecke.

      Meine Augen wurden gleich überreizt. Discolicht erhellte die Terrasse, einzelne Strahlen trafen auf mich. Mein Herz begann zu rasen und der Beat pochte in meinem Magen wieder.

      Schatten sprangen hin und her. Meine Pupillen folgten dem Geschehen nicht minder sprunghaft. Vergebens mühte ich mich, ein Gesicht zu erkennen. Frustriert näherte ich mich der Bar und musste ernüchtert feststellen, dass diese reichlich Andrang gefunden hatte. Der Vorstellung sich dort genüsslich hinsetzen zu können, verbot sich von selbst. Herr des Hauses spottete ein Gedanke und erweckte in mir den Drang ihn hinunter zu spülen.

      Max sprang mich von hinten an.

      „Na, was geht Alter?“

      Obwohl ich gefährlich torkelte, brachte ich es erstaunlicherweise fertig halbwegs aufrecht stehen zu bleiben und Max jubelnd auf meinem Rücken auszubalancieren. Mehr um sicheren Stand bemüht, als dass es Absicht gewesen wäre, hatte ich ihn an der Bar entlang getragen. Aber auch dann noch beabsichtigte er nicht abzusteigen und wollte gleich zum Pool getragen werden. Doch als ich ihm androhte ihn unsanft über meinen Kopf ins Wasser absteigen zu lassen, wollte er plötzlich meine Dienste nicht länger in Anspruch nehmen. Lachend zog er von dannen. Von dem Schreck musste ich mich erst einmal erholen und schnaufte beruhigt durch und blieb leicht orientierungslos stehen. Abermals drang der Lärm auf mich ein und überflutete meine Sinne.

      „Na, wie war ich?“ Max trat neben mich und trank gelassen aus seinem Cocktailglas und überblickte zufrieden das Geschehen.

      Ich sah ihn an und musste einmal kräftig schlucken, als seine geschwollene Brust mir imponierte. Dann musste ich lachen.

      „Einfach klasse!“ Die Erinnerung drang sich in mein Bewusstsein. „Aber Sarah war auch nicht schlecht.“

      Max sah mich entgeistert an und auf einen Schlag entwich alle Luft aus seiner Brust. Sein Mund öffnete sich automatisch, und obwohl sein Blick Bände sprach, brachte er kein Wort zustande. Einige Augenblicke stand er so da, dann wurde ihm die Angelegenheit zu dumm. Er schüttelte sein Haupt und glaubte sich damit den größten Dienst zu erweisen, sich aus dem Staub zu machen. Keine Sekunde später fand ich mich alleine in der feiernden Menge wieder.

      Endlich erlöste mich Sebastian und drückte mir ein Glas in die Hand und bot mir damit Halt. Auf ihn war Verlass. Ich prostete ihm zu und trank das Glas halb leer, ohne dass mir bewusst wurde, was für einen Inhalt

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