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Putzer, Bauarbeiter, Wä­scher, Müllhändler, Feuermacher und selbst die Lumpen­sammler ihn abgeschrieben hatten, weil sie Deacon wie Tesla nicht über den Weg trauten und der sich auch zu zögerlich an­gestellte, fanden sie eine Funktion als Aushilfe in der Gemein­schaftsküche.

      Madeleine, die stark korpulente Köchin mit der tiefen Stimme und dem Armeebefehlston, scheuchte „das lange Elend“, wie sie Deacon nannte, gleich zu einem rostigen Spül­becken, neben dem die angeschlagenen Teller zu Türmen auf­stapelt standen. Danach sollte er die Kessel schrubben, die vie­len Tische im Essbereich abwischen, den Boden kehren und Rattenfallen aufstellen.

      Arbeiten, als wäre er ein Mensch, war ihm irgendwie un­angenehm. Leider war gute Tarnung alles. Vor allem, wenn er in Wirklichkeit ein Wesen war, welches allgemein als Mythos abgestempelt wurde. Ohne zu nörgeln, nahm er Madeleines Anordnungen entgegen und hoffte jedes Mal, mit seiner über­menschlichen Kraft nichts dabei zu zerstören. Wenn dieser Panzer von Frau ungehalten aufbrauste, wollte er nicht in der Nähe sein.

      Als an seinem ersten Arbeitstag die Abenddämmerung ein­setzte, entließ ihn seine neue Herrin mit der Warnung, dass, wenn er morgen nicht vor Sonnenaufgang vor ihrer Tür stän­de, es gewaltigen Ärger geben würde.

      Selbstverständlich verpflichtete er sich.

      Die Geschwister warteten geduldig auf ihn. Ihre Beschäfti­gungen als Jäger und Sammler schienen ihm zwar weniger an­strengend als der Küchenjob, jedoch wollte er nicht schimp­fen.

      „Nun, Sklave? Wie war’s?“, nahm Ted ihn auf den Arm.

      Deacon kratzte leicht die eigene Wange. „Meine Gesund­heit scheint es zu verkraften.“

      „Maddie meint es nicht böse mit dir“, sagte Nadja freund­lich. „Sie hat zwar eine sehr dicke Schale, aber ein butterwei­ches Herz. Außerdem mag sie dich.“

      „So? Komische Art, das zu zeigen.“

      „Jedenfalls mehr als die meisten, glaube ich.“

       Super.

      8

      Aus Anfängen wurde mit etwas Zeit Routine. Und Deacon hat­te keinesfalls seine Probleme damit. Es machte ihm sogar rie­sigen Spaß, Tag auf Tag wie ein ganz gewöhnlicher Mensch zu leben. Die Arbeit war zwar nicht so rosig, doch Nadjas Worte über Madeleine stimmten und mit ihr verstand er sich bald ge­nauso gut wie mit den Geschwistern. In seinen Pausen raufte er mit den Kindern und wenn er abends müde bei Teds Woh­nung eintraf, genoss er es, in der Runde beim Feuer zu sitzen und Geschichten zu lauschen.

      Trotz dessen, dass er stets höflich und freundlich zu allen Bewohnern der Siedlung war, nie ein böses Wort sagte und für Essen wie Schlafplatz arbeitete, betrachtete man ihn anschei­nend unabwendbar als Außenseiter. Hinterrücks wurde weiter getuschelt und über den Neuen gelästert.

      Der Grund war die alte Tesla, die wohl beschlossen hatte, ihn bis in alle Ewigkeit nicht ausstehen zu können. Wenn sie auf seinen Namen spuckte, taten viele es ihr gleich. Ob aus Herdenzwang, Dummheit oder Antipathie, ließ sich nicht sa­gen.

      Das außer Acht gelassen, war es hier eigentlich recht schön. Vor allem, bei Nadja zu sein, gefiel ihm.

      Ihr Charme, ihr Lachen, ihr unerschütterlicher Wille und die unbezwingbare Hoffnung in ihren Augen ... Da geriet er für die junge Frau ins Schwärmen.

      Wegen so einer Gefühlsduselei seine Pflicht als General und Seelenfänger zu vernachlässigen – ganz zu schweigen von dem endgültigen Befehl, sich im Höllenschloss einzufinden – würde ihn Kopf und Kragen kosten, sollte der Morgenstern tatsächlich selbst emporsteigen, um ihn zu holen. Aber er wollte es ja nicht anders. Die Suppe war bereits angebrannt, als die Engel auf den Plan traten.

      Sein Bauch sagte ihm, dass das noch schlimm enden wür­de. Doch Wesen der Vernunft ignorierten oft solche Warnun­gen.

      Tesla knurrte in ihr Inneres hinein.

      Jedes Mal, wenn sie ihn sah, stieß ihr die Galle sauer auf und von dem scheinheiligen Grinsen wurde ihr schlecht. Der Kerl mochte das Gesicht eines Engels haben und damit andere über seine wahren Absichten hinwegtäuschen können. Sie konnte er nicht für dumm verkaufen.

      Gefahren zu spüren, war ihr eine nützliche Fähigkeit. Seit Kindestagen wusste sie, welchen Schritt sie wohin setzen musste, um nicht zu stürzen. Oder welche Menschen sie mei­den sollte, weil diese dunkle Gedanken hegten.

      Ihre seelische Alarmglocke schellte beim ersten Anblick von diesem Deacon laut los. So hielt sie es für ihre Aufgabe, all die weniger sensiblen Menschen vor ihm zu warnen.

      Gerade Frauen, die nur zu empfänglich waren für sein hüb­sches Antlitz. Die sich von diesem Pfau blenden ließen und den süßen Worten seiner Lippen Glauben schenkten.

      Ihre größte Sorge galt dabei Nadja. Sie war ständig in un­mittelbarer Nähe dieser trügerischen Kreatur.

      „Ich muss mit dir reden“, hielt sie ihre Ziehtochter eines Tages auf, als diese gerade auf dem Weg zur Gemeindeküche war.

      Das Mädchen ahnte schon, worum es gehen würde, fragte aber dessen ungeachtet: „Weshalb?“

      „Über diesen Burschen, der dir den Kopf verdrehen will.“

      Zu einer solchen Anschuldigung fiel Nadja nur hohles Ge­lächter ein. „Mir den Kopf verdrehen? Bitte, Tantchen, das ist doch Unsinn. Wir sind nur Freunde und er -“

      Die Alte unterbrach sie: „Er wird dich mit Haut und Haa­ren verschlingen und in die Dunkelheit stürzen! Dieser Mann ist wie ein Dämon, der dir nur Unglück bringt! Er tut dir nicht gut. Besser wäre es, du würdest ihm nicht so leichtgläubig ge­genübertreten. Sei gefälligst vorsichtiger!“

      „Ich weiß wirklich nicht, warum du Deacon so verab­scheust.“

      „An ihm klebt der Gestank des Todes, Mädchen. Er riecht nach Gewalt und seine Augen kennen den Anblick von Krieg und Leid. Darum wirken sie auch leer wie die schwarzen Au­gen eines Hais. Halte dich fern von ihm, Nadja, oder du wirst es bereuen.“

      Sie hatte keine Lust mehr, auf die Worte einer paranoiden Greisin zu hören. Derart wütend war sie auf diese gebeugte Frau nie gewesen, dennoch verbot es ihr der Respekt, ihrer Wut frei Luft zu machen.

      Stattdessen wandte sich Nadja von ihr ab und meinte nur beiläufig über die Schulter: „Du solltest ihn besser kennenler­nen, Tante Tess, bevor du ihn verurteilst. Für dich ist er ein Niemand von nirgendwo, doch mir ist er ein Freund.“

      „Und was weißt du Wahres über diesen Freund?“, schallte es zurück.

      Das musste sie zugeben. Deacon hatte niemals etwas Per­sönliches verraten, außer seinem Namen. Und den noch nicht einmal ganz. Selbst in ihrer Gegenwart war es ausgeschlossen, dass er von sich erzählte. Kein Wort, was vorher gewesen war.

      Sie ahnte zwar, dass er ihre Gegenwart genauso genoss, wie sie die seine, bloß vertraute er ihr kein Krümchen seines Lebens an.

      Aber da war etwas an ihm. Und es gab ihr Gewissheit. Sie konnte ihm vertrauen und brauchte keine Angst zu haben. Ihr Kopf hätte sie vielleicht gewarnt, jedoch glaubte sie dem Her­zen.

      „Ich weiß, dass er ein guter Mensch ist. Und das zählt.“

      Ihre Tante schwieg einige Zeit lang. Als sie wieder sprach, war ihre sonst so boshafte Stimme erstaunlich ruhig und um­sorgend: „Nadja. Du bist wie eine Tochter für mich. Versteh meine Bedenken. Ich will dich nicht an diesen Unhold verlieren. Ich will nicht, dass er deine Gutmütigkeit ausnutzt und dir das Herz bricht.“

      Diese Art Gefühle irritierten das Mädchen, hatte Tesla es ja oft vermieden, ihrer Mutterrolle gerecht zu werden. Fast wäre sie weich geworden, trotzdem sagte sie schließlich trocken: „Ich habe ihm mein Herz nicht gegeben. Wie soll er es da bre­chen? Auch ein Hai ist kein Monster, Tante. Es gibt keinen Grund, dass ich ihn meiden sollte.“

      Deacon

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