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Journalist Peter Brandes - auch bekannt unter dem Namen Curt Rieß - ging sogar noch einen Schritt weiter. In der Überzeugung, dass keine der Protokollkopien mehr existiert, erweckte er den Anschein, das Stenogramm der ersten Abhörung zu kennen, und phantasierte munter drauflos. Nach seinem "atemberaubenden Tatsachenbericht" im "Stern" vom 23. November 1957 soll van der Lubbe in der Brandnacht erklärt haben: "Als ich in den, großen Saal kam ... den Saal mit den vielen Stühlen und Bänken ..., mit der Holzverkleidung... Der Saal brannte schon, als ich hereinkam...

      "Den habe ich nicht angezündet! Den nicht! Er brannte schon, als ich hereinkam." Brandes fügt hinzu: "Und davon wird sich van der Lubbe niemals abbringen lassen ...

      "Mit vor Müdigkeit zitternder Hand unterschreibt er (Lubbe). Um allen Irrtümern vor-zubeugen: Er unterschreibt nichts, was er nicht gesagt hat. Das von der Berliner Polizei verfasste Protokoll ist vollkommen in Ordnung..."

      Die Legende des Illustriertenschreibers Rieß wird nicht nur durch das Polizeiprotokoll selbst entlarvt, das Rieß nie zu Gesicht bekommen hat; sie ist bereits durch die Ver-handlungsprotokolle des Leipziger Reichsgerichts widerlegt. Vor Gericht haben nämlich die Kriminalkommissare Heisig und Dr. Zirpins wiederholt unter Eid versichert, weder die Vernehmung van der Lubbes noch die Ermittlungen im Reichstagsgebäude hätten irgendwelche Anzeichen dafür erbracht, dass außer van der Lubbe noch andere Mittäter an der Brandstiftung beteiligt gewesen seien. Und beide Kriminalisten haben ihre Angaben nach dem Krieg wiederholt bestätigt.

      Das Polizeiprotokoll der Vernehmung van der Lubbes, das nachstehend - zum ersten Mal - auszugsweise veröffentlicht wird, widerlegt zudem die Behauptung der Pariser Braunbuch-Autoren, die Nazis hätten allen Grund gehabt, dieses Dokument zu fürchten.

STRAFSACHE VAN DER LUBBE BAND: HAUPTAKTEN I. Berlin, am 28. 2. 33 "Vorgeführt erscheint Marinus van der Lubbe und sagt aus: Zur Person: Ich bin in 's Hertogenbosch und dann in Leiden in die Volksschule gegangen, und dann habe ich Maurer gelernt. 1928 bin ich Geselle geworden. Seitdem habe ich mit kurzen Unterbrechungen keine Stellung gehabt. 1929 erlitt ich einen Unfall und beziehe seit dieser Zeit eine Unfallrente von 7 Gulden 44 Cents pro Woche . . . Im März 1931 bin ich nach Berlin gelaufen von Leiden aus und hier in Berlin etwa 1 Woche geblieben. Ich wohnte damals im Männerheim Alexandrinenstraße. Dann ging ich wieder zu Fuß nach Holland zurück; für den Hin- und Rückweg brauchte ich je etwa 6 Wochen . . . Im September 1931 ging ich wieder von Leiden los: Bayern, Österreich, Jugoslawien und über Ungarn fuhr ich mit dem Zuge nach Hause . . . Im Januar 1932 bin ich zum zweiten Mal nach Budapest gelaufen, das hat wieder einen Monat gedauert. Ich ging wieder über Bayern nach Österreich. Auf dem Rückwege habe ich Tschechien durchquert... 1933 blieb ich im Januar zuhause und ging erst in den letzten Tagen wieder auf Wanderschaft. Ich ging von Leiden nach Cleve, Düsseldorf, Essen, Bochum, Dortmund, Braunschweig, Magdeburg bis Berlin. Ich bin hier an einem Sonnabend angekommen. Es war dies der 18. Februar 1933. Ich kam in den Nachmittagsstunden über Potsdam und konnte kurz vor Berlin ein Lastauto benutzen, mit welchem ich bis Schöneberg fuhr. Der Weg von Leiden bis Berlin betrug etwa 800 km. Die erste Nacht von Sonnabend zu Sonntag schlief ich in der Alexandrinenstraße. Die Adresse ist mir von früher her bekannt gewesen ... Am Sonntag war ich vormittags auf einem SPD-Konzert auf dem Bülowplatz, das aber von der Polizei aufgelöst worden ist. Dann ging ich mittags in den Lustgarten. Hier sah ich den Aufmarsch des Reichsbanners. Abends ging ich in das Asyl in der Fröbelstraße schlafen. Am Montag musste ich früh für das Asyl Schnee schippen. Ich war gegen 13 Uhr fertig und schrieb dann Briefe nach Holland. Nachdem ich noch etwas spazieren gegangen war, ging ich zeitig schlafen, und zwar wieder in der Fröbelstraße. Am Mittwoch bin ich etwa gegen 11 Uhr vom Asyl weggegangen und habe mich nach der Gleimstraße begeben, wo ich in der Volksküche vom Wohlfahrtsamt Essen bekam. Ich ging dann noch einige Zeit im Wedding spazieren und ging dann nach der Alexandrinenstraße im Männerheim schlafen. Ich will jetzt den Dienstag nachtragen: Bis 12 Uhr war ich im Wohlfahrtsamt, wo ich eine Esskarte für Mittwoch bekam. Dort habe ich lange warten müssen, weil da sehr viel Leute waren, so dass die Sache sehr lange dauerte. Nachmittags ging ich in der Gegend des Alexanderplatzes spazieren und um drei Uhr in ein Kino, wo ich den Film 'Der Rebell' sah. Ab 17 Uhr bin ich noch etwas gelaufen und dann ins Fröbel- Asyl zurückgegangen. Am Donnerstag bin ich um 9 Uhr früh losgegangen und habe mich nach Neukölln gewandt. Vor dem Wohlfahrtsamt habe ich mich mit den Erwerbslosen unterhalten und auch eine Erwerbslosenzeitung gekauft. Abends ging ich, dann in das Männerheim Alexandrinenstraße zurück. Meinen Unterhalt habe ich teils von eignem Gelde bestritten, das mir mein Freund Jacobus Vink, Leiden, Heringsgracht hierher postlagernd beim Postamt in der Königstraße gesandt hat. Es waren zweimal 5,- RM, die am Dienstag und am Freitag kamen. Im Übrigen habe ich im Asyl kostenlos gewohnt und auch das Essen sonst frei gehabt. Am Freitag bin ich den ganzen Tag unterwegs gewesen, und zwar habe ich besucht: Das Zentrum, Alexanderplatz, Schönhauser-Allee, Gleimstraße und zurück in der Gegend von Alexanderplatz bis zur Alexandrinenstraße, Diesmal habe ich kein Mittag gegessen, dafür bekam ich Abendbrot in dem Männerheim. Zur Tat: Am Sonnabend ging ich um 10 Uhr aus dem Männerheim fort und wandte mich dem Zentrum zu, wo ich auch das Schloss gesehen habe. Vom Alexanderplatz ging ich direkt nach Süden und kam auf den Hermannplatz. Hier war ich etwa gegen 17 Uhr. Auf dem Wege zum Hermannplatz kam mir der Gedanke, das Wohlfahrtsamt anzuzünden. Ich kaufte zu diesem Zweck für 30 Pfg. 4 Pakete Kohlenanzünder. Das Wohlfahrtsamt liegt am Mittelweg. Ich habe eine Hecke überklettern müssen und bin hinten herum gegangen, bis ich etwa in Kopfhöhe ein Eckfenster sah, in das ich dann ein brennendes Paket hineinwarf. Ob das Paket einen Brand entfacht hat, weiß ich nicht, da ich sofort auf demselben Wege, wie ich hingekommen war, geflüchtet bin ... Mit der Untergrundbahn bin ich von der nächsten Haltestelle aus bis zum Alexanderplatz gefahren. Die Tat im Wohlfahrtsamt habe ich um 18.30 Uhr begangen. Vom Alexanderplatz aus ging ich die Königstraße lang und kam um 19.15 Uhr vor das Rathaus. Hier ging ich, so wie ich in der Skizze eingezeichnet habe, zunächst an der Kehrseite des Rathauses vorbei. An der Ecke sah ich ein Kellerfenster offen stehen. Ich entzündete wieder ein Paket der Kohlenanzünder und warf es in den Keller hinein. Es war schon dunkel und mich hat niemand beobachtet. Ob das Paket einen Brand entfacht hat, weiß ich nicht, da ich auch hier schnell weggegangen bin. Ich bin an der hinteren Längsseite des Rathauses entlang, die Spandauer Straße und dann die Königstraße in Richtung zum Schloß eingebogen. Am Schloss war ich gegen 20 Uhr ... Auf der linken Seite des Torbogens bin ich hochgeklettert und auch auf das Dach gelangt. Dort oben lief ich die Front entlang und dann quer zur Spree zu. Mitten auf der Seite des Daches brachte ich dann die restlichen beiden Pakete zur Entzündung, Ich bin dann denselben Weg wieder zurückgeklettert. Ein Paket habe ich in ein Dachfenster geworfen, mich aber nicht darum gekümmert, ob sie gezündet haben ... Am Sonntag bin ich früh um 9 Uhr aufgebrochen und bin durch den Tiergarten über Charlottenburg nach Spandau gegangen . . . Am Sonntag abend bin ich in ein Dorf bei Spandau eingekehrt Dieses Dorf heißt Hennigsdorf. (Vermerk: v.d. Lubbe ist am 26. 2. 33 um 18.20 Uhr in Hennigsdorf polizeilich gemeldet und am 27. 2. 33 um 7.45 Uhr weitergewandert. - Telephonische Auskunft des Polizeireviers.) Am Montag bin ich gegen 8 Uhr von Hennigsdorf wieder in Richtung Berlin abmarschiert und habe mich zuerst nach Tegel begeben. Ich bin dann die ganze Müllerstraße, Chausseestraße und Oranienburger Straße entlang bis zum Reichstag gegangen. Ich kam von der Oranienburger Straße zunächst zu den Linden, ging diese herunter bis zur ersten Querstraße vor dem Brandenburger Tor (Neue Wilhelmstraße). Von dort ging ich direkt zum Reichstag herüber. Ich war etwa gegen 17 Uhr da. Zunächst bin ich den Weg so gegangen, wie ich ihn in Skizze 4 eingezeichnet habe. Auf diese Weise konnte ich mir das ganze Gebäude ansehen. Ich bin dann die Siegesallee herunter zum Potsdamer Platz gegangen und von hier die Leipziger Straße entlang nach dem Alexanderplatz. Bereits am Vormittag habe ich mir beim Passieren der Müllerstraße (auf der linken Seite derselben nach der Stadt zu gesehen) 4 Pakete Kohlenanzünder für 30 Pfg. gekauft. Der Laden war ein Kohlengeschäft in einem kleinen Holzgebäude. Kartoffeln sind auch verkauft worden. Ich möchte

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