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Schon die Wahl des Titels "Braunbuch" war ein gelungener Griff. Er suggerierte unbewusst die Vorstellung von "amtlichen Dokumenten", unanfechtbaren Unterlagen. Genau das hatte man erreichen wollen, und genau das erreichte man: Wochenlang füllten Auszüge, Kommentare und Leitartikel zum Thema Braunbuch die Spalten der Weltpresse.

      Über die grandiose Pariser Hexenküche, in der die kommunistischen Agitprop Spezialisten wirkten, hat neben anderen ehemaligen Kommunisten vor allem Arthur Koestler ausführlich berichtet. In seiner "Geheimschrift" 1 und in "Ein Gott, der keiner war" 2 leuchtet er rücksichtslos in den Kreis jener kommunistischen Intellektuellen hinein, die sich in Paris um den "roten Hugenberg" - wie Münzenberg genannt wurde - scharten.

      Agitprop-Chef Münzenberg war nach Koestlers Schilderung "eine magnetische Persönlichkeit von einer ungeheuren, mitreißenden Vitalität und einem unsentimentalen, verführerischen Charme". Die Münzenberg-Schwägerin Margarete Buber-Neumann bestätigt das in ihren Erinnerungen: "Wohl kein anderer prominenter deutscher Kommunist war so voller Ideen wie Münzenberg... Fast alle standen unter dem Eindruck seiner kraftvollen Persönlichkeit, bewunderten seine Fähigkeit, alles seinen Zwecken dienstbar zu machen, mochte es sich um die Sammlung von Unterschriften einflussreicher Dichter, Künstler oder Gelehrter handeln oder um den Aufbau einer Hilfsaktion."

      Münzenberg war zur Zeit des Reichstagsbrandes noch in Berlin, 43 Jahre alt und einer der jüngsten Abgeordneten des Reichstags. Er war 1914 als Handwerksbursche in die Schweiz gegangen und hatte dort Verbindung mit russischen Emigranten aufgenommen. Er wurde, gut Freund mit Trotzki, Sinowjew und auch mit jenem Wladimir Uljanow, den die Welt später unter dem Namen Lenin kennen lernen sollte.

      Als die Schweizer ihn nach dem Ersten Weltkrieg über die Grenze nach Deutschland abschoben, ging Münzenberg nach Berlin, wo er den "Kommunistischen Jugendverband" mitgründete, die "Internationale Arbeiterhilfe" leitete und schließlich Reichstagsabgeordneter wurde.

      Am Brandabend hatte sich Münzenberg in Frankfurt am Main aufgehalten. Als ihm klar wurde, dass er als einer der von den Nazis bestgehassten Kommunisten mit seiner Verhaftung rechnen musste, flüchtete er zunächst in die Schweiz und siedelte einige Wochen später nach Paris über. Dort organisierte er unverzüglich das Propa-gandahauptquartier der Komintern, mit dem er - nach Koestlers bewundernden Worten - "einen weltweiten, antifaschistischen Kreuzzug begann, der eine einmalige Leistung in der Geschichte der Propaganda darstellt".

      "Dieses Hilfskomitee für die Opfer des deutschen Faschismus", so berichtete Koestler weiter, "mit seinem glänzenden Aushängeschild internationaler Berühmtheiten, wurde der Hebel des ganzen Kreuzzuges. Mit großer Vorsicht vermied man, dass Kommunisten - mit Ausnahme einiger Träger international bekannter Namen wie Henri Barbusse und G.B.S. Haldane - öffentlich mit dem Komitee in Verbindung kamen. Das Pariser Sekretariat, welches das Komitee leitete, war jedoch eine ausschließlich kommunistische Fraktion, mit Münzenberg an der Spitze und kontrolliert von der Komintern. Die Büros waren zuerst in der Rue Mondetour und später im Hause Nr. 83 Boulevard Montparnasse. Münzenberg selbst arbeitete in einem großen Zimmer innerhalb der Räumlichkeiten des Komitees, doch kein Außenseiter wusste davon.

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      Er rief internationale Ausschüsse, Kongresse und Bewegungen ins Leben, wie ein Zauberer Kaninchen aus seinem Hut hervorzieht: das Hilfskomitee für die Opfer des Faschismus, so genannte 'Ausschüsse für Wachsamkeit und demokratische Kontrolle', internationale Jugendkongresse usw. Jede dieser getarnten Parteiorganisationen konnte stolz auf ein Aushängeschild mit einer Liste von hochachtbaren Persönlichkeiten hinweisen - darunter englische Herzoginnen, amerikanische Leitartikler und französische Wissenschaftler, von denen die meisten den Namen Münzenberg nie gehört hatten und die Komintern für einen von Goebbels erfundenen Butzemann hielten.

      Ein Pariser Mitarbeiter Münzenbergs, Professor Alfred Kantorowicz, hat im Jahre 1947 - zehn Jahre vor seiner Flucht aus dem kommunistischen Machtbereich - seine Erinnerungen an das Braunbuch veröffentlicht. Er schreibt im "Aufbau" Nr. 2/47: "Das 'Braunbuch über den Reichstagsbrand und Hitler-Terror' hat lückenloses, unwiderlegliches und nun durch die seit Kriegsende aufgefundenen Nazi-Geheimdokumente bestätigtes Beweismaterial über diesen welthistorischen Kriminalfall (des Reichstagsbrandes) zusammengetragen."

      "Damals" - so ließ sich Kantorowicz 1947 über das Zustandekommen des Braunbuchs aus - wurden "alle diese dokumentarischen Materialien gesiebt, sorgfältig auf ihre Richtigkeit überprüft, geordnet und zusammengestellt von, einer Gruppe bekannter Schriftsteller und Journalisten, zu denen mit anderen André Simone, Alexander Abusch, Max Schröder, Rudolf Furth und der Verfasser dieses Berichtes (Kantorowicz) gehörten. Das ,Braunbuch' ist kein Pamphlet, sondern eine Dokumentensammlung."

      In der "Weltbühne" 1947 werden André Simone und Alexander Abusch als die beiden "damals natürlich anonymen Redakteure", Kantorowicz und Furth als die "engsten Mitarbeiter", Max Schröder als "Lektor" bezeichnet.

      Arthur Koestler freilich gibt eine ganz andere Darstellung über das "Sammeln von Dokumenten" durch den Münzenberg -Stab als Kantorowicz: "Wie aber konnten wir den naiven Westen von der Wahrheit einer so phantastischen Geschichte überzeugen? Wir hatten keine unmittelbaren Beweise, keinen Zugang zu den Zeugen und nur unterirdische Verbindungen mit Deutschland. Kurz, wir hatten nicht die leiseste Vorstellung von den konkreten Umständen. Wir mussten uns aufs Raten verlassen, aufs Bluffen und auf unser intuitives Wissen um die Methoden und die Denkart unserer Gegner in der totalitären Verschwörung. 'Wir' bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das Propagandahauptquartier der Komintern in Paris, das unter der Flagge des 'Hilfskomitees für die Opfer des deutschen Faschismus' segelte."

      Die Verfasser der Braunbücher blieben wohlweislich anonym; das Vorwort des ersten Bandes aber trug die Unterschrift des leibhaftigen Oberhaus-Mitglieds Lord Marley, eines Mannes, der mit den Kommunisten nicht das Geringste zu tun hatte, was ihn nicht daran hinderte, ein glänzendes Honorar dafür zu kassieren, dass er seinen Namen als zugkräftigen Werbeslogan hergab. Das Schreiben des Vorworts hatten ihm Münzenberg und sein Famulus Otto Katz, der sich später, im spanischen Bürgerkrieg, André Simone nannte, großzügig abgenommen.

      Der Kernpunkt des Braunbuchs I war die "dokumentarisch belegte Geschichte des Reichstagsbrandes". Schreibt Koestler: "Das Braunbuch enthielt die Geschichte des Reichstagsbrandes, beginnend mit einer ausführlichen Lebensgeschichte van der Lubbes, die der holländische 'Apparat' ausgegraben hatte, mit Berichten über seine Kontakte mit den homosexuellen Kreisen um Hauptmann Röhm, und endend mit einer überzeugenden Schilderung, auf welche Weise die Brandstifter durch den unterirdischen Gang in den Reichstag gelangt waren. Mehrere unmittelbare Teilnehmer an der Tat wurden genannt: Graf Helldorf und die SA-Führer Heines und Schulz ... All' das gründete sich auf Deduktion, Intuition und Pokerbluff. Das einzige, was wir mit Sicherheit wussten, war, dass irgendwelche Nazikreise es irgendwie zustande gebracht hatten, das Gebäude abbrennen zu lassen."

      Dieses freimütige Eingeständnis kennzeichnet die damalige Situation der Kommunisten. Ernst Torgler, dem sein Verteidiger Dr. Sack das Braunbuch in seine Zelle im Untersuchungsgefängnis geschickt hatte, schrieb darüber: "Ich muss gestehen, dass ich einigermaßen erschüttert war, als ich es durchlas. So primitiv hatte ich mir die Dinge eigentlich nicht - vorgestellt. Dieser van der Lubbe sollte ein alter Bekannter von Röhm sein und auf seiner 'Liebesliste' stehen? Goebbels sollte den Plan für den Reichstagsbrand entworfen und Göring, gewissermaßen an der Treppe zum unterirdischen Gang stehend, sollte die Brandstiftung geleitet haben?"

      Trotzdem wurde das Braunbuch ein riesiger Erfolg. Es war eben raffiniert gemixt aus echten und gefälschten Dokumenten und spekulierte auf den üblen Ruf, den die Nazis sich verschafft hatten. Und so blieb ihm der Erfolg denn auch nicht versagt. Den meisten Lesern des Braunbuchs erschien es durchaus einleuchtend, dass so übel beleumdete Funktionäre wie "die Fememörder" Heines und Schulz auch Brandstifter waren. Dass Oberleutnant Schulz als ehemaliger- Adjutant Gregor Strassers bei der NS-Partei längst in Ungnade gefallen war - Wer konnte das in England und Frankreich schon wissen. Und so druckten denn auch angesehene Blätter die Münzenberg-Märchen nach.

      Nach dem erstaunlichen Erfolg seines ersteh Braunbuches kam Willi Münzenberg eine neue, noch wirksamere Idee. Er erinnerte sich der "Geheimgerichte"

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