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Lumine. Nami Korevko
Читать онлайн.Название Lumine
Год выпуска 0
isbn 9783991310785
Автор произведения Nami Korevko
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Aber sein Ärger wurde dadurch nicht besonders minimiert. Sein Entschluss stand fest. Ab morgen würde er sie einsperren lassen, wenn er der Ansicht war, es würde vonnöten sein. Zwar wollte er noch bis vor Kurzem sein Kind mit einer äußerst erhöhten Lautstärke seiner Stimme zurechtweisen und seine Hand erheben. Allerdings verzichtete er darauf. Kraft und Nerven würde er in den nächsten Tagen in hohen Mengen gebrauchen. Somit wäre es am Besten, wenn er sich seine Reserven aufsparte. Immerhin sollte dabei nichts schiefgehen.
Die folgenden Tage verbrachte die Adelstochter ausschließlich in ihrem Zimmer und verließ ihr Gemach nur, um entweder zu speisen, damit sie nicht an mangelhafter Ernährung irgendwann krepieren würde, und um im Musikzimmer ihrem Geigen- sowie Französischunterricht nachzugehen. Sie liebte ihr Instrument. Außerdem war sie talentiert. Zweifellos. Die sanft gespielten Melodien, die den niedergeschriebenen Noten entsprachen, zogen sie jedes Mal in eine andere Welt. Dabei konnte sie sich entfalten und sah vor ihrem inneren Auge immer eine Szenerie, die sie sich so gerne ausdachte. Ihr absolutes Lieblingsstück war Bianco vom italienischen Musiker Cedriano. Dieses Lied hatte sie schon so oft gespielt. Es war Ihr absoluter Favorit. Wenn sie traurig war, sich einsam fühlte oder generell ihr irgendwas auf dem Herzen lag, spielte sie diese Melodie und verschmolz mit den Klängen, die sie für einen kurzen Moment alles vergessen ließen.
Ihr Musiklehrer Henry Rue legte seinen Taktstock auf den Notenständer, richtete sich seine Brille, die ihm viel zu oft von der Nase rutschte, und klatschte anerkennend mit den Händen. Dabei schenkte er ihr zusätzlich ein freundliches Lächeln. „Wundervoll, Lady Luna. Ihr habt Euch heute selbst übertroffen!“ Glücklich über die Anerkennung seitens des mittlerweile grauhaarigen Lehrers, bedankte die Kleine sich und vollführte einen leichten Hofknicks.
Ihre Mutter betrat den Saal und erkundigte sich. Wie jeden Tag sah die Gattin des Earls atemberaubend aus. Leicht schmunzelnd an Mr. Rue gewandt, erhob sie das Wort: „Und wie macht sich meine Tochter?“ In ihrer Stimme schwang ein gewisser Ton mit, den man als hoffnungsvoll bezeichnen konnte. Der ältere Herr breitete demonstrativ die Arme leicht aus und erwiderte: „Wahrlich hervorragend. Nahezu perfekt. Eure Tochter ist offenkundig talentiert!“ Leichtes Stutzen seitens der blonden Schönen. „Nahezu perfekt?“, wiederholte sie leise ungläubig. Das breite Lächeln, das noch bis vor Kurzem Lunas Gesicht zierte, war verschwunden. Selbstverständlich kümmerte ihre Eltern nur Perfektion. Wie konnte sie auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwenden, dass ihre Eltern stolz auf sie sein würden? Nichts und niemand war perfekt. Oder? Zumindest nicht ihre Wenigkeit. Sie wollte es auch nicht sein. Langsam begann sie, dieses Wort wirklich zu verabscheuen. Während die beiden Erwachsenen ihr holpriges Gespräch weiterführten, packte die weißhaarige ihre Geige mitsamt Bogen wieder ein und machte sich daran, den Saal zu verlassen. Vorher verabschiedete sie sich noch von dem lieben Musiklehrer. Draußen aber verblieb sie, nicht weit von der Tür entfernt, und wartete, bis ihre Mutter ihr folgen würde, da sie Luna dazu gebeten hatte.
Erschöpft schloss sie ihre blutroten Augen und atmete tief ein und aus. Ihre Arme eng um ihre Geige geschlungen. Als das Mädchen nach einer ungewissen Weile Schritte vernahm, blickte es auf. „Liebling, vernachlässige niemals dein musikalisches Talent, ja? Bald wirst du dazu in der Lage sein, deine Kunst zu perfektionieren. Immerhin liegt dir die Musik. Aber bitte zier dich nicht, auch an deinen Tanzkünsten und Manieren zu arbeiten. Deine Tollpatschigkeit mit eingeschlossen. So was schickt sich nicht für eine Adlige. Wir sind besser als die normalen Leute. Verstehst du? Wir sind perfekt. Wir müssen perfekt sein!“ Sanft legte Lady Valanice ihrer Tochter die Hände auf die Wangen. „Bitte tu es für mich“, hauchte weinerlich ihre Mutter. Erschrocken stellte Luna fest, dass die Frau vor ihr den Tränen nahe war. Aber weshalb? Aus welchem Grund? Noch war es der Kleinen ein Rätsel.
Eine Antwort bekam sie zu ihrem Bedauern nicht.
In der folgenden Woche startete die Familie De Mencium den Tag mit einem höflichen Empfang für ihre Gäste. Nach langer Zeit beehrten sie die Snootfields und Stanvishes wieder. Gemeinsam saßen alle im Garten zu Tisch, speisten und unterhielten sich. Deren Gespräche besaßen so viel Tiefgang wie ein flacher Teller. Wundervolle und köstliche Speisen wurden von dem Personal serviert. Das hölzerne Möbel war beige gedeckt. Der Himmel war schön blau. Nur wenige Wolken wagten es, sich zu zeigen. Im Hintergrund konnte man die vielen Sträucher, Hecken und Blumenbeete betrachten. Und etwas abseits in der Mitte des Gartens befand sich ein großer Baum, dessen Äste das Doppelte an Volumen eines Nudelholzes besaßen. Gezwungen brachte Luna nicht mehr als ein Schmunzeln zustande und lauschte gespielt interessiert, während sie ihre Teetasse anhob, um sich einen Schluck zu genehmigen, darauf bedacht, keinen Laut von sich zu geben. Das penetrante Starren ihres Gegenübers machte sie nervös, und sie verspürte das Bedürfnis, einfach aufzustehen und zu gehen, um dem Unwohlbefinden zu entgehen. Der Sohn der Madam Snootfield konnte sein Augenpaar nicht von Lady Luna abwenden. Sie sah viel zu sonderbar aus. Ihre schneeweißen Haare, die zu einer tollen Flechtfrisur mit einer beigen Schleife kombiniert frisiert waren. Nicht zu vergessen ihre roten Augen und diese helle Porzellanhaut. So was hatte er noch nie zuvor zu Gesicht bekommen. Faszinierend.
„Ach, wirklich? Wie entzückend und beeindruckend euer Sohn Lawrence doch ist, Earl Snootfield!“, kicherte Lady Stanvish und hielt sich die Hand etwas vor den Mund. „Er ist geradezu der perfekte zukünftige Ehemann für eine meiner beiden Töchter!“, äußerte sich die schwarzhaarige Lady mit zu viel Schminke im Gesicht, dabei ihren beiden Mädchen zunickend. „Da stimme ich Euch ohne jeden Zweifel zu, Lady Stanvish!“, entgegnete Madam Snootfield mit einem leicht arroganten Unterton und schaute ihren brünetten Sohn unauffällig auffordernd an. Dieser bedankte sich daraufhin höflichst und war so frei, endlich seinen Blick von Luna abzuwenden. Statt dessen lächelte er Lady Stanvish charmant an. „Die Perfektion in Person, wie man es doch zu sagen pflegt!“, lachte das Oberhaupt der Snootfields. Trotz aller inszenierter guter Laune spürte man eine Spannung. Irgendwas lag in der Luft. Man konnte sie beinah zerreißen. Dunkle Wolken zogen plötzlich auf.
Ein Räuspern. „Auch ich teile selbstverständlich Eure Meinung, jedoch dürft Ihr meine Tochter Luna da nicht außer Acht lassen. Sie ist nämlich eine sehr talentierte Geigenspielerin!“, mischte Earl De Mencium mit und setzte ein gespielt fröhliches Lächeln auf, um seinen Ärger zu überspielen. Dieser unauffällige verbale Wettkampf, welches der Kinder doch die Perfekteren waren, war zum Erbrechen. Alle Köpfe drehten sich in die Richtung der Weißhaarigen. Verdammt! Gerade eben noch konnte sie sich dem Starren von Lawrence entziehen. Es war zu schön, um wahr zu sein. Ihr war sichtlich unwohl. Allerdings versuchte sie, ihre Unsicherheit mit aufgerichteten Mundwinkeln zu verstecken. Sie mochte keine Aufmerksamkeit. Bedauerlicherweise aber würde ihr der schützende Schatten des Lichtes wahrscheinlich immer verwehrt bleiben. Alleine schon aufgrund ihres Aussehens.
„Oh, wie toll. Dürften wir uns später vielleicht an einer kleinen Kostprobe Ihrer Gabe erfreuen?“, stellte Earl Stanvish die Frage, die sich alle gestellt haben. Edwin nickte einverstanden. „Gewiss!“, grinste der Earl und hoffte insgeheim, dass er heute einer Blamage entgehen konnte. Ewig konnte er solch ein Verhalten nicht dulden.
Somit müsste er eines Tages gewisse Konsequenzen ziehen. Welch einer Art eben diese entsprechen würden, darüber musste er sich noch Gedanken machen. Aber man sollte doch nicht gleich übertreiben und voreilig den Teufel an die Wand malen, selbst wenn der undurchschaubare Mann bereits den Pinsel in seiner Rechten fest im Griff hielt.
Der plötzliche Groll des Donners ließ Luna zusammenfahren. Der peitschende Regen folgte nach nur wenigen Sekunden, gepaart mit dem heulenden Wind, der die Servietten wild vom Tisch und durch die Luft wirbelte. Eilend flüchtete die Gruppe ins Trockene und machte es sich im Wohnzimmersaal gemütlich, während die Butler den Tisch abräumten. Zumindest das, was davon übrig geblieben war.
Angespannt hielt die Kleine ihr geliebtes Instrument in den Händen. Alle Augenpaare waren erwartungsvoll auf sie gerichtet. Noch immer