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Lumine. Nami Korevko
Читать онлайн.Название Lumine
Год выпуска 0
isbn 9783991310785
Автор произведения Nami Korevko
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ein für sie viel zu riesiges Bett stand an der Wand mittig des Raumes. Daneben auf der rechten Seite, wie erwähnt, der mit mehreren Dutzend von Kleidern gefüllte Schrank und das Regal aus Eichenholz. Der Boden wurde von einem roten Teppich mit goldenen Mustern bedeckt. Ihre Vorhänge der Fenster waren so weiß wie ihr Haar.
Was sie nur alles dafür getan hätte, um sich an die frische Luft begeben zu dürfen. Da kam ihr ein gewisser Gedanke. Zwar war es ihr nicht gewährt sich außerhalb des Hauses aufzuhalten, aber für kurze Zeit wäre dies doch kein Problem. Verschmitzt grinste die Kleine. Sie würde nicht lange weg sein, dachte sie sich. Schritte die sich ihr näherten, ließen Luna aufhorchen. Sie kannte diesen versteiften Gang. Nur noch ein paar Meter und die Person würde in ihrem Türrahmen stehen. Innerlich seufzend erhob das Kind sich und wandte sich, noch mit geschlossenen Augen, in die Richtung des Klanges um. Die Stimme des Zimmermädchens Genevieve veranlasste sie dazu sie nun anzuschauen. In diese freudlosen grünen Augen, die denen eines Fisches ähnelten, musste sie jeden Tag starren.
„Lady, Luna ich hoffe doch, Ihr habt nun Eure Lektion gelernt und werdet es doch wohl vermeiden, weitere Unannehmlichkeiten zu verursachen. Das würde Eurem Vater vieles ersparen und den Namen der Familie nicht weiter in den Schmutz ziehen!“
Luna mochte ihre raue Stimme nicht. Sie mochte ihre Art nicht. Eigentlich mochte sie gar nichts an ihr. Genevieve war eine unangenehme Person. Jeden Tag vernahm sie einen Text dieser Art. Mittlerweile war dies zur Gewohnheit geworden. Aber dennoch hinterließ es jedes Mal einen kleinen Kratzer im Inneren, der überraschenderweise viel mehr schmerzte als zuvor angenommen. Ob es der nicht besonders alten Frau Freude bereitete, über die Adelstochter zu tadeln oder ihr dies von ihren Eltern aufgetragen wurde, wusste sie nicht. Noch vor Genevieve hatte das Mädchen viele andere Zimmermädchen. Jedoch blieben diese nie lange, denn schon nach kurzer Zeit haben sie gekündigt oder es wurde ihnen gekündigt, und daraufhin sah die Kleine sie nie wieder. Anders bei Genevieve. Ausgerechnet sie. Aber vielleicht würde sich auch dies bald ändern. Schließlich wusste man nie.
Die eben geäußerten Worte, die Luna wie Steine an den Kopf geworfen wurden, schluckte sie tapfer herunter und überspielte ihre Reue mit einem gekünstelten Lächeln.
„Diesbezüglich entschuldige ich mich nochmals. Aber Genevieve, erlaubst du mir vielleicht, mir ein bisschen die Beine zu vertreten?“ Unschuldig verschränkte sie dabei die Arme hinter ihrem Rücken.
Misstrauisch legte die schwarzhaarige Frau ihre hohe Stirn in Falten, ehe sie antwortete: „Nein. Euch ist es für heute strengstens untersagt, Eure vier Wände zu verlassen. Habt Ihr das etwa vergessen? Wagt es also nicht, auch nur einen Schritt über die Türschwelle zu wagen. Dies könnte Konsequenzen nach sich ziehen!“ Was für ein törichtes und ungezogenes Balg sie doch war. Und so eine wie sie sollte eine Adlige sein? Pah! Dass sie nicht lachte. Eine ungehobelte und tollpatschige Person wie sie hatte nicht einmal ansatzweise das Zeug dazu, zum höchsten Rang der Gesellschaft zu gehören. Noch ein strenger Blick des Zimmermädchens unterstrich den Befehl, bevor auch sie auf dem Absatz kehrtmachte und ihren Tätigkeiten nachging.
Nachdenklich starrte Luna die nun geschlossene Tür an. Was für Konsequenzen denn? Sie wollte doch nie ihre Eltern verärgern oder ihnen im Weg stehen. Sie wollte lediglich ein Kind sein, das nicht eingesperrt und wie ein Vorzeigeprodukt behandelt wurde. Was war daran so verwerflich? Eigentlich gar nichts. Eigentlich. Jedoch: Ihr Wunsch, bloß für wenige Minuten ihr Zuhause zu verlassen, das sie noch nie komplett durchquert hatte, da es ihr immerzu verboten wurde, war zu groß. Sie würde niemanden stören und auch bald wieder zurück sein. Versprochen. Voller Elan und Spannung betätigte ihre kleine Hand die Türklinke und eröffnete ihr den Weg ins Abenteuer. In ein Abenteuer, mit dem sie niemals gerechnet hätte und dessen Folgen sie niemals hätte verursachen wollen.
Leisen Schrittes lief sie den Flur entlang, um zur großen Treppe zu gelangen, die in die Eingangshalle führte. An der Wand hinter dem ersten Treppenabsatz hing ein großes Gemälde, auf dem ihre Eltern abgebildet waren. Die engelsgleichen blonden Haare ihrer Mutter wurden von dem Maler mit einer Mischung aus den Farben Weiß, Gold und Gelb gemalt. Ihre schmalen Lippen, die ein minimales Lächeln andeuteten, waren rosa und ihr fabelhaftes, beaurdauxrotes Kleid, das ihr ein majestätisches Antlitz zauberte, machte den Augen Lunas nicht ansatzweise Konkurrenz. Ihre schmalen Schultern wurden von einem kräftigen Arm in Beschlag genommen, der ihrem Vater gehörte. Seine braunen Augen strahlten selbst auf dem Bild eine gewisse Strenge aus und ließen vermuten, dass sein erheitertes Gesicht nur eine Fassade war, die jederzeit wieder in sich zusammenbrechen würde, sobald der Zeitpunkt gekommen war. Seine dunkelbraunen Haare verschmolzen leicht mit den sanften Schattierungen im Hintergrund. Er war ein Mann, dessen Größe den Durchschnitt etwas übertraf.
Voila. Ein Vorzeigeehepaar, dessen Ruhm und Anerkennung kein Ende zu nehmen schien.
Die perfekten Adligen Earl Edwin De Mencium und seine Gattin Lady Valanice De Mencium. Und nur ein einziger kleiner Störfaktor existierte in ihrer ach so perfekten Scheinwelt. Ein Parasit. Das schwarze Schaf, das sich nicht in die Herde eingliedern wollte, nicht konnte.
Achtsam wagte Luna es, sich einen Überblick zu verschaffen, bevor sie sich nach Vergewisserung, dass niemand sich in der Halle aufhielt, nach unten begab. Immer noch darauf bedacht, keinen Lärm zu verursachen. Stufe um Stufe. Nach links abgebogen, folgte sie dem Gang entlang und betrachtete im Vorbeigehen gewisse Bilder oder Vasen. Das Zeitgefühl und die Orientierung ließen immer mehr nach, je länger die Zwölfjährige den verzweigten Gängen folgte. Das Anwesen kam ihr vor wie ein Labyrinth. Irgendwann kam sie an einer Sackgasse an. Erschrocken versteckte die Kleine sich aber wieder hinter der Ecke. Genevieve staubte die Gemälde und Wandleuchter ab. Hoffentlich hatte das Zimmermädchen sie nicht bemerkt. Dieser Teil des Hauses wurde merkwürdigerweise weniger beleuchtet. Rechts und links befanden sich jeweils noch zwei Türen. Diese führten wahrscheinlich ihres Wissens nach in die Vorrats- und sonstige Lagerräume. Ihr Herzschlag legte einen Zahn zu. Sie wollte keinen Ärger bekommen. Nicht noch mehr eingeschränkt werden. Ein deutlich hörbares Rumpeln und ein erstickter Schrei ließen ihren kleinen Körper zusammenzucken. Erwischt. Bestimmt hatte Genevieve sie entdeckt.
Wenn sie sich stellen würde, bekäme sie möglicherweise eine mildere Strafe.
Allen Mut sammelte sie an und atmete tief ein und aus.
Danach überwand die Adelstochter sich, trat um die Ecke und hob zaghaft den Kopf. Auf alles gefasst, schluckte Luna, jedoch alle Anspannung löste sich auf, als sie auf eine bis auf mit zwei Wandleuchten bestückte leere Wand starrte.
Nanu? Womöglich hat sie einen der Räume betreten und ist irgendwo dagegengestoßen, dachte sie sich. Hoffentlich hatte die Frau sich nicht allzu schwer verletzt.
Dies sah Luna als Chance, um so schnell wie möglich umzukehren. Schnellen Schrittes begab sie sich zurück. Aber dieser Laut war äußerst merkwürdig. Waren die Türen so morsch? Oder steckt was … Ihr Gedankengang wurde unterbrochen aufgrund des Zusammenstoßes mit einer anderen Angestellten des Hauses, die zuvor ein Tablett, beladen mit Porzellan und einer bescheidenen Mahlzeit, trug. Jedoch lagen diese nun zerbrochen und ungenießbar auf dem Boden. Ihr weißes Kleid bekam einiges von der Sauerei ab. Aus ihrer Trance erwacht, stand die Weißhaarige schnellstmöglich wieder auf den Beinen und entschuldigte sich. „Nicht doch, Lady Luna, euch trifft keine Schuld!“, beschwichtigte das dunkelblonde Hausmädchen namens Serina sie und machte sich daran aufzuräumen. Was für ein Tollpatsch sie doch sein konnte. Mist. Das Scheppern hallte genug laut wider, dass man es meilenweit hätte hören können.
„Was ist das hier für ein Krach?“, ertönte Earls beherrschte Stimme, als er sich dem Tatort näherte, dabei die beiden weiblichen Geschöpfe inspizierend. Seine stechenden Augen musterten Lunas verschmutztes Kleid, und wie ein Blitzschlag keimte eine Wut in ihm auf. Niemals. Nie ging ein Tag in Ruhe zu Ende, ohne dass auch nur ein Missgeschick widerfuhr, ob von den ungehobelten Angestellten verursacht oder seitens seines eigenen Fleisch und Blutes, das er nur zu gerne vor der Öffentlichkeit versteckte. Und dieses Ding sollte eines Tages seinen Namen vertreten? Vermaledeit! Hätte er doch bloß einen Sohn bekommen, der dem eines edlen Ritters gleichgekommen wäre. Ein perfektes Geschöpf, das alles und jeden in den Schatten stellte.